Augsburger Allgemeine (Land West)
So wird beim Impfen betrogen
Affäre Seniorenheimleiter ließen Ehe- und Lebenspartner unter falschen Angaben gegen Corona impfen. Augsburger Bischof bedauert „Missverständnisse“. Andere Bischöfe warten dagegen ab
Augsburg Die Affäre um umstrittene Corona-Impfungen in Seniorenheimen weitet sich aus. Nach Recherchen unserer Redaktion ließen mindestens ein Leiter und eine Leiterin von Augsburger Heimen der Arbeiterwohlfahrt Lebenspartner unter falschen Angaben auf die offiziellen Impflisten setzen. Sie verhalfen ihnen so zu Corona-Impfungen, während Millionen Bürger aus Risikogruppen bislang vergeblich auf einen Impftermin warten. Unterdessen äußerte sich der Augsburger Bischof Bertram Meier erstmals persönlich zu seiner von unserer Redaktion aufgedeckten Impfung in einem Seniorenheim der Caritas.
„Dass meine Impfung in der Öffentlichkeit für Missverständnisse gesorgt hat, tut mir leid“, erklärte der katholische Bischof. Mit seiner Impfung habe er für „größtmögliche Sicherheit“der Menschen sorgen wollen, die er in Sozialeinrichtungen besuche. „Generalvikar Harald Heinrich und ich sind regelmäßig bei den alten und kranken Men
in den Heimen, nicht zuletzt bei betagten Ordensschwestern.“
Nach Anfragen unserer Redaktion in allen Bistümern der katholischen Kirche in Deutschland – mit Augsburg gibt es 27 – zeichnet sich bei nur wenigen ausstehenden Antworten ab, dass Bischof Meier, 60, und Generalvikar Heinrich, 53, die einzigen hochrangigen, aktiven Kirchenmänner sein dürften, die bereits geimpft wurden. In Bayern hat sich demnach bislang kein weiterer amtierender (Erz-)Bischof, Weihbischof oder Generalvikar impfen lassen.
Dagegen weitet sich die Affäre auf die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Schwaben aus: Nach unserer Redaktion vorliegenden Unterlagen wurden in mehreren Heimen Personen geimpft, die nicht zur dafür vorgesehenen Prioritätengruppe gehören. Teils wurden nach uns vorliegenden konkreten Daten und Dokumenten offenbar vorsätzlich die mobilen Impfteams des bayerischen Impfzentrums getäuscht, indem heimfremde Personen als „Pflegekräfte“auf die Impflisten gesetzt wurden.
In einem großen Augsburger Pflegeheim wurde am 15. Januar und 5. Februar die Ehefrau des
Heimleiters geimpft. In der Anmeldung wurde dabei die falsche Angabe „Impfling arbeitet in Einrichtung zur Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens“erfasst. In einem anderen Fall landete der Lebensgefährte einer Heimleiterin auf der Liste der Pflegekräfte, obwohl er dort nachweislich nicht arbeitet. Er wurde in dem Augsburger Heim am Samstag zum zweiten Mal geimpft.
Zudem ließen sich der Vorstandsvorsitzende der AWO Schwaben, Dieter Egger, und zwei weitere führende Mitarbeiterinnen unseren Informationen zufolge im Januar in einem Friedberger Seniorenheim der Organisation ebenfalls gegen Corona impfen. AWO-Chef Egger begründete dies mit übrigem Impfstoff. „Mehrmals gab es bei den Impfterminen Fälle, bei denen die Impfverantwortlichen noch während des Impfvorgangs intensiv baten, schnell noch für Impfwillige außer der Reihe zu sorgen“, erklärte er. „Diese Ausfallimpfung erfolgte regelmäßig an Mitarbeitende, die einen besonderen Bezug zum jeweiligen Heim haben, externe Mitarbeiter, die regelmäßig im Heim tätig sind, wie etwa Heimaufsichtspersoschen nen oder Handwerker.“Zu den Vorwürfen gegen Heimleiter erklärte Egger: „Sollten in Einzelfällen auch an Dritte – das heißt an Personen ohne direkten Bezug zur AWO – Impfungen erfolgt sein, dann geschah dies mit Billigung der Impfverantwortlichen vor Ort und jeweils nur unter dem Gesichtspunkt, dass ansonsten der Impfstoff verlustig geht.“
Der Gesundheitsreferent der Stadt Augsburg, Reiner Erben (Grüne), widersprach dieser Darstellung: „Alle von den AWO-Leitungen gemeldeten Personen wurden als Personal beziehungsweise systemrelevant gegenüber dem Impfzentrum gemeldet. Dies ist dokumentiert.“Übrig gebliebene Impfdosen seien nach dem ordnungsgemäßen Verfahren an Polizisten verimpft worden. „Das heißt, es musste bei den Terminen in den AWO-Heimen nicht vor Ort auf externe Dritte zurückgegriffen werden, um den Impfstoff einsetzen zu können“, sagte Erben. „Die Aussage der AWO ist somit nicht korrekt“, betonte der Grünen-Politiker.
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