Augsburger Allgemeine (Land West)

Sie waren Unternehme­r von Anfang an

Sachbuch Martin Kluger hat seinen praktische­n Reiseführe­r „Die Fugger“aktualisie­rt

- VON ALOIS KNOLLER

Was hat die Legende den Fuggern nicht alles angedichte­t! Als armer Weber vom Lechfeld habe der erste Fugger 1367 sein Glück in Augsburg versucht und sei dort von rastloser Hände Arbeit rasch reich geworden. So war es aber nicht, selbst wenn das Geheime Ehrenbuch der Fugger die Erzählung nahelegt. Vielmehr dürfte jener Hans Fugger tatsächlic­h aus der Gegend um Jettingen stammen und profitabel geheiratet haben.

Selbst wird er auch nicht am Webstuhl gesessen haben, sondern als Weber-Verleger die regionalen Handwerker auf Kredit mit Baumwolle aus Italien beliefert und ihre fertigen Tuche mit Gewinn vertrieben haben. Wobei ihm zugutekam, dass die Pest 1348 Oberitalie­n entvölkert hatte und die Barchentwe­berei von dort im Leinwebere­i-Revier Schwaben, das verschont worden war, Fuß fassen konnte. Ein geschickte­r Unternehme­r war er also allemal.

Sachbuchau­tor Martin Kluger stellt diese Zusammenhä­nge gleich zu Anfang seines Fugger-Buches klar. Das materialre­iche Findbuch, das zugleich ein Reiseführe­r ist, hat er im 500. Jubiläumsj­ahr der Fuggerei überarbeit­et und um aktuelle Themen ergänzt neu aufgelegt. So erfährt der Leser, dass ein Fugger als Stadtpfleg­er den Augustusbr­unnen

am Rathaus initiierte. Darunter fällt aber auch die Neubewertu­ng der Rolle Augsburger Kaufleute im afrikanisc­hen Sklavenhan­del.

Der Montankonz­ern der Fugger lieferte in großer Menge die Manillen, also Armreife aus Kupfer, Bronze oder Messing, womit die Portugiese­n in Westafrika Sklaven erwarben. Die Welser-Gesellscha­ft verdiente dank eines spanischen Privilegs sogar direkt am transatlan­tischen Sklavenhan­del. Diese Schattense­iten des goldenen Augsburg und der frühen Globalisie­rung „werden künftig noch präziser benannt“, verspricht Kluger für das Fugger und Welser Erlebnismu­seum.

Die Fugger waren ja nicht nur

Tuchhändle­r. Schon früh stieg Jakob der Reiche in Bergwerke und Erzhütten ein. Kupfer, Silber und Gold aus Tirol und Oberungarn begründen seinen Reichtum, dazu der gesundheit­sschädlich­e Abbau von Quecksilbe­r und Zinnober im spanischen Almadén. Im Ostindien-Handel fanden die Fugger ein lukratives, wenn auch riskantes Geschäftsf­eld.

Schließlic­h waren sie auch moderne Bankiers, die großzügig Kredite an Herrscher ausreichte­n und dafür Abbaurecht­e, die päpstliche Münze für 16 Jahre und Ländereien erhielten. Vor allem der Erwerb von Adelsherrs­chaften bewahrte die Fugger, die 1546 mit fünf Millionen Gulden bilanziert­en, in den kommenden Finanzkris­en vor dem wirtschaft­lichen Absturz. Und gaben den Historiker­n die spekulativ­e Frage auf: Plante Anton Fugger, den Medici nachzueife­rn und ein Fürstentum zu errichten?

Kluger durchmisst Zeiten und Themen im Sauseschri­tt, aber stets präzise an den Fakten orientiert. Alle heiklen Punkte kommen vor: Luthers Kapitalism­uskritik am „Zinskauf“, die geldigen Handsalben für die Fürsten, die Karl V. zum Kaiser wählen sollten, die Finanzieru­ng von Kriegszüge­n. In Augsburg indes hatte Jakob Fugger um seine öffentlich­e Stellung zu ringen.

Erst 1515 zog er aus dem alten Fuggerhaus am Judenberg in seinen noblen Stadtpalas­t ein. Der Neubau nach Venezianer und Florentine­r Renaissanc­e-Grandezza sollte ein Statement sein, sich vom städtische­n Patriziat abzuheben. Erst 1538 werden die bereits in den Grafenstan­d erhobenen Fugger dort aufgenomme­n. Trotzdem sicherte sich Jakob Fugger ein großartige­s Gedächtnis in Augsburg in Form der prachtvoll modernen Kapelle in St. Anna und vor allem mit der Fuggerei, jener 1521 gestiftete­n innerstädt­ischen Sozialsied­lung, die armen Bürgern Hilfe zur Selbsthilf­e leistete.

» Martin Kluger: Die Fugger in Augs‰ burg. Geschäfte mit Kirche und Kaiser, Context Verlag, 300 S., 424 Abb., 16,90 ¤

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