Augsburger Allgemeine (Land West)

„Durch Kreativitä­t sind wir lebendig“

Interview Auch Sarah Christian und Maximilian Hornung sind zum zweiten Mal zum Stillstand gezwungen. Wie das Musiker-Paar aus Augsburg damit umgeht, und warum ein Konzert vor Publikum mit nichts zu vergleiche­n ist

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Sarah Christian und Maximilian Hornung, als internatio­nal gefragte Musiker waren Ihre Konzertkal­ender in den vergangene­n Jahren gut gefüllt. Wie geht es Ihnen mit dem Stillstand im zweiten Lockdown?

Maximilian Hornung: Der Start in den zweiten Lockdown war für mich persönlich schwer. Ich war am Anfang wirklich frustriert, weil sich die Kulturbran­che so ins Zeug gelegt hatte, um einen sicheren Konzertbet­rieb gewährleis­ten zu können – eigentlich die einzige Branche, die das in dieser Form getan hat. Trotzdem waren wir wieder mit die Ersten, die ausgeschie­den sind. Politiker denken leider, dass wir nicht wichtig sind. Wir sind vielleicht nicht so wichtig wie ein Supermarkt, in dem man etwas zu essen kaufen kann, aber die Kulturbran­che als Ganze ist Seelennahr­ung, ist Nahrung für unser Menschsein. Wenn das wegfällt, dreht man früher oder später einfach durch. So weit ist es jetzt noch nicht gekommen, aber wer weiß, wie das noch weitergeht.

Sarah Christian: Ich muss auch sagen, dass ich jetzt im Winter mit der Situation phasenweis­e wirklich schwer zurechtkom­me. Ende Januar hatten wir eine Aufnahme in Augsburg mit der Bayerische­n Kammerphil­harmonie, da habe ich richtig gemerkt, welche Energie mir das gibt, wieder Musik zu machen. Und ich habe das Glück, dass ich auch noch in einem Orchester spiele, der Deutschen Kammerphil­harmonie in Bremen. Dort werden aktuell alle Projekte realisiert, wenn auch ausschließ­lich im Livestream und mit strengen Hygienereg­eln wie etwa Schnelltes­ts. Das ermöglicht mir, dass ich ab und an ein paar Tage rauskomme und wie gewohnt reisen kann. Das ist herrlich. Manchmal durfte ich auch wieder in Präsenz unterricht­en, allerdings nur den Teil meiner Studenten an der Musikhochs­chule Stuttgart, die bald ihren Abschluss machen. Die anderen haben weiterhin nur Online-Unterricht; hier ist es für manche sehr schwer, sich zu motivieren.

Wie schaffen Sie es, in dieser Zeit motiviert zu bleiben?

Hornung: Bei mir persönlich ist das sehr tagesforma­bhängig. Manchmal wache ich morgens auf und weiß sofort, dass das heute nichts mehr wird. An anderen Tagen bin ich total motiviert, und dann passiert auch sehr viel. Ich denke, Motivation bekommt man nur, wenn man sich überwindet, anzufangen. Wenn man diesen Punkt überwunden hat, dann geht es. Damit meine ich nicht nur das Üben an sich, sonders alles, was den Tag mit Sinn füllt – Organisati­onsaufgabe­n zum Beispiel.

Wer aktuell Konzerte erleben will, kann auf Livestream-Angebote zurückgrei­fen. Was ändert sich für Sie als Künstler, wenn Sie vor einer Kamera statt vor vollem Haus spielen? Christian: Ein Konzert vor Publikum ist mit nichts zu vergleiche­n, das ist das, was eine Energie herstellt, einen inspiriert und diese Spannung erzeugen kann, die man als Musiker spürt, sobald man durch eine Bühnentür geht. Für mich ändert sich da die Haltung und der Gesichtsau­sdruck, die ganze Körperspan­nung ist eine andere, wenn man ein Konzert vor Publikum spielt. Das kann ich vor keiner Kamera abrufen, und das ist auch nicht der Sinn. Es gibt Momente im Konzert, die entstehen nur, weil das Publikum da ist. Dazu kommt: Wenn ein Mikrofon vor einem steht, geht man nicht das Risiko ein, wie man es in einem Konzert tun würde. Man weiß schließlic­h, dass die Aufnahme da bleibt – auch in mehreren Jahren noch.

Was muss aus Ihrer Sicht geschehen, dass die Kulturbran­che wieder eine Perspektiv­e bekommt?

Hornung: Ich wünsche mir, dass die Kultur generell einen wichtigere­n Stellenwer­t erhält, denn sie ist wichtig für eine funktionie­rende, friedliche Gesellscha­ft. Kunst und Kultur sind die einzigen Bereiche, in denen man sich wirklich frei ausdrücken kann und die Gedanken dazu angeregt werden, kreativ zu sein. Durch Kreativitä­t sind wir lebendig und spannend, wir haben dadurch ein reiches Leben. Aus politische­r Sicht ist es aus meiner Sicht wichtig, dass man einen Weg findet, mit Corona zurechtzuk­ommen, zum Wohle von uns allen.

Befürchten Sie, dass die lange Zeit des Ausnahmezu­stands unserer Gesellscha­ft nachhaltig schaden wird? Christian: Meine Sorge ist, ob nicht dieses Vertrauens­problem, das wir durch die ganzen Vorsichtsm­aßnahmen verinnerli­cht haben, nachhaltig unsere Gesellscha­ft prägen wird. Ich hoffe, dass es nicht zu lange dauert, bis man wieder eine Hand schütteln kann, ohne sich danach ein Desinfekti­onsmittel zu holen. Persönlich fände ich es schön, wenn wir von der Distanz wieder Distanz nehmen könnten.

Interview: Ida König

Hörtipp: Dieses Interview ist eine ge‰ kürzte Fassung der aktuellen Folge un‰ seres Podcasts „Augsburg, meine Stadt“. Das ganze Gespräch können Sie direkt über die Startseite unserer Homepage augsburger‰allgemeine.de anhören.

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Foto: Astrid Ackermann Der Cellist Maximilian Hornung und die Geigerin Sarah Christian stammen aus Augsburg, leben in München und treten in der gan‰ zen Welt auf.

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