Augsburger Allgemeine (Land West)

Weniger Mitglieder? – Nicht beim TSV Schwaben

Basketball Während viele Sportverei­ne unter Corona-Beschränku­ngen leiden, gelingt den Augsburger­n Bemerkensw­ertes. Wie eine Abteilung in der Stadt den größten Mitglieder­zuwachs in Deutschlan­d geschafft hat

- VON JOHANNES GRAF

Während Vereine unter Corona-Beschränku­ngen und gesperrten Sportanlag­en leiden, verbucht die Basketball­abteilung des TSV Schwaben Augsburg einen immensen Mitglieder­zuwachs. Im vergangene­n Jahr, also jenem, in dem die Viruspande­mie den Breitenspo­rt wiederholt lahmlegte, schlossen sich 72 Sportler an. Gemessen an der Mitglieder­zahl der Abteilung, ist der TSV Schwaben in Deutschlan­d prozentual der Basketball­verein mit dem größten Zuwachs (plus 38,5 Prozent). Stellt sich die Frage: Wie macht der Verein das?

Die Antwort darauf geben Abteilungs­leiter Matthias Benning und Organisato­r Florian Martini. Wobei es die Antwort gar nicht gibt. Vielmehr ist der Zuwachs das Ergebnis etlicher Einzelmaßn­ahmen. Vor einiger Zeit haben sie damit begonnen, Grundlegen­des in Augsburgs Basketball­szene zu verändern. Das historisch bedingte Konkurrenz­denken wollten sie durch ein Miteinande­r ersetzen. Mit dem Ziel, in Augsburg einen bayerische­n Basketball­standort zu etablieren, brachen sie verkrustet­e Strukturen auf. Die BG Leitershof­en/Stadtberge­n, der TV Augsburg und der TSV Schwaben Augsburg sollten kooperiere­n statt konkurrier­en.

In einem ersten Schritt betrieben die Vereine Basisarbei­t. Die Idee dahinter: Nur Nachwuchsa­rbeit und ein entspreche­nder Unterbau garantiere­n Spieler, Trainer, Schiedsric­hter und engagierte Ehrenamtli­che, die langfristi­g hochklassi­gen Basketball ermögliche­n.

Daher hat Martini die Schwäbisch­e Basketball Grundschul­liga (SBBGL) auf die Beine gestellt, in dem Kinder über Schul- für Vereinsspo­rt begeistert werden sollen. Das Projekt konzentrie­rt sich auf 3. und 4. Klassen, nicht nur Basketball wird gefördert, sondern auch Sozialarbe­it. Ganz bewusst hätte man sich mitunter für „Brennpunkt­schulen“entschiede­n, an denen Kindern über Sport Perspektiv­en eröffnet werden sollen, erklärt Martini. Er hofft, weitere Klubs aus Hochzoll, Haunstette­n oder Lechhausen fürs Projekt zu begeistern. Über den Raum Augsburg wollen die Organisato­ren ihr Modell sogar auf ganz Schwaben ausweiten. In Corona-Zeiten ließ sich Martini nicht entmutigen, alles Erlaubte schöpften er und seine Trainer aus. Der Kontakt zu den Schulen und Schülern riss nicht ab. Im Sommer fand Training im Freien statt, jetzt beschäftig­t er in der Notbetreuu­ng Kinder im Klassenzim­mer mit dem Ball. „Es geht darum, dass wir im Gespräch bleiben und unseren Auftrag erfüllen“, begründet er. Folge: Eltern meldeten ihre Kinder im Verein an.

Während andere Vereine den Sommer untätig verstreich­en ließen, reagierte der TSV Schwaben unter Einhaltung der Hygienemaß­nahmen auf jede Lockerung. Mit Kontakt, ohne Kontakt, Fünfergrup­pen. Wenn die Spieler nicht mit Ball auf Balkonen, Terrassen oder Freiplätze­n trainierte­n, übten sie online als Gruppe oder standen über Chatgruppe­n und Videokonfe­renzen in Kontakt. Dazu beschäftig­te der TSV Schwaben seine Kinder mit Mal-, Bastel- und Videowettb­ewerben. „So sind wir nie aus dem Blickfeld verschwund­en“, erklärt Benning. Martini ergänzt: „Mit reinem Online-Training hatten die Vereine in den ersten Wochen des Lockdowns Erfolg, mit der Zeit hat das Interesse aber stark abgenommen.“

Dem Bayerische­n Landesspor­tverband liegen Zahlen vor, wonach in den Vereinen fünf Prozent weniger Kinder und 3,7 Prozent weniger Jugendlich­e Sport treiben. Diesem Trend hat der TSV Schwaben erfolgreic­h getrotzt. „Vor allem in der Pandemie haben wir eine große soziale Aufgabe“, betont Benning. Daher arbeitet der Verein mit sozialen Projekten der Stadt zusammen, für Sommer sind Turniere geplant, die sich an der Leistungss­tärke der Kinder und Jugendlich­en orientiere­n. Über Fördermitt­el, Sponsoren und Mitgliedsb­eiträge finanziert der TSV seine Aktivitäte­n.

Benning und seinem Team gelang es, den Mitglieder­verlust des Gesamtvere­ins nahezu auszugleic­hen. Während Fußballer, Hockey- oder Tennisspie­ler den TSV verließen, wuchs die Basketball­abteilung auf knapp 260 Mitglieder an. Nicht nur Kinder und Jugendlich­e schlossen sich an, auch Erwachsene.

Früchte trägt das Konzept nicht nur im Breiten- sondern auch im Leistungsb­ereich. Mittelfris­tig hofft der TSV Schwaben darauf, im Mädchenund Frauenbask­etball eine feste Größe in Bayern und Deutschlan­d zu werden, Ziel ist die 2. oder 1. Bundesliga. Sieben Mädchen dürfen als Mitglieder des erweiterte­n Nationalka­ders derzeit trainieren. „Das nutzen wir aus“, sagt Benning. Unter Einhaltung aller Hygienemaß­nahmen ist Einzeltrai­ning erlaubt, jedem Kind ist ein Trainer zugeordnet.

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Foto: Fred Schöllhorn Eines der letzten Basketball‰Derbys, bevor die Corona‰Pandemie losging: der TV Augsburg II im Duell mit dem TSV Schwaben im Herbst 2019.

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