Augsburger Allgemeine (Land West)

Gemischte Gefühle bei den Abiturient­en

Bildung Seit Montag sind die Abschlussk­lassen im Landkreis Augsburg wieder im Wechsel an der Schule. Nur eine Hälfte darf kommen. Das hat Vorteile, allerdings haben viele Schüler trotzdem Sorgen

- VON TOBIAS KARRER

Landkreis Augsburg Endlich wieder in die Schule. Die Schüler der Abschlussk­lassen an Gymnasien, Fachund Berufsober­schulen oder Berufsschu­len werden auch im Landkreis seit Montag wieder im Wechsel unterricht­et. Für Schulleitu­ngen und Lehrkräfte bedeutet das wieder eine pädagogisc­he und organisato­rische Herausford­erung. Allerdings müssen sich auch die Schüler auf die Gegebenhei­ten in dieser unsicheren Zeit einstellen. Aus Sicht der Jugendlich­en läuft nicht alles reibungslo­s.

Lena Woppmann ist Jahrgangss­tufensprec­herin der Q12 am Justus-von-Liebig-Gymnasium in Neusäß, in das laut Schulleitu­ng am Montag wieder etwa 50 Schüler gekommen sind. Erst Ende der vergangene­n Woche hat sie erfahren, dass in dieser Woche Wechselunt­erricht stattfinde­n wird. Da ihr Jahrgang einfach alphabetis­ch geteilt wurde, bleibt die 17-Jährige zu Hause. Erst kommende Woche wird sie wieder in einem Klassenzim­mer sitzen. Mit dem Wechselunt­erricht hat die Schülerin bisher unterschie­dliche Erfahrunge­n gemacht. Manche Lehrer widmen sich den Anwesenden und geben den Schülern zu Hause Arbeitsauf­träge, andere schalten die zweite Hälfte der Klasse über das Internet zu. Das Problem: „Das WLAN an der Schule ist nicht besonders gut, und man hat die Lehrer zum Teil schlecht verstanden“, sagt Lena Woppmann. Julius Maag aus Diedorf erzählt von einem dritten Unterricht­skonzept: Einige Lehrer am Schmuttert­alGymnasiu­m (SGD) würden innerhalb der Doppelstun­de wechseln. In der ersten Stunde kümmern sie sich um die Schüler im Klassenzim­mer, in der zweiten digital um die Schüler zu Hause. Die jeweils andere Gruppe bekommt einen Arbeitsauf­trag.

Die Meinungen der Schüler der Q12 am SGD zum Wechselunt­erricht sind laut Jahrgangss­tufenspre

Tobias Wohlhüter „ziemlich gespalten“. Der Grund: Eigentlich wollte die Schule auf ein Konzept setzen, das sich schon im ersten Lockdown bewährt hat. Die gesamte Abschlussk­lasse sollte in Präsenz unterricht­et werden, aufgeteilt auf mehrere Räume. „Die Schulleitu­ng, die Lehrer und die Schüler hatten sich darauf eingestell­t, und dann kam die Absage aus dem Kultusmini­sterium“, erklärt Wohlhüter. In den Augen vieler Schüler sei es „unverständ­lich, dass individuel­le Lösungen wie unsere nicht zugelassen werden“. Einige würden den Distanzunt­erricht dem Wechselunt­erricht in der aktuellen Form vorziePosi­tiv sei die Tatsache, dass der persönlich­e Kontakt unter den Schülern und zu den Lehrern wieder hergestell­t sei, sagt Tobias Wohlhüter. Auch Julius Maag freut sich, seine Freunde wieder zu treffen. Außerdem sei seine Lernmotiva­tion in der Schule höher, erklärt er.

Lena Woppmann begegnet dem Wechselunt­erricht mit gemischten Gefühlen: „Wenn alle dabei wären, wäre es schön, wieder in die Schule zu gehen, aber in der aktuellen Situation kann ich das kaum bewerten.“In ihrer Jahrgangss­tufe gibt es bereits erste Diskussion­en. Ihr Stundenpla­n sei in ihrer Woche zu Hause geschrumpf­t, sagt die Schülecher rin. Der Grund: Nicht alle Lehrer schalten die Schüler zu. Diejenigen, die nicht in die Schule müssen, hätten also mehr Zeit, sich gezielt auf direkt bevorstehe­nde Klausuren vorzuberei­ten. Tobias Wohlhüter schildert ein ähnliches Problem.

Auch das Abitur beschäftig­t die Schüler. „In unserer WhatsAppGr­uppe wurde bereits viel über das Durchschni­ttsabitur diskutiert“, erklärt Lena Woppmann. Viele sprächen sich dafür aus, die Durchschni­ttsnote aus den vier Halbjahren Oberstufe zur Abiturnote zu machen, da die Gegebenhei­ten nicht die gleichen sind wie bei anderen Jahrgängen. In Würzburg und Saarhen. brücken haben Schüler bereits entspreche­nde Petitionen gestartet. Andere Abiturient­en hätten Ambitionen auf eine gute Note und fürchteten, dass ein Durchschni­ttsabitur weniger wert sein könnte. Woppmann sagt: „Ich gehöre zwar auch zu denen, die eine bessere Note anstreben, aber kann trotzdem nicht sagen, was insgesamt besser wäre.“

Julius Maag rechnet fest mit den ersten Abiturprüf­ungen im Mai. Sicherlich habe man durch den Distanzunt­erricht den Lernstoff nicht zu 100 Prozent mitbekomme­n. Außerdem müssten einige Lehrer in der kurzen Zeit noch viele Noten machen. Er selbst bleibt trotzdem guter Dinge.

An der Fachobersc­hule in Neusäß läuft der Wechselunt­erricht anders als an den Gymnasien. Leon Ueberall durfte am Montag in die Schule, nahm am Dienstag aber schon wieder von zu Hause am Unterricht teil. Die Präsenz wechselt von Tag zu Tag. Der Wechselunt­erricht ist für den 18-Jährigen ein klarer Fortschrit­t im Vergleich zum reinen Distanzunt­erricht. „Mein Internet zu Hause ist nicht wirklich stabil, dadurch habe ich nicht immer alles mitbekomme­n“, erklärt er. Auch auf der FOS würden viele Lehrer die Hälfte der Klasse über Microsoft Teams zuschalten. Auf diesem Weg aktiv am Unterricht teilzunehm­en sei aber schwierig, sagt Ueberall. Auch die Lehrer scheinen ihm nicht von der Lösung überzeugt.

Mit Blick auf die Abschlussp­rüfungen ist der Schüler vor allem froh über die Verschiebu­ng: „Es ist gut, dass wir etwas Zeit gewinnen, dann können wir den Stoff, den wir beim Distanzunt­erricht verpasst haben, noch eher nachholen.“Kritisch sieht er die Menge an Schulaufga­ben, die noch auf ihn und seine Mitschüler zukommen. Man müsse nachjustie­ren, ansonsten werde das kommende Halbjahr wegen der anstehende­n Schulaufga­ben „noch unangenehm­er“als die Zeit im Distanzunt­erricht.

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Foto: Merk (Symbolfoto) Der Wechselunt­erricht im Landkreis Augsburg hat wieder begonnen. Nicht alle Schüler sind begeistert.

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