Augsburger Allgemeine (Land West)

Gerissenes Reh: Streift ein Wolf durchs Rothtal?

Natur Alles deutet darauf hin, dass ein Raubtier bei Horgau ein Reh getötet hat. Erst seit einigen Jahren werden die scheuen Tiere in der Region hin und wieder gesichtet. Doch die Fälle häufen sich

- VON PHILIPP KINNE

Horgau Im Wald bei Horgau ist mutmaßlich ein Reh von einem Wolf gerissen worden. Bereits im Dezember fand eine Spaziergän­gerin das tote Tier auf einer Wiese unweit des Horgauer Ortsteils Auerbach. Ein DNA-Test ergibt nun: Mit hoher Wahrschein­lichkeit hat ein Wolf zugeschlag­en. In den vergangene­n Jahren häufen sich ähnliche Fälle in der Region.

Morgens gegen neun Uhr meldete ein Spaziergän­gerin Anfang Dezember ein totes Reh, erinnert sich die zuständige Jagdpächte­rin. Das Tier hatte einen Kehlbiss, der Bauchraum war leergefres­sen. Zunächst ging man davon aus, dass das Tier von einem wildernden Hund gerissen wurde, erklärt die Jagdpächte­rin. Doch bei genauerer Untersuchu­ng des Kadavers wurde klar, dass es ein größeres Tier gewesen sein könnte. War es ein Wolf? Eine DNA-Untersuchu­ng des Reh-Kadavers sollte Klarheit bringen.

Vermutlich weil man die Probe am toten Reh erst einen Tag nach

Fund entnahm, ist das Ergebnis nicht ganz eindeutig. Alles deute aber darauf hin, dass das Tier von einem Wolf gerissen wurde, sagt die Jagdpächte­rin. Weil sich in der Zwischenze­it auch andere Tiere wie Füchse oder Dachse an dem Kadaver zu schaffen machten, lasse sich das heute nicht mehr mit hundertpro­zentiger Sicherheit feststelle­n. Dennoch: Die DNA-Untersuchu­ng ergab, dass es sich mit hoher Wahrschein­lichkeit um ein oder zwei Wölfe handelt, die das Reh gerissen haben. Die Rede ist von rund 75-prozentige­r Wahrschein­lichkeit.

Jäger Wolfgang Mälzer ist sich sicher, dass ein Wolf unterwegs war. Er hat Fotos des Kadavers gesehen und sagt: „Das kann kein Hund gewesen sein, das schaffen nicht einmal zwei Hunde“. Als man das Reh gefunden habe, sei es noch warm gewesen. Das deute darauf hin, dass der Wolf in kürzester den Bauchraum des Tieres gefressen haben muss. „So schnell kann nur ein Wolf gewesen sein“, sagt Mälzer. Außerdem stehe er in Kontakt zu Jägern im Allgäu, wo vor kurzen ein ganz ähnlicher Fall bekannt wurde. Auch dort wurde ein Reh gerissen. Die Wunden des Tieres seien nahezu identisch, sagt Mälzer. Er warnt nun Hundebesit­zer, die in der Gegend spazieren sind, ihre Tiere unbedingt an die Leine zu nehmen. Das ist im Wald ohnehin Pflicht, doch sei Zeit besonders wichtig, da Wölfe auch Hunde angreifen können. Angst müsse man vor dem eigentlich sehr scheuen Tier nicht haben, wohl aber Respekt.

Der Wolf ist von Natur aus vorsichtig und weicht dem Menschen aus, erklärt das Landesamt für Umwelt. Im Einzelfall können besonders Jungtiere dem Menschen gegenüber unerfahren und neugierig sein. Das stelle aber keine Gefährdung des Menschen dar. Seit der erneuten Anwesenhei­t von Wölfen in Deutschlan­d hat es keinen Angriff auf Menschen durch Wölfe gegeben.

In Deutschlan­d gibt es seit 1996 wieder Wölfe, in Bayern seit 2006. Die deutsche Wolfspopul­atidem on nimmt derzeit pro Jahr um etwa 30 Prozent zu, erklärt ein Sprecher des Landesamts für Umwelt. Auch in Bayern steigt die Anzahl der Territorie­n. Aktuell gibt es in Bayern in acht Regionen standorttr­eue Tiere. Ein Wolf gilt als standorttr­eu, wenn dieser über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten nachgewies­en wird oder er Nachwuchs hat. Nach Bayern können jederzeit einzelne Wölfe zu- oder durchwande­rn, sowohl aus dem Nordosten Deutschlan­ds als auch aus den Alpen. Jungtiere legten bei Geschlecht­sreife weite Strecken auf der Suche nach einem eigenen Territoriu­m zu- rück. Nachgewies­en werden die Tiere häufig durch Aufnahmen automatisc­her Wildtierka­meras oder genetische Belege, wie im aktuellen Fall bei Horgau. Im Frühsommer 2019 war erstmals nach vielen Jahrzehnte­n ein Wolf im

Augsburger Land aufgetauch­t. Er hatte am auf einer Weide am Ortseingan­g von Biberbach ein Lamm gerissen. Nach dem Fall wurden weitere Hinweise bekannt. Wenig später wurde ein weiteres totes Nutztier im Kreis aufgefunde­n, das mutmaßlich von einem Wolf gerissen wurde.

Im Juli hat ein Wolf in Igenhausen (Landkreis Aichach-Friedberg) sieben Schafe gerissen. Dieser Wolf ist längst über alle Berge – erst ins Allgäu und dann in den Bregenzerw­ald in Vorarlberg (Österreich). Anhand von Gentests konnten Experten nachweisen, dass der gleiche Wolf dort Schafe gerissen hat. Fachleute aus dem Nachbarlan­d gehen auch davon aus, dass dieser Wolf, der aus einem Rudel im ostdeutsch­en Brandenbur­g stammt, in Richtung Alpenhaupt­kamm und Italien weitergezo­gen ist. Zuletzt gab es Meldungen über einen Wolf im Kreis Landsberg. Dort ist in der zweiten Januarwoch­e ein junger Wolf auf der Autobahn A96 bei Igling überfahren worden. (Symbolfoto:

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany