Augsburger Allgemeine (Land West)
Mann soll zwei Polizisten sexuell genötigt haben
Justiz Ein Routineeinsatz am Augsburger Hauptbahnhof eskaliert im vergangenen Oktober. Das hat weitreichende Folgen für einen Beamten. Aber auch seine Kollegin wird verletzt. Nun läuft ein ungewöhnlicher Prozess
Folgenreiche Rangelei im Augsburger Hauptbahnhof: Beim Versuch, einen Mann zu kontrollieren, wurde ein Polizist so am Knie verletzt, dass er immer noch nicht wieder Dienst tun kann. Ein 45-jähriger Bauarbeiter muss sich derzeit vor dem Augsburger Amtsgericht wegen verschiedener Delikte verantworten. Ungewöhnlich neben der erheblichen Verletzung des Polizisten: Dem Angeklagten liegt auch sexuelle Nötigung zur Last.
Hintergrund der Anklage: Im Kampfgeschehen an Gleis 1 des Hauptbahnhofs soll der Rumäne sowohl dem Beamten als auch dessen Kollegin in den Schritt gegriffen und zugepackt haben. Um sich sexuell zu erregen, sagt die Staatsanwaltschaft, was der Angeklagte von sich weist. Ein von Verteidigerin Petra Dittmer angeregtes Rechtsgespräch zur Vereinfachung des Verfahrens bleibt erfolglos. Aber zum Tatgeschehen sind sich beide Parteien in weiten Zügen einig: Es hat sich besagte Auseinandersetzung ergeben.
Am 8. Oktober 2020 gegen 16 Uhr entdeckten Bahnmitarbeiter im Raucherbereich von Gleis 1 den Angeklagten. Der war zuvor mit einem Hausverbot belegt worden, weil er im Nichtraucherbereich geraucht hatte. Die Polizei wurde verständigt und erschien in Person der geschädigten 20-jährigen Beamtin und ihres 51-jährigen Streifenkollegen. Man habe den Angeklagten auf einer Bank sitzend vorgefunden, neben ihm eine Bierdose, er schien zu schlafen, bestätigen die beiden gegenüber Richterin Kerstin Meurer.
Nach einiger Zeit gelang es den Polizisten demnach, dem Mann klarzumachen, dass er kontrolliert werden soll und seinen Ausweis vorzeigen müsse. Kurz zeigte der Mann laut Zeugenaussage auch sein Dokument vor, schob es aber sofort wieder ein. Warum er diesen „Schwachsinn“gemacht habe und die folgende Auseinandersetzung provozierte, kann der Angeklagte nicht mehr erklären. Er sei betrunken und „fertig“gewesen. Nachdem sich der 45-Jährige zunehmend aggressiv gebärdete, wollten ihn die beiden Polizeibeamten festsetzen. Der Angeklagte aber wehrte sich, es kam zum Handgemenge. Alle drei Personen fielen zu Boden.
Seine Umklammerung des Angeklagten habe er erschrocken wieder lösen müssen, so der 51-jährige Polizeibeamte im Zeugenstand, als ihm der Angeklagte mit der Hand zwischen die Beine griff und fest zupackte. Seine wiedergewonnene Bewegungsfreiheit habe der Angeklagte genutzt, der auf ihm sitzenden Polizistin ebenfalls in den Intimbereich zu fassen und ihr eine schallende Ohrfeige zu verpassen, so die Anklage. Erst als umstehende Zeugen Hilfe herbeiriefen, gelang es, den Bauarbeiter festzusetzen und aufs Revier zu bringen. Er landete in Untersuchungshaft, wo er bis heute sitzt.
Unmittelbar nach dem Einsatz begab sich die 20-jährige Polizistin ins Krankenhaus, nachdem sie Kopfschmerzen verspürt habe. Sie konnte am übernächsten Tag wieder zum Dienst erscheinen.
Schlimmer erwischt es ihren Kollegen. Bei dem Einsatz wurde sein Kniegelenk in Mitleidenschaft gezogen, Untersuchungen ergaben, dass ein Innenband gerissen war. Zwar könne er jetzt bereits wieder ohne Orthese gehen, schildert er dem Gericht, aber dienstfähig sei er bis heute nicht. Per sogenanntem Adhäsionsantrag fordern beide geschädigten Polizisten Schmerzensgeld, das auf diesem Wege unter Vermeidung eines zivilrechtlichen Verfahrens im Strafprozess zugesprochen werden könnte.
Weil die entsprechenden Anträge dem Amtsgericht zu Prozessbeginn nicht beide in der formal erforderlichen Weise vorliegen, setzt Richterin Meurer eine Fortsetzungsverhandlung an. In der kommenden Woche könnten dann die Plädoyers gehalten und das Urteil gesprochen werden. Zumindest bis dahin bleibt der Angeklagte in Untersuchungshaft.