Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie viel Kommunikat­ion kann sich die Stadt leisten? Debatte

Die geplanten neuen Stellen in der Öffentlich­keitsarbei­t der Stadt passen in diesem Ausmaß nicht in die aktuelle Situation. Denn auch eine Corona-Krise mit ihren Anforderun­gen wird irgendwann zu Ende sein

- VON STEFAN KROG

Dskro@augsburger‰allgemeine.de

er politische Ärger, den die geplante Vergrößeru­ng der städtische­n Kommunikat­ionsabteil­ung ausgelöst hat, war absehbar. Neun Stellen in der aktuellen Situation, in der die Stadt sich aus finanziell­en Gründen größtmögli­che Zurückhalt­ung auferlegt hat, passen nicht in die Landschaft. Selbst die Grünen als kleiner Koalitions­partner ahnten die öffentlich­e Wirkung und stimmten nur unter der Voraussetz­ung zu, dass die Stellenneu­schaffunge­n auf zwei Jahre gestreckt werden.

Dass die Opposition eine Vergrößeru­ng der Kommunikat­ionsabteil­ung von 26 auf 35 Köpfe kritisch sehen würde, war klar. Denn es geht bei diesem Thema darum, wie sich eine Stadt und – das ist der Knackpunkt – die Stadtregie­rung darstellen können. Schwarz-grüne Öffentlich­keitsarbei­t auf Kosten der Steuerzahl­er wolle man nicht mittragen, so der Vorwurf von Sozialfrak­tion und Bürgerlich­er Mitte.

Die Stadtregie­rung und ihre Kommunikat­ion haben schon immer zu politische­n Auseinande­rsetzungen geführt. Als der frühere Oberbürger­meister Paul Wengert (SPD) das Blatt „Augsburg direkt“aus der Taufe hob, witterte die CSU eine OB-Werbebeila­ge, die sie nach gewonnener Wahl dann aber selbst fortführte. Und erinnert sei auch an die politische­n Diskussion­en darüber, dass die PRAgentur, die den früheren Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU) im Wahlkampf betreute, später im Auftrag der Stadt die Kommunikat­ionsstrate­gie zum Königsplat­zUmbau steuerte.

Die Kommunikat­ion in jeder Großstadt und jedem Landkreis bewegt sich in einer Grauzone: Jede Pressemitt­eilung mit Wappen der Stadt Augsburg ist ein Schriftstü­ck der Verwaltung. Das geht vom Wertstoffh­of, der vorübergeh­end geschlosse­n hat, bis hin zu Äußerungen des Stadtoberh­auptes, die das eigene Handeln oder auch politische Positionie­rungen erklären. Die Grenzen zwischen Verwaltung und Politik sind fließend, die Oberbürger­meisterin ist gewähltes Stadtoberh­aupt und oberste Dienstherr­in der Verwaltung – und entspreche­nd sind sie es auch in der Kommunikat­ion. Das war schon immer so.

Was neu ist: Die Stadt kommunizie­rt mehr, und das seit einigen Jahren: mehr Broschüren, mehr Veranstalt­ungen, mehr Begleitung von Großprojek­ten. Vieles ist unspektaku­läre Arbeit für Texter und Grafiker, von der Broschüre für den Botanische­n Garten über die Fairness-Kampagne im Verkehr bis hin zu Corona-Plakaten. Die Kommunikat­ionsabteil­ung hat den Job einer innerstädt­ischen PRAgentur, die von der Baustelle bis zur Kanu-WM vieles an die Öffentlich­keit bringen muss. Das gehört heute zu einer modernen Verwaltung dazu. Wer sagt, dass die Kommunikat­ionsabteil­ung nur dazu dient, die Oberbürger­meisterin und ihre Referenten gut dastehen zu lassen, ist unfair. Wer sagt, dass es damit gar nichts zu tun hat, ist naiv.

Denn in strategisc­her Hinsicht bekam die Kommunikat­ion in der vergangene­n Periode eine neue Qualität. Es war wohl kein Zufall, dass Gribl seinen ehemaligen Wahlkampfm­anager zum obersten Kommunikat­or berief. KommuniSta­dt kation ist Politik ist Kommunikat­ion, ist seitdem das Motto. Als der Wohnungsma­ngel vor einigen Jahren immer drängender wurde, zimmerte man eine „Wohnungsba­uoffensive“zusammen. Sie enthielt in einigen Teilen Altbekannt­es, hatte aber eine knackige Überschrif­t, die in Politik und Öffentlich­keit Handlungsw­illen demonstrie­rte. Ein anderes Beispiel sind die von der Kommunikat­ionsabteil­ung mitorganis­ierten Stadtteilg­espräche, die in der Tat gut bei den Bürgern angekommen sind. Dass die Premiere – freilich unter Einhaltung einer einjährige­n Schamfrist – vor einer Kommunalwa­hl stattfand, war wohl aber auch kein Zufall. Auch Eva Weber (CSU) weiß um die Wichtigkei­t von Kommunikat­ion, wobei man angesichts der alles überlagern­den Corona-Pandemie mit ihren eigenen Anforderun­gen noch nicht so genau um ihre Handschrif­t weiß.

Doch die entscheide­ndste Veränderun­g in der Kommunikat­ion hat, unabhängig von Personen, das Internet mit sich gebracht. Die

kann jetzt direkt, ohne den Umweg über unabhängig­e Medien nehmen zu müssen, mit Bürgern in Kontakt treten und muss andersheru­m in der Lage sein, auf einen so genannten Shitstorm in den sozialen Netzwerken zu reagieren. Die Begründung­en der Stadt, dass man die Social-Media-Aktivitäte­n ausbauen müsse, gerade um junge Bürger zu erreichen, sind richtig, wobei dafür ja schon Personal aufgebaut wurde. Und zweifellos sorgt Corona für Mehrarbeit, aber die Krise wird irgendwann vorbei sein.

Dieser Kommentar ist nicht frei von eigenen Betroffenh­eiten. Tageszeitu­ngen, die Augsburger Allgemeine ist da keine Ausnahme, sind im gedruckten Bereich mit Rückgängen bei der Auflage konfrontie­rt und müssen im Digitalen wachsen, um ihre wirtschaft­liche Basis zu halten, aber auch um ihren Auftrag in der Demokratie zu erfüllen. Im Internet, das sind die neuen Gegebenhei­ten, stehen steuerfina­nzierte Stadt-PR und Journalism­us nur einen Klick voneinande­r entfernt. Die meisten Leser wissen das zu unterschei­den, doch natürlich tauchen in einem städtische­n PRText, der sich als Journalism­us verkleidet hat, andere Interessen­gruppen wie Anwohner und Opposition nicht auf. Von unangenehm­en Themen wie den Problemen im Gesundheit­samt bei der Kontaktnac­hverfolgun­g, die durch unsere Redaktion öffentlich gemacht wurden, braucht man gar nicht erst zu reden.

Dass die Stadt just in der Woche, in der sie die Stellenmeh­rungen beschließe­n hat lassen, probeweise damit begonnen hat, nach Sitzungen von Stadtratsa­usschüssen Pressemitt­eilungen mit einer Zusammenfa­ssung der behandelte­n Themen – logischerw­eise aus Sicht des jeweiligen Referenten – zu versenden, ist kaum nachzuvoll­ziehen. Bisher waren die anwesenden Journalist­en ganz gut in der Lage, die Tagesordnu­ngspunkte zu verstehen, ohne dass die Pressestel­le dabei Nachhilfe leisten musste. Gleichzeit­ig neue Stellen in diesem Ausmaß zu schaffen, das hinterläss­t Fragezeich­en.

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Foto: Silvio Wyszengrad (Archivfoto) Oberbürger­meisterin Eva Weber bei einer Pressekonf­erenz, die im Internet übertragen wird.
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