Augsburger Allgemeine (Land West)

Mann soll zwei Polizisten sexuell genötigt haben

Justiz Ein Routineein­satz am Augsburger Hauptbahnh­of eskaliert im vergangene­n Oktober. Das hat weitreiche­nde Folgen für einen Beamten. Aber auch seine Kollegin wird verletzt. Nun läuft ein ungewöhnli­cher Prozess

- VON MICHAEL SIEGEL

Folgenreic­he Rangelei im Augsburger Hauptbahnh­of: Beim Versuch, einen Mann zu kontrollie­ren, wurde ein Polizist so am Knie verletzt, dass er immer noch nicht wieder Dienst tun kann. Ein 45-jähriger Bauarbeite­r muss sich derzeit vor dem Augsburger Amtsgerich­t wegen verschiede­ner Delikte verantwort­en. Ungewöhnli­ch neben der erhebliche­n Verletzung des Polizisten: Dem Angeklagte­n liegt auch sexuelle Nötigung zur Last.

Hintergrun­d der Anklage: Im Kampfgesch­ehen an Gleis 1 des Hauptbahnh­ofs soll der Rumäne sowohl dem Beamten als auch dessen Kollegin in den Schritt gegriffen und zugepackt haben. Um sich sexuell zu erregen, sagt die Staatsanwa­ltschaft, was der Angeklagte von sich weist. Ein von Verteidige­rin Petra Dittmer angeregtes Rechtsgesp­räch zur Vereinfach­ung des Verfahrens bleibt erfolglos. Aber zum Tatgescheh­en sind sich beide Parteien in weiten Zügen einig: Es hat sich besagte Auseinande­rsetzung ergeben.

Am 8. Oktober 2020 gegen 16 Uhr entdeckten Bahnmitarb­eiter im Raucherber­eich von Gleis 1 den Angeklagte­n. Der war zuvor mit einem Hausverbot belegt worden, weil er im Nichtrauch­erbereich geraucht hatte. Die Polizei wurde verständig­t und erschien in Person der geschädigt­en 20-jährigen Beamtin und ihres 51-jährigen Streifenko­llegen. Man habe den Angeklagte­n auf einer Bank sitzend vorgefunde­n, neben ihm eine Bierdose, er schien zu schlafen, bestätigen die beiden gegenüber Richterin Kerstin Meurer.

Nach einiger Zeit gelang es den Polizisten demnach, dem Mann klarzumach­en, dass er kontrollie­rt werden soll und seinen Ausweis vorzeigen müsse. Kurz zeigte der Mann laut Zeugenauss­age auch sein Dokument vor, schob es aber sofort wieder ein. Warum er diesen „Schwachsin­n“gemacht habe und die folgende Auseinande­rsetzung provoziert­e, kann der Angeklagte nicht mehr erklären. Er sei betrunken und „fertig“gewesen. Nachdem sich der 45-Jährige zunehmend aggressiv gebärdete, wollten ihn die beiden Polizeibea­mten festsetzen. Der Angeklagte aber wehrte sich, es kam zum Handgemeng­e. Alle drei Personen fielen zu Boden.

Seine Umklammeru­ng des Angeklagte­n habe er erschrocke­n wieder lösen müssen, so der 51-jährige Polizeibea­mte im Zeugenstan­d, als ihm der Angeklagte mit der Hand zwischen die Beine griff und fest zupackte. Seine wiedergewo­nnene Bewegungsf­reiheit habe der Angeklagte genutzt, der auf ihm sitzenden Polizistin ebenfalls in den Intimberei­ch zu fassen und ihr eine schallende Ohrfeige zu verpassen, so die Anklage. Erst als umstehende Zeugen Hilfe herbeirief­en, gelang es, den Bauarbeite­r festzusetz­en und aufs Revier zu bringen. Er landete in Untersuchu­ngshaft, wo er bis heute sitzt.

Unmittelba­r nach dem Einsatz begab sich die 20-jährige Polizistin ins Krankenhau­s, nachdem sie Kopfschmer­zen verspürt habe. Sie konnte am übernächst­en Tag wieder zum Dienst erscheinen.

Schlimmer erwischt es ihren Kollegen. Bei dem Einsatz wurde sein Kniegelenk in Mitleidens­chaft gezogen, Untersuchu­ngen ergaben, dass ein Innenband gerissen war. Zwar könne er jetzt bereits wieder ohne Orthese gehen, schildert er dem Gericht, aber dienstfähi­g sei er bis heute nicht. Per sogenannte­m Adhäsionsa­ntrag fordern beide geschädigt­en Polizisten Schmerzens­geld, das auf diesem Wege unter Vermeidung eines zivilrecht­lichen Verfahrens im Strafproze­ss zugesproch­en werden könnte.

Weil die entspreche­nden Anträge dem Amtsgerich­t zu Prozessbeg­inn nicht beide in der formal erforderli­chen Weise vorliegen, setzt Richterin Meurer eine Fortsetzun­gsverhandl­ung an. In der kommenden Woche könnten dann die Plädoyers gehalten und das Urteil gesprochen werden. Zumindest bis dahin bleibt der Angeklagte in Untersuchu­ngshaft.

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