Augsburger Allgemeine (Land West)
CoronaJahr 2020: Weniger Unfälle, mehr Demos
Einsätze Die Arbeit der Polizei war in den vergangenen Monaten stark von der Virus-Pandemie beeinflusst. Manche Aufgaben fielen weg, andere kamen hinzu – zum Beispiel eine Iglu-Räumung
Steht ein Iglu im Winter im Wittelsbacher Park. Schön. Und jetzt? In normalen Zeiten hätte das die Polizei nicht interessiert. Doch nichts ist normal, es herrscht Pandemie. Menschen dürfen sich derzeit so gut wie gar nicht treffen – auch nicht in einem Iglu, wie an einem Abend Mitte Januar geschehen. Als die „Bewohner“vor der Polizei in alle Richtungen davon rennen, nimmt diese die Verfolgung auf. Corona hat vieles verändert. Auch die Arbeit der Einsatzkräfte. Für die rund 140 Beamten der Polizeiinspektion-Mitte, deren Revier die Innenstadt ist, waren die vergangenen Monate ungewohnt. Nur in der Maximilianstraße gab es trotz Corona zwischenzeitlich weiterhin viel zu tun.
Wenn Andreas Schaumaier an den Anfang des vergangenen Jahres zurückblickt, stellt er fest: „Für viele von uns war vor der Pandemie schwer vorstellbar, dass sich die Aufgabenbereiche so verändern werden.“Der Chef des Augsburger Innenstadtreviers zählt auf: „Es gab keinen Plärrer mehr, keine Eishockey-Spiele des AEV, keine Sommernächte, kein EM-Public-Viewing und kein Christkindlesmarkt.“Nicht nur im Zentrum der Stadt, in ganz Augsburg brachen Veranstaltungen
weg, auf denen die Polizei sonst präsent ist. Die Einsätze bei Fußballspielen blieben aus, auch das Schließen der Discotheken und Bars hatte Auswirkungen. „Die Kollegen wurden weniger zu alkoholbedingten Streitigkeiten oder Auseinandersetzungen gerufen“, so Polizeisprecher Talib Khachab.
Die Zahl der Verkehrsunfälle ging während des Frühjahrs-Lockdowns zurück – im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum im Vorjahr um 60 Prozent. Laut Augsburgs Kripo-Chef Dirk Schmidt ist auch der Rückgang der Einbrüche im Frühjahr ein Beispiel für die veränderten polizeilichen Herausforderungen. Auch die Zahl sonstiger
Straftaten erschien ihm im ersten Lockdown weniger. Zuletzt allerdings, so Schmidts Eindruck, hätten Einbrüche wieder zugenommen. An Zahlen lässt sich das bislang nicht belegen. Der Sicherheitsbericht des Polizeipräsidiums Schwaben-Nord, der jedes Jahr genaue Zahlen auflistet, soll Anfang März erscheinen.
Dabei ist es keineswegs so, dass die Beamten weniger Arbeit gehabt hätten. Sie habe sich nur verlagert, heißt es. Im Frühjahr etwa mussten die Einsatzkräfte den Schwerpunkt auf Kontrollen der Ausgangsbeschränkungen legen. „Das war für alle Neuland, für die Bürger wie für uns“, sagt Schaumaier rückblickend. Er betont, dass Fingerspitzengefühl
bei derlei Einsätzen wichtig war. Ab Mai kam für die Innenstadt-Beamten eine neue Aufgabe hinzu: Gegner der Corona-Politik veranstalteten regelmäßig Demonstrationen. „Die Kundgebungen verliefen insgesamt friedlich“, sagt der Chef des Innenstadt-Reviers. Er räumt aber ein, „dass es mitunter schwierig war, die Maskenpflicht durchzusetzen. Das hat schon einen gewissen Einsatz an Polizeikräften gefordert.“Dass die Zahl der Demos zuletzt zurückging, so vermutet Schaumaier, liege am winterlichen Wetter. Auch wenn Clubs geschlossen hatten und Bars nur zeitlich begrenzt im Straßenverkauf ausschenken durften, blieb die Maximilianstraße im Sommer weiter Einsatzschwerpunkt.
Die Nacht- und Partyszene hatte sich unter freien Himmel verlagert. Hunderte meist junge Augsburger hielten sich vor allem rund um den Herkulesbrunnen auf, in dem sich der Müll häufte. Vielen war der Mindestabstand egal, die Atmosphäre war teils angespannt. Ordnungsdienst und Polizei zogen mit Kontrollen Unmut auf sich. Schaumaier spricht von „anfänglichen Konfliktsituationen und Solidarisierungseffekten unter den Nachtschwärmern gegenüber den Beamten“. Für besonders viel Aufsehen sorgte der Einsatz am Café Corso, der eskalierte und zu einem Handgemenge zwischen Wirtin, deren Mutter und Polizisten führte.
Laut Schaumaier wurde mit dem neuen städtischen Konzept für die Weggehmeilen Maxstraße und Ludwigstraße der Druck herausgenommen. „Die Sperrung der Straßen am Abend und die Erweiterungen der Ausschankflächen verbesserten die Situation vor Ort.“Polizeisprecher Khachab sagt, die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Polizei habe sich mit Corona intensiviert. Man stimme sich bei Kontrollen ab. Schließlich handle es sich bei den meisten Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz um Ordnungswidrigkeiten, die die Stadt weiter verfolge.
Auf die Frage, ob seine rund 140 Beamten des Innenstadtreviers die Corona-Kontrollen nicht langsam satt haben, antwortet Schaumaier nüchtern: „Natürlich ist jeder Polizist als Bürger auch von den Einschränkungen betroffen und hofft, dass sich die Situation entspannt. Aber natürlich nehmen die Kollegen ihre Aufgaben professionell wahr.“Und sei es, „Iglu-Bewohner“zu verfolgen. Einen 22-Jährigen übrigens konnten die Beamten einholen. Den jungen Mann erwartet eine Ordnungswidrigkeitenanzeige nach dem Infektionsschutzgesetz.