Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Kuschel‰Koalition

Hintergrun­d Union und SPD begegnen sich in verblüffen­der Harmonie. CDU-Chef Armin Laschet ist erstmals dabei, verschenkt Bücher und schlägt sich tapfer. Selbst Söder macht ihm seinen Platz nicht streitig

- VON STEFAN LANGE

Berlin Die schweren Attacken blieben aus. Sogar Vizekanzle­r Olaf Scholz, der nicht nur in Sachen Corona-Pandemie schwere Geschütze herausholt, sondern auch verbal gerne mal scharf schießt, verhielt sich dieses Mal brav. So viel Frieden war bei einem Koalitions­ausschuss schon länger nicht mehr. Schon gar nicht bei einem Treffen in einem Superwahlj­ahr, in dem der Kampf um Stimmen die guten Manieren meist in den Hintergrun­d rücken lässt. Das Treffen der Spitzen von Union und SPD am Mittwochab­end jedenfalls war, so berichten Teilnehmer übereinsti­mmend, eine erstaunlic­h harmonisch­e Veranstalt­ung.

Die Runde traf sich im internatio­nalen Konferenzs­aal des Kanzleramt­es. Der ist deutlich größer als der Kabinettss­aal, in dem die Koalitions­gipfel üblicherwe­ise stattfinde­n, lässt also coronakonf­orme Abstände zu. Außerdem, so erklärte Kanzleramt­schef Helge Braun, könne die Luft dort bis zu acht Mal in der Stunde umgewälzt werden.

Union und SPD brachten neue Corona-Hilfen auf den Weg, die zusammen ungefähr zehn Milliarden Euro kosten. Das Geld kann ohne Nachtragsh­aushalt gestemmt werden, denn in den Bundeshaus­halt 2021 sind 35 Milliarden Euro als Corona-Vorsorge ohne konkrete Ausgabenpl­anung eingestell­t worden.

Um des lieben Friedens willen gaben beide Seiten zudem ein bisschen nach. Die SPD etwa hätte sich einen höheren Kinderbonu­s gewünscht. Die Vorsitzend­en Norbert WalterBorj­ans und Saskia Esken wollten 200 Euro, sie bekamen 150.

Dafür ließ die Union beim steuerlich­en Verlustvor­trag mit sich reden. Er wird für 2020 und 2021 angehoben, CDU und CSU hätten 2019 auch noch gerne einbezogen. Neben den weiteren Corona-Hilfen und einem Bekenntnis zur Eurodrohne ging es aber vor allem um die

Frage: Wie macht sich Armin Laschet? Der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident nahm erstmals in seiner neuen Rolle als CDU-Vorsitzend­er am Koalitions­ausschuss teil. Die füllte der 59-Jährige sofort ganz aus, er habe seinen Führungsan­spruch deutlich gemacht, sich aber nicht in den Vordergrun­d gedrängelt, hieß es. Als Laschet zur üblichen Vorbesprec­hung von CDU und CSU zwar pünktlich, aber als Letzter kam, war der ihm gebührende Stuhl gegenüber der Kanzlerin für ihn freigehalt­en worden.

Auch der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder, er kam dem Vernehmen nach als Erster, machte dem Aachener seinen Platz nicht streitig.

Laschet, der Besuchern seiner Staatskanz­lei gerne auch mal ein Exemplar des Vertrags von Aachen in die Hand drückt, hatte blau eingebunde­ne Bücher mit Gedichten von Heinrich Heine dabei. Sein Präsent habe ein gutes Echo und viel Interesse bei allen Teilnehmer­n gefunden, verlautete aus der Runde. Esken kommentier­te das Geschenk dem Vernehmen nach mit den Worten, sie freue sich über einen Autor, der aus ihrer Heimat stamme. Aber solche Irrungen – Heine wurde in Düsseldorf geboren, Esken ist Stuttgarte­rin – fallen nicht ins Gewicht, wenn der Harmonie-Pegel so hoch ist, dass alle glücklich sind. Als SPD-Kanzlerkan­didat Scholz von den Digitali sie rungs fortschrit­ten in seiner früheren Heimat Hamburg schwärmte, konterte Söder fast liebevoll, er finde Hamburg auch gut, seine Umfragewer­te seien selbst dort besser als die von Scholz.

Wie lange der Frieden hält, steht indes auf einem anderen Blatt. Einen Vorgeschma­ck auf kommende Wahlkampfz­eiten lieferte Finanzmini­ster Scholz dann doch noch, der Berichten zufolge angesichts schleppend­er Impfliefer­ungen beim letzten Corona-Kabinett laut wurde und EU-Kommiss ions präsidenti­n Ursula von der Leyen hart anging.

Womöglich blieb derKoalit ions ausschuss trotzdem im Kuschel modus, weil das ThemaLockd­own ausgespart wurde. O bes Lockerunge­n von den strengen Corona-Auflagen geben kann, und wenn ja, wann – das wollen die Koalitionä­re lieber den Bund-Länder-Beratungen am 10. Februar überlassen. Eigentlich wäre es Aufgabe der Regierungs parteien, hier klar Kante zu zeigen. Aber die sind sich dem Vernehmen nach selbst intern noch nicht einig, wollen Streit deswegen vermeiden und lieber noch ein bisschen kuscheln.

 ?? Archivfoto: Imago Images ?? Das Bild ist aus dem Archiv, beim Koalitions­ausschuss wollen die Parteispit­zen lieber ihre Ruhe. Aber die Stimmung wär ähnlich entspannt, als Armin Laschet (links) erstmals in seiner neuen Position als Vorsitzend­er der CDU erschien. CSU‰Chef Markus Söder (rechts) hielt ihm sogar den besten Platz am Tisch frei.
Archivfoto: Imago Images Das Bild ist aus dem Archiv, beim Koalitions­ausschuss wollen die Parteispit­zen lieber ihre Ruhe. Aber die Stimmung wär ähnlich entspannt, als Armin Laschet (links) erstmals in seiner neuen Position als Vorsitzend­er der CDU erschien. CSU‰Chef Markus Söder (rechts) hielt ihm sogar den besten Platz am Tisch frei.

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