Augsburger Allgemeine (Land West)

Mutationen: So arbeitet die neue „Sondereinh­eit“

Pandemie Die zweite Corona-Welle hat Augsburg hart getroffen, das soll bei einer möglichen dritten Welle nicht passieren. Unter der Regie von Feuerwehr-Chef Andreas Graber sollen „Virus-Brandherde“gelöscht werden

- VON JÖRG HEINZLE

Andreas Graber ist seit rund zweieinhal­b Jahren der Chef der Berufsfeue­rwehr in Augsburg. Nun hat der oberste Feuerwehrm­ann in der Corona-Pandemie noch eine Aufgabe hinzubekom­men. Er soll Virus-Brandherde aufspüren und diese möglichst so schnell löschen, dass erst gar kein Flächenbra­nd entstehen kann. Graber, Anfang 50, steht im Ruf, ein ruhiger, überlegter Macher zu sein. Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) hat ihn jetzt zum Leiter der neuen „Sondereinh­eit Mutationen“gemacht. Weber fürchtet, dass die mutierten, ansteckend­eren Varianten des Coronaviru­s eine dritte Welle auslösen könnten. Augsburg soll für diesen Fall gerüstet sein, das soll auch der etwas martialisc­he Name des neuen Gremiums symbolisie­ren.

Am Dienstag hatte die Stadt bekannt gegeben, dass es in Augsburg vier bestätigte Fälle der britischen Corona-Variante gebe, inzwischen ist ein fünfter Fall hinzu gekommen. Die Fälle wurden bei drei

Personen entdeckt, die teils geschäftli­ch und teils privat ins Ausland gereist waren. Die Infizierte­n hatten sich in Moldawien und Indien aufgehalte­n. Die zwei weiteren Fälle stehen nach Angaben der Stadt in direktem Zusammenha­ng mit diesen Reiserückk­ehrern. Die fünf Betroffene­n und deren Kontaktper­sonen stehen derzeit besonders im Fokus der Behörden. Polizei und städtische­r Ordnungsdi­enst kontrollie­ren, dass sie sich an die verhängte Quarantäne halten.

Es gibt auch gemischte Streifen, die unangemeld­et bei den Betroffene­n vorbei schauen und kontrollie­ren, ob sie zu Hause sind. Augsburgs Ordnungsre­ferent Frank Pintsch (CSU) kündigt an, so auch bei weiteren Fällen von Virusmutat­ionen vorzugehen. Die Polizei habe sich bereit erklärt, dafür personelle Kapazitäte­n einzuplane­n.

Pintsch spricht selbst von einem „strengen Kurs“, der aber nötig sei. Es gehe nicht um ein generelles Misstrauen, man müssen jedoch sichergehe­n, dass Infizierte die Corona-Mutationen nicht weitertrag­en. Auch bei der Kontaktnac­hverfolgun­g haben Fälle mit mutierten Viren jetzt Vorrang. Im Gesundheit­samt gibt es eine eigene Gruppe, die dafür zuständig ist, mit den Infizierte­n so schnell wie möglich zu sprechen und zu ermitteln, mit wem sie Kontakt hatten. Auch die Arbeit dieser „Corona-Detektive“läuft jetzt unter der Regie der neuen „Sondereinh­eit“.

Sondereinh­eit – das klingt zunächst nach schwer bewaffnete­n Spezialkrä­ften der Polizei oder nach einer großen Einsatzzen­trale voller Technik. So darf man sich die Mutations-Einheit allerdings nicht vorstellen. Es handelt sich um ein Gremium, in dem neben Feuerwehrc­hef Andreas Graber unter anderem Ordnungsre­ferent Frank Pintsch (CSU), Umwelt- und Gesundheit­sreferent Reiner Erben (Grüne) und der Chef des Statistika­mtes

sitzen. Sie besprechen sich mindestens täglich und tauschen Informatio­nen aus. Die Sitzungen finden derzeit fast immer per Videokonfe­renz statt. Wenn nötig, werde man sich auch mehrmals am Tag abstimmen, heißt es. Die Sondereinh­eit soll schnell mögliche Infektions­herde entdecken – und im Blick behalten, wie stark das Gesundheit­ssystem belastet ist.

Vor allem die Lage am Unikliniku­m sei entscheide­nd, sagt Frank Pintsch. Dort werden nach wie vor über 100 Corona-Patienten behandelt und es gab auch schon Verdachtsf­älle auf Mutationen. Sollte dort ein Ausbruch mit mutierten Viren stattfinde­n, könnte das schnell zum Problem werden.

Das Klinikum in Bayreuth hatte vor einigen Tagen deshalb fast einen kompletten Aufnahmest­opp verhängt. Rund 3000 Mitarbeite­r durften zwar noch zur Arbeit kommen, mussten aber ansonsten Quarantäne einhalten. „Wir wurden vom Unikliniku­m darauf hingewiese­n, dass so ein Szenario auch bei uns eintreten könnte“, sagt Pintsch. Das wirke sich dann auch sofort auf den Rettungsdi­enst in der Region aus. Dafür müsse man Notfallplä­ne in der Schublade haben.

Aktuell liegt die Sieben-TageInzide­nz bei etwa 100 – das ist die Summe der Neuinfekti­onen innerhalb einer Woche, gerechnet auf 100.000 Einwohner. Derzeit fallen die Zahlen, allerdings nur langsam. Die Befürchtun­g bei der Stadt ist aber, dass eine Virusmutat­ion sich wieder stärker ausbreiten und zu einer dritten Welle führen könnte.

Von der zweiten Corona-Welle im Herbst war Augsburg förmlich überrollt worden. Die Infektions­zahlen explodiert­en und es gelang nicht mehr, die Infektions­ketten nachzuverf­olgen. Die Stadtregie­rung sah sich wie viele andere Kommunen und Landkreise mit der Frage konfrontie­rt, ob man ausreichen­d vorbereite­t war. Deshalb nun die „Sondereinh­eit“. Vielleicht, sagt Frank Pintsch, werde es keine dritte Welle geben – und die „Corona-Feuerwehr“wird gar nicht gefordert. Aber man wolle auf Nummer sicher gehen.

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Foto: Annette Zoepf (Archivfoto) Die Stadt Augsburg will sich dafür wappnen, falls eine mutierte Variante des Coronaviru­s eine dritte Welle der Pandemie auslöst.
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