Augsburger Allgemeine (Land West)
Zwei Festivalprogramme gestaltet, aber kaum Termine
Konzerte Das Jahr ist für Musiker schwer zu planen, zum Beispiel mit den Festivals Alter und Neuer Musik in Augsburg
Das Wort „Kreativitätsstau“fällt gleich zu Beginn. Auf die Frage, wie es denn so gehe, in der monatelangen konzertfreien Zeitzone. Künstler wollen auf die Bühne, antwortet die Augsburger Musikerin Iris Lichtinger: Der Künstler muss im Training, im Arbeitsfluss bleiben. Das hat nicht nur finanzielle Gründe. Künstler wollen was leisten, wollen künstlerisch tätig sein. Auch für Iris Lichtinger ist das Konzertieren eine Herzensangelegenheit. Dank ihrer Unterrichtstätigkeit sind die Einbußen zum Glück nicht existenzbedrohend. Der Familie gefällt es außerdem gut, dass sie nun mehr zu Hause ist.
Dabei sitzt sie in den Startlöchern: Als 1. Vorsitzende der Augsburger Gesellschaft für Neue Musik (AGNM), als Vorstandsmitglied des Forums für Alte Musik Augsburg (FAMA), mit dem sie die Veranstaltungsreihe
Fugger-Konzerte kuratiert, hat sie zwei Festivals für 2021 bereits geplant, eines für Neue Musik und eines für Alte Musik. Die Programme sind fixiert, die Ausführende engagiert, die Flyerentwürfe sind fertig, die Säle zum Teil bestimmt. Was noch fehlt, sind die Termine. Sie sind derzeit nicht planbar. Auch im Konzertwesen gibt es also einen Kreativitätsstau.
Dabei begleiten die Fugger-Konzerte heuer das große Jubiläum der Fuggerei, die von Jakob Fugger dem Reichen anno 1521 gestiftet wurde. Der Zeitrahmen des zugehörigen „Kern-Festivals“steht bereits fest, nämlich vom 8. bis 10. Oktober 2021 mit dem Auftakt mit dem Ensemble FAMA, einem Gastspiel des vielversprechenden Jugend-Ensembles „La Banda Barocca“, einem Nachtkonzert u.a. mit Domkapellmeister Stefan Steinemann und mit Rahmenprogramm. Daneben sind in der Konzertsaison 2021 acht weitere Fugger-Konzerte geplant. Sobald als möglich werden Termine und Locations festgezurrt.
Mit den Künstlern kann Iris Lichtinger vermutlich rechnen. Anders als sonst ist bei den meisten der Terminplan noch weitgehend leer. In der Neuen Musik, bei der AGNM, gibt es dagegen schon einen Termin. Am 22. März wird ein Konzert mit zahlreichen Augsburger Künstlern im Kulturhaus Abraxas per Video aufgezeichnet und auf Youtube zu sehen sein. Neue Musik und neue Medien vertragen sich laut Lichtinger sehr gut. Eine Aufführung, eine Performance zu streamen oder aufzuzeichnen liegt durchaus auf ihrer Linie. Auch beim Komponieren bedienen sich die Tonschöpfer oft moderner Techniken.
Für Iris Lichtinger sind Liveübertragungen per Internet durchaus positiv besetzt, eine Möglichkeit für die Musiker, im Arbeitsfluss bleiben zu können, falls Livekonzerte nicht durchführbar sind. Wie lange die Livemusik allerdings im Kreativitätsstau noch schweigen muss, ist die große Frage. Zwar habe sie bei den Pressekonferenzen der Bayerischen Staatskanzlei bisher mit Erstaunen konstatiert, dass die Kunst offenbar nicht vorkommt.
Aber gegen die anscheinende Kulturferne der Politiker möchte sie nicht anrennen. „Ich finde nicht, dass man die Bedeutung der Musik immer proklamieren muss“, sagt Iris Lichtinger: „Ich denke, dass das selbstverständlich ist.“
Musik ist für sie die perfekte Sprache, die vermag, was schon Dante Alighieri im sprachlichen Ideal suchte, die „erleuchtend und erleuchtet strahlt“: Sie wird von allen verstanden und kann Wesentliches ausdrücken. Doch Wirtschaftlichkeit und Musik gehen oft schlecht Hand in Hand. Künstler wollen nicht wirtschaftlich denken, so Iris Lichtinger. Deshalb wurde die Musik wohl über Wirtschaftsfragen vergessen. Da braucht es Mittler, Lobbyisten, die mit beiden Beinen im Leben stehen und doch Sinn haben für das Wesen der Musik. Denn sie ist „kein Luxusvergnügen, sondern eine Notwendigkeit für die Gesellschaft“.