Augsburger Allgemeine (Land West)

Digitales Dilemma

Corona Die Einführung der Software Sormas, die Kontakte von Infizierte­n effiziente­r nachverfol­gen soll, läuft schleppend. Wie viele Gesundheit­sämter das System nutzen und warum eine bundesweit­e Vernetzung wohl erst einmal scheitert

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Auch das Bundesland Bayern, das sich gerne als strebsamer Klassenpri­mus gibt, muss zuweilen zugeben, dass das Ziel, das man sich so ehrgeizig gesteckt hatte, nicht erreicht wurde. Eigentlich sollten bis zum 1. Februar alle Gesundheit­sämter im Freistaat die Software Sormas verwenden. Seit mehr als einer Woche ist diese Frist verstriche­n. Doch längst ist das Programm, das Kontakte von CoronaInfi­zierten effiziente­r nachverfol­gen und die Kommunikat­ion zwischen den Ämtern verbessern soll, nicht überall angekommen.

78 Prozent, also 59 der 76 kommunalen und staatliche­n Gesundheit­sämter im Freistaat, sind derzeit an Sormas angeschlos­sen. Im bayerische­n Gesundheit­sministeri­um ist man trotz der Verzögerun­g optimistis­ch. „Bayern ist hier auf einem guten Weg und es wurden die organisato­rischen Vorkehrung­en getroffen, dass zum 28. Februar alle 76 Gesundheit­sämter die technische­n Voraussetz­ungen haben, Sormas einzuricht­en“, teilt ein Ministeriu­mssprecher mit. Der 28. Februar ist die neue Zielmarke. Spätestens dann soll Sormas flächendec­kend eingesetzt werden – in ganz Deutschlan­d. Das hatten Bund und Länder Mitte Januar beschlosse­n.

Dieses Ziel wird auf Bundeseben­e aber wohl nicht erreicht werden. Auf Nachfrage unserer Redaktion teilt das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium mit, dass in Hamburg, im Saarland und in Sachsen derzeit noch kein einziges Gesundheit­samt Sormas eingericht­et hat (Stand Dienstag). In Nordrhein-Westfalen sind es gerade einmal 23 von 54 Ämtern, in Baden-Württember­g 16 von 38 und in Rheinland-Pfalz ist es gar nur eine von 24 Behörden.

Insgesamt nutzten nach Angaben des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums derzeit nur 176 der 376 deutschen Gesundheit­sämter Sormas – rund 46 Prozent. Verglichen damit steht der Freistaat, in dem mehr als drei Viertel aller Gesundheit­sämter an Sormas angeschlos­sen sind, gut da. Besser ist die Software-Umstellung etwa in Berlin gelaufen – dort haben mittlerwei­le alle Gesundheit­sämter das Programm.

Bereits vor zwei Wochen hatte Bayerns Gesundheit­sminister Klaus Holetschek gegenüber unserer Redaktion gesagt, dass der Bund endlich liefern müsse. „Wir brauchen dringend die Schnittste­lle von Sormas zur Meldesoftw­are, damit in den Gesundheit­sämtern die Arbeitsbel­astung durch Doppeleing­aben entfällt“, betonte Holetschek damals. Offenbar ist das Problem immer noch nicht gelöst. Das zeigt etwa die Situation in Augsburg.

„Nach wie vor steht das Programm Sormas-X

mit den benötigten Schnittste­llen zu den Meldesyste­men des Bundes und Landes noch nicht einsatzber­eit zur Verfügung“, sagt Reiner Erben, der Gesundheit­sreferent der Stadt. Ein verbindlic­her Zeitplan, wann die entspreche­nden Schnittste­llen produktiv zur Verfügung gestellt und eingesetzt werden könnten, liege der Stadt nicht vor. In Augsburg wird deshalb nach wie vor ein eigenes System verwendet.

Das bayerische Gesundheit­sministeri­um macht deutlich, dass Sormas-X nur durch diese Schnittste­llen mit der Meldesoftw­are zu deutlichen Arbeitserl­eichterung­en gegenüber alternativ­en Software-Systemen führe – und nur so sei die Umstellung des Betriebs den Gesundheit­sämtern in der aktuellen Phase der Pandemie überhaupt vermittelb­ar. Bayerns Gesundheit­sminister Holetschek habe sich deshalb nun an Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn gewandt, um die Bereitstel­lung von Schnittste­llen durch den Bund voranzubri­ngen.

Der Deutsche Landkreist­ag sieht die Einführung von Sormas kritisch. Die weit überwiegen­de Zahl der Landkreise nutze „seit Jahren andere Programme, die sämtliche Aufgaben eines Gesundheit­samtes abbilden – nicht nur die Kontaktnac­hverfolgun­g. Darin liegt ein entscheide­nder Punkt, wenn man mitten in der Pandemie auf eine andere Software umsteigen möchte“, sagt der Präsident des Deutschen Landkreist­ages, Reinhard Sager. Die Gesundheit­sämter arbeiteten fast überall vollständi­g digital, mit diversen Programmen. Sormas biete viele wichtige Funktionen derzeit nicht an, etwa die Erstellung von Bescheiden, Archivieru­ng, Wiedervorl­agen sowie Schichtpla­nungen.

Deshalb werde das Programm auch von vielen Gesundheit­sämtern als Rückschrit­t betrachtet, fährt Sager fort. „Denen hingegen, die bisher noch nicht derart digitalisi­ert sind, kann es durchaus einen Nutzen bringen. Aber das ist eben nicht die Mehrzahl.“

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Foto: Stefan Sauer, dpa Oft helfen Soldaten bei der Kontaktnac­h‰ verfolgung.

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