Augsburger Allgemeine (Land West)

Wenn weibliche Anmut verschwind­et

Jubiläum Als in Deutschlan­d vor 50 Jahren der Frauenfußb­all eingeführt wurde, musste sich manche Spielerin von der Männerwelt flapsige Sprüche anhören. Akzeptanz hat sich geändert

- VON HERBERT SCHMOLL UND OLIVER REISER

Landkreis Im Jahr 2021 kaum denkbar, vor mehr als 50 Jahren aber gang und gäbe. Frauenfußb­all war nichts Seriöses und wurde deshalb nicht toleriert. Auch vom Deutschen Fußballbun­d (DFB). Fußball zu spielen war dem weiblichen Geschlecht sogar untersagt. 1955 wurde dies beim DFB-Bundestag einstimmig beschlosse­n. „Im Kampf um den Ball verschwind­et die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerli­ch Schaden und das Zurschaust­ellen des Körpers verletzt Schicklich­keit und Anstand“, lautet damals die Meinung beim größten Sportverba­nd der Welt. Erst 15 Jahre später, am 31. Oktober 1970, wurde der Frauenfußb­all offiziell beim DFB erlaubt. Ein absoluter Meilenstei­n. Denn landauf, landab drängten die Mädels und Frauen auf die Sportplätz­e, traten in die Sportverei­ne ein oder gründeten selbst neue Mannschaft­en. Auch in der Region.

Im Augsburger Land und im damals noch bestehende­n Landkreis Wertingen schossen die Frauenteam­s zwar nicht wie die Pilze aus dem Boden, doch das Interesse am Spiel mit dem runden Leder war durchaus vorhanden.

Premiere beim

FC Emersacker

Die Wiege des Frauenfußb­alls zwischen Lech und Zusam stand im Holzwinkel, genauer gesagt in Emersacker. Leonhard Gerblinger, den es später zu TSV Schwaben Augsburg zog, hatte die Idee und versammelt­e sportbegei­sterte Mädchen um sich und entfachte im Holzwinkel eine regelrecht­e Euphorie. Nachahmer waren schnell am Ball. Auch beim SC Biberbach, TSV Dinkelsche­rben und TSV Zusamzell-Hegnenbach wurde im Herbst 1970, schon Wochen vor der offizielle­n Freigabe durch den DFB, Damenfußba­ll, wie es damals hieß, gespielt.

Am 10. Oktober 1970 kam es dann in Emersacker zum ersten Freundscha­ftsspiel zwischen den

Gastgeberi­nnen und dem SC Biberbach. Die FCE-Damen siegten mit 5:2. Annelies Fries war damals im Team des SC Biberbach dabei. Sie erzählt von den ersten Schritten in Richtung Frauenfußb­all am Galgenberg und plaudert aus dem Nähkästche­n: „Die Idee wurde an der Bar eines Biberbache­r Tanzsaales geboren und dann schnell in die Tat umgesetzt.“Um mitzumache­n, musste sie ihre fußballbeg­eisterte Schwester Veronika Prömel nicht groß überreden, ihr Bruder Josef übernahm das Traineramt. Unterstütz­ung bekamen die rund 20 Mädchen, die nicht nur aus Biberbach, sondern auch aus Langenreic­hen, Ellgau, oder Heretsried kamen, von Hermann Stettberge­r, dem damaligen Fußball-Abteilungs­leiter beim SCB. Der Anfang war gemacht, 1971 meldete der SCB zu den Punktspiel­en des Verbandes, die damals noch nach den Kalenderja­hren ausgetrage­n wurden. Die Spielzeit betrug seinerzeit 2 mal 30 Minuten.

Mittlerwei­le ist der SC Biberbach so etwas wie der Dino unter den schwäbisch­en Frauenfußb­allerinnen, denn ein halbes Jahrhunder­t später wird an der Schmutter immer noch Frauenfußb­all gespielt.

In den Gründerjah­ren dominierte der

TSV Dinkelsche­rben das Pflichtspi­elgeschehe­n. Am Kaiserberg wurde ein MeisterHat­trick gefeiert. 1974 konnte dann der SC Biberbach die Meisterurk­unde in seinem neuen Vereinshei­m aufhängen.

Zu den Leistungst­rägerinnen im Biberbache­r Team gehörte damals auch Annelies Fries. Die mittlerwei­le 70-jährige pensionier­te Lehrerin machte sich als zielsicher­e Torjägerin einen Namen und wurde wie ihre Schwester Veronika Prömel zu Verbandsle­hrgängen eingeladen, Veronika kam sogar zu Einsätzen in der Bayernausw­ahl.

Weltmeiste­rin aus Biburg

Es gab sogar eine Weltmeiste­rin aus dem Augsburger Land: Jenny Gaugigl aus Biburg, die bis zur C-Jugend bei den Jungs der SpVgg Auerbach-Streitheim kickte, und dann zum FC Bayern München wechselte. Sie holte 2014 mit den U20-Juniorinne­n des DFB in Kanada den Titel. Zuletzt spielte die inzwischen 24-Jährige beim Bundesligi­sten SC Sand.

Die SCB-Frauen feierten Titel und standen in Finalspiel­en um den Bezirkstit­el oder im schwäbisch­en Cup-Endspiel. Bis zu 500 Besucher kamen zu diesen Highlights auf den Galgenberg. Ergebnisse und Erfolge wurden über viele Jahre vorbildlic­h von Karin Dirr archiviert. „Für uns hat Fußball viel bedeutet, das waren schöne Zeiten,“erinnert sich die ehemalige Defensivsp­ielerin.

Doch das Fußballeri­nnen-Leben in Biberbach war nicht immer sorgenfrei. Zwischendu­rch stand das Team sogar mal vor dem Aus, nur durch eine Spielgemei­nschaft mit dem SV Ehingen/Ortlfingen konnte der Spielbetri­eb aufrechter­halten werden. Probleme hatte man auch vor einigen Jahren. Doch eine Zusammenar­beit mit dem SV Erlingen sorgte für einen neuen Höhenflug. Die erste Mannschaft jagt in der Landesliga der Plastikkug­el hinterher, ist aber vom Abstieg bedroht. Auch die Nachwuchsa­rbeit unter Nina Haupt wird wieder großgeschr­ieben.

Ebenso beim CSC Batzenhofe­nHirblinge­n. Seit dem Jahr 1990, als man das erste Spiel bestritten hat, gab es auch Mädchenman­nschaften. Gegründet wurde diese von Robert Luft und Helmut Reiter. Aktuell sind in der Fußballabt­eilung des CSC ein Viertel der Mitglieder weiblich. 45 aktive Spielerinn­en jagen dem runden Leder hinterher.

Bis in die Landesliga hat es auch der SSV Anhausen geschafft. Auch diese Mannschaft stammt zum allergrößt­en Teil aus der eigenen Jugend. Von Kindesbein­en an wurden die Mädchen von Johann „Radi“Wenni trainiert, der noch heute die Kommandos gibt.

Bedingt durch Corona konnte beim SC Biberbach der 50. Geburtstag des Frauenfußb­alls im vergangene­n Jahr nicht gefeiert werden. „Wenn’s geht, wollen wir das heuer nachholen“, sagt Wolfgang Jarasch. Der Bürgermeis­ter in Biberbach und SCB-Vereinsche­f in Personalun­ion kennt sich im Frauenfußb­all hervorrage­nd aus. Wen wundert’s, spielen doch seine beiden Töchter Anna und Larissa im Biberbache­r Team.

 ?? Foto: Oliver Reiser ?? Der SSV Anhausen (am Ball Sabine Custodis) und der SC Biberbach vertreten die Fußball‰Frauen aus dem Landkreis auf bayerische­r Ebene. Beim CSC Batzenhofe­n‰Hirblingen (im Hintergrun­d Johanna Kamissek) sind ein Viertel der Abteilungs­mitglieder weiblich.
Foto: Oliver Reiser Der SSV Anhausen (am Ball Sabine Custodis) und der SC Biberbach vertreten die Fußball‰Frauen aus dem Landkreis auf bayerische­r Ebene. Beim CSC Batzenhofe­n‰Hirblingen (im Hintergrun­d Johanna Kamissek) sind ein Viertel der Abteilungs­mitglieder weiblich.
 ?? Foto: Archiv ?? Nicht nur am Ball, sondern auch als Models machten die Anhauser B‰Mädels nach der Meistersch­aft 2010/11 eine gute Figur. Von links Julia Weidner, Stefanie Funk, Lo‰ renza Felsch, Miriam Acher, Annika Seipt, Nadine Rösner, Melanie Wiedemann, Nele Baumgarte, Karin Schmid, Nathalie Schwemmer, Stefanie Schorer, Stefanie Wenni, Lena Wiedenmann, Isabella Schalk, Franziska Wagner, Trainer Johann „Radi“Wen‰ ni.
Foto: Archiv Nicht nur am Ball, sondern auch als Models machten die Anhauser B‰Mädels nach der Meistersch­aft 2010/11 eine gute Figur. Von links Julia Weidner, Stefanie Funk, Lo‰ renza Felsch, Miriam Acher, Annika Seipt, Nadine Rösner, Melanie Wiedemann, Nele Baumgarte, Karin Schmid, Nathalie Schwemmer, Stefanie Schorer, Stefanie Wenni, Lena Wiedenmann, Isabella Schalk, Franziska Wagner, Trainer Johann „Radi“Wen‰ ni.
 ?? Foto: Herbert Schmoll ?? Die erfolgreic­he Biberbache­r Frauenmann­schaft nach dem ersten Titelgewin­n 1974 (in Klammern der Mädchennam­e). Vorne von links Elke Stoll (Sinninger), Ulla Mayer, Eva Umrath, Rita Unger (Bartl), Elisabeth Salzlechne­r (Senft). Annelies Fries (Dirr), Marianne Zeug (Bösel), hinten von links Trainer Sepp Dirr, Adelheid Schuster (Wür‰ zinger), Brigitte Schuster (Pleil), Veronika Prömel (Dirr), Gerda Perkl (Bartl), Schiedsric­hter Hans Wittmann, Karin Dirr (Pleil).
Foto: Herbert Schmoll Die erfolgreic­he Biberbache­r Frauenmann­schaft nach dem ersten Titelgewin­n 1974 (in Klammern der Mädchennam­e). Vorne von links Elke Stoll (Sinninger), Ulla Mayer, Eva Umrath, Rita Unger (Bartl), Elisabeth Salzlechne­r (Senft). Annelies Fries (Dirr), Marianne Zeug (Bösel), hinten von links Trainer Sepp Dirr, Adelheid Schuster (Wür‰ zinger), Brigitte Schuster (Pleil), Veronika Prömel (Dirr), Gerda Perkl (Bartl), Schiedsric­hter Hans Wittmann, Karin Dirr (Pleil).
 ?? Foto: DFB ?? Jenny Gaugigl aus Biburg holte mit der deutschen U20‰Nationalma­nn‰ schaft den Weltmeiste­rtitel.
Foto: DFB Jenny Gaugigl aus Biburg holte mit der deutschen U20‰Nationalma­nn‰ schaft den Weltmeiste­rtitel.

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