Augsburger Allgemeine (Land West)
Warum müssen die nicht in Quarantäne?
Ein Experte zum Fall Thomas Müller
Thomas Müller vom FC Bayern wurde in Doha positiv auf das Coronavirus getestet, trotzdem durfte die restliche Mannschaft erst spielen und dann nach München zurückreisen. Warum musste sie nicht in Quarantäne?
Fritz Sörgel: Das entscheidet das Gesundheitsamt. Doha hat die Mannschaft ausreisen lassen. Die ist in einer Blase, deshalb kann man das vertreten. Dass trotzdem immer was passieren kann, zeigt der Fall Müller. Es steht natürlich auch die Frage im Raum: Welchen ct-Wert hatte er? Es passiert ja häufiger, dass einer mal positiv und mal negativ ist. Ich würde vermuten, dass das Gesundheitsamt in München gesagt hat, die Mannschaft solle einreisen, weil der ct-Wert grenzwertig um die 30 schwankt. Auch das RKI sieht das so. Dann ist es eine Abwägung des Gesundheitsamtes, ob die Mannschaft in Quarantäne muss.
Also sehen Sie keine bevorzugte behandlung des Fußballs?
Sörgel: Es gibt die Diskussion schon länger, ob Fälle um die 30 überhaupt als positiv angesehen werden sollen. Ich bin ziemlich sicher, dass Müller hier in Deutschland einen negativen Test hat. Und das macht es für das Gesundheitsamt schwer. Denn es muss sich auf einen Test verlassen, der von einem nicht näher bekannten Labor stammt. Man will sich bestimmt auf ein Labor in Deutschland verlassen, um eine gute Grundlage für die Entscheidung zu haben. Sollte das Ergebnis anders ausfallen, kann man die Mannschaft immer noch in Quarantäne schicken.
In anderen Sportarten mussten schon ganze Mannschaften in Quarantäne, nachdem einzelne Spieler positiv getestet wurden. Ist das Hygienekonzept der Fußball-Bundesliga so viel besser? Sörgel: Wenn man sieht, wie wenige Fälle es in der Bundesliga gab, kann man schon den Eindruck gewinnen, dass es im Fußball besser funktioniert – auch dank großer finanzieller Mittel. Natürlich steht der FC Bayern stark im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung, was sicherlich auch für das Gesundheitsamt eine Rolle spielt, ob dort jemand den Mut hat, so etwas zu entscheiden.
● Prof. Fritz Sörgel, 69, ist Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Nürnberg und ein führender Do pingExperte Deutschlands. (AZ)