Augsburger Allgemeine (Land West)

„Junge Eltern geraten zunehmend unter Druck“

Kinder Seit 20 Jahren bieten die katholisch­e Beratungss­tellen für Schwangers­chaftsfrag­en Müttern Unterstütz­ung. Drei Beraterinn­en erzählen, mit welchen Problemen junge Familien kämpfen

- VON INA MARKS

Eine 14-Jährige, die ungewollt schwanger wird und verzweifel­t ist – dieses Szenario haben viele vor Augen, wenn der Begriff Schwangers­chaftsbera­tung fällt. Dabei kommen solche Fälle gar nicht so oft vor, sagen die Mitarbeite­rinnen der Katholisch­en Beratungss­telle für Schwangers­chaftsfrag­en des Bistums Augsburg. Die Diplomsozi­alpädagogi­nnen müssen es wissen. Schließlic­h wurde die Beratung für Frauen und Familien im Januar 20 Jahre alt. Manche Beraterinn­en sind von Anfang an dabei. Sie kennen die Fragen und Probleme ihrer Klientinne­n nur allzu gut. Häufig geht es um die Frage nach staatliche­n Hilfen, wenn das erste Kind zur Welt kommt, und wie die Elternzeit funktionie­rt. Leiterin Gisela Starringer-Rehm und ihre Kolleginne­n stellen aber auch fest, dass in den vergangene­n Jahren neue Probleme auftauchte­n, die werdende Mütter und Familien belasten.

„Grundtheme­n wie, wie schaffe ich mein Leben mit einem Kind, was gibt es für gesetzlich­e Leistungen, was macht ein Kind mit der Partnersch­aft, sind geblieben“, erzählt Beraterin Gundula Bernhard. Was Familien und alleinerzi­ehenden Müttern aber immer mehr zu schaffen mache, sei die Wohnungsno­t in Augsburg. „Können Sie mir helfen, eine Wohnung zu finden?“, mit dieser Frage werden Leiterin Starringer-Rehm und ihre Kolleginne­n häufig konfrontie­rt. Die Situatione­n der Betroffene­n seien oft sehr bedrückend. Die Beraterinn­en erzählen von Wohnungen mit Schimmel, desinteres­sierten Vermietern und von mehrköpfig­en Familien, die auf engstem Raum zusammen leben müssen.

„Natürlich setzen wir uns mit dem städtische­n Wohnbüro und der Wohnungsba­ugenossens­chaft in Verbindung und weisen auf den Wohnberech­tigungssch­ein hin. Manchmal schreiben wir für die Klientinne­n auch Briefe an potenziell­e Vermieter.“Aber für viele, bedauert Starringer-Rehm, könne man nichts tun. Unter der Wohnungskn­appheit litten auch Familien mit Fluchthint­ergrund. „Manche sind längst anerkannt, müssen aber weiter in der Unterkunft leben, weil sie nichts finden.“Mit der Flüchtling­swelle vor sechs Jahren kam auf die Beraterinn­en zusätzlich­e Arbeit zu. Plötzlich baten verstärkt Frauen mit Migrations­hintergrun­d um Unterstütz­ung.

„In erster Linie ging es um Existenzsi­cherung. Geflüchtet­en Familien vermittelt­en wir, dass sie jetzt in Sicherheit sind und sich ein neues Leben aufbauen können.“Manche Diplomsozi­alpädagogi­nnen sprechen Französisc­h oder Englisch. In einigen Fällen würden Dolmetsche­r eingesetzt. „In der Zeit haben wir unter Hochdruck gearbeitet, um den Andrang zu bewältigen“, berichten die Leiterin und Gundula Bernhard. „Wir waren heilfroh, als wir von der Diözese eine zusätzlich­e Stelle bekamen.“Noch eine Veränderun­g haben die Beraterinn­en in 20 Jahren festgestel­lt: Junge Familien gerieten zunehmend unter Druck.

Sozialpäda­gogin Sabine Ried, die auf Paarberatu­ng spezialisi­ert ist, meint, dass von jungen Paaren heute viel erwartet werde. Aus finanziell­en Gründen müssten oft beide arbeiten, weil sie beruflich mobil sein müssen, fehle die örtliche Nähe zu den Großeltern, die Familien entlasten könnten. „Früher gab es noch mehr die klassische­n Rollenauft­eilungen, jetzt engagieren sich mehr Väter und nehmen Elternzeit.“Der Wandel sei zwar zu begrüßen, so Ried, aber berge neues Konfliktpo­tenzial. „Für viele Eltern ist es eine Herausford­erung, sich auf die Erziehung zu einigen, da geraten oft verschiede­ne Persönlich­keiten aneinander.“Junge Mütter würden sich zudem selbst zu viel Druck machen, weil sie in ihrer Rolle perfekt sein wollen.

Und dann gebe es den Druck, nicht nur als Eltern gut zu sein, sondern auch als Partner. Gisela Starringer-Rehm erzählt von Frauen, „bei denen von außen betrachtet alles gut zu sein scheint und die sich trotzdem viele Sorgen machen.“Die Beraterinn­en aber bewerten nicht. Die Schwangere­nberatungs­stelle des SkF ist für alle Fragen, Sorgen und Nöte da. In den vergangene­n 20 Jahren wurden über 60.000 Menschen beraten. Weit mehr als 10.000 Familien erhielten zudem mit knapp sechs Millionen Euro materielle Hilfen.

Die Beraterinn­en, das ist im Gespräch zu spüren, mögen ihre Arbeit. Sie sind zufrieden, wenn sie helfen können. Wie etwa der jungen Familie, deren kleine Tochter immer schrie, wenn der Vater sie auf den Arm nehmen wollte. Weil die Eltern darüber unglücklic­h waren, kamen sie in die Beratung. „Das Kind war nur auf die Mutter fixiert“, schildert Sabine Ried. „Seine negativen Reaktionen setzten den Vater unter Stress, was das Kind wiederum spürte.“

In wenigen Sitzungen war der Teufelskre­islauf durchbroch­en. Der Vater habe gelernt, sich selbst keinen Druck zu machen und in Ruhe auf das Kind zu zugehen, die Mutter, sich zurückzune­hmen. Die Beraterinn­en haben immer viel zu tun.

Das hat sich in den 20 Jahren nicht verändert.

Eine neue Herausford­erung ist die Corona-Pandemie. Dass die Beratungen zum Teil am Telefon oder per Video stattfände­n, sei nicht das Problem. „Aber mit Corona hat sich für viele Familien die finanziell­e Lage verschärft“, berichtet Gisela Starringer-Rehm. Unlängst hatten sie eine Klientin, die auf Kurzarbeit ist und ihre Mietrückst­ände nicht begleichen konnte. Kurz vor ihrem Kaiserschn­itt-Termin habe die werdende Mutter eine Räumungskl­age bekommen. Mit Hilfe von Stiftungsg­eldern habe man der Frau schließlic­h aus der misslichen Lage helfen können.

Kontakt Die Katholisch­e Beratungs‰ stelle für Schwangers­chaftsfrag­en in Augsburg am Katzenstad­el 1 ist erreichbar unter der Telefonnum­mer 0821/420899‰0 oder unter schwange‰ renberatun­g.augsburg@skf‰augs‰ burg.de.

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Foto: Klaus Rainer Krieger Seit 20 Jahren bieten die Katholisch­en Beratungss­tellen für Schwangers­chaftsfrag­en Frauen und Familien ihre Hilfe an. Hier ist Leiterin Gisela Starringer‰Rehm in einem Ge‰ spräch zu sehen.

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