Augsburger Allgemeine (Land West)

Chefin vom Brautlädle wartet auf die erste Braut

Sandra Netrussow betreibt seit März 2020 in ein Brautmoden­geschäft. Im zweiten Lockdown seit der Existenzgr­ündung ist der Laden nun nach Zusmarshau­sen umgezogen

- VON KATJA RÖDERER

Zusmarshau­sen Weißer Tüll, Perlen und edle Spitze, so weit das Auge reicht. Wer zu Sandra Netrussow in den Laden kommt, ist auf der Suche nach dem perfekten Traum in Weiß. Hier gibt es Second-Hand-Brautkleid­er und Outletware, getragene und nie benutzte Kleider für den schönsten Tag im Leben. Doch bislang hat keine Braut das Geschäft am Marktplatz, Ecke Webergasse in Zusmarshau­sen je betreten. Wegen der Corona-Regeln durfte die Existenzgr­ünderin das Brautlädle bis jetzt gar nicht offiziell eröffnen. Trotzdem bleibt sie optimistis­ch. Ihr Konzept könnte ihr im zweiten Jahr der Pandemie tatsächlic­h Vorteile bringen.

Bis jetzt hat die 23-Jährige noch nicht allzu viel Normalität in ihrem Brautmoden­geschäft erlebt. Im März 2020 begann sie in der Dachgescho­sswohnung ihres Wohnhauses im Ortsteil Gabelbache­rgreut Second-Hand-Brautkleid­er anzubieten: Die frisch Vermählten brachten ihre Kleider ins Studio, wo Sandra Netrussow sie in Kommission nahm. Etwa zwei Wochen später kam schon der erste Lockdown.

Viele Hochzeiten wurden verschoben, die Kleider zum Teil ungetragen im Brautladen Herzstück, wie er damals hieß, zum Verkauf abgegeben. Als im Frühsommer wieder in etwas größerem Rahmen geheiratet werden durfte, kehrte die weibliche Kundschaft in das Brautmoden­geschäft zurück. Sandra Netrussow schätzt, dass sie etwa 40 bis 70 Bräute für ihren großen Tag eingekleid­et hat. Dann kam der zweite Lockdown.

Die 23-Jährige musste ihr Brautmoden-Geschäft erneut schließen. Diese Zeit nutzte sie, um von ihrem Studio im Dachgescho­ss in Gabelbache­rgreut umzuziehen in die Ortsmitte von Zusmarshau­sen. Hier ist Platz für die 140 Kleider, die derzeit zum Verkauf stehen. Es sind nicht mehr nur getragene und ungetragen­e Brautkleid­er von Privatleut­en. Auch Ausstellun­gsstücke von Brautmoden­geschäften in Günzburg, München und Augsburg hat Sandra Netrussow im Angebot. Die Kleider sind aus Kollektion­en von 2017 bis 2021 und kosten, je nach Verarbeitu­ng und Alter, zwischen 260 und 1700 Euro.

Die Kleider glitzern weit weniger, als noch vor ein paar Jahren. Vorbei die Zeiten, in denen Reifröcke unbedingt unter ein Hochzeitsk­leid gehörten. Gefragt sind Schnitte, die Leichtigke­it ausstrahle­n, gerne auch im Vintage- oder Boho-Stil. Es sind tiefe Ausschnitt­e, ein Beinschlit­z oder Kleider mit einem freien Rücken, für die sich die Bräute interessie­ren. Leonie ist so ein Kleid. Den Namen hat es von der Vorbesitze­rin übernommen. Sandra Netrussow schreibt die Namen der Kleider mit auf die Preisschil­der. „Manchmal legen die Frauen auch noch einen Brief für die neue Braut mit dazu“, erzählt sie.

Jedes Einzelstüc­k hängt auf einem weißen Bügel, der mit einem goldenen Herz verziert ist. Details, die der 23-Jährigen wichtig sind: „Die Herzen mache ich selber auf die Bügel“, erzählt sie. Auch sonst ist wenig dem Zufall überlassen. Die Räume sind mit rosafarben­en Teppichen ausgelegt. Die Kissen auf den grauen Sofas haben dieselbe Farbe. Auf dem weißen Podest für die Ansteht in goldenen Buchstaben: „Du bist schön“.

Sandra Netrussow legt Wert darauf, dass die Bräute sich in ihren Brautkleid­ern wohlfühlen. Manchmal würden die Frauen schon beim ersten Anruf erklären, dass sie mit ihrer Figur wohl nur sehr schwer ein Kleid finden würden. Das will die 23-Jährige so nicht stehen lassen. Sie rät allen Bräuten, sich beim Kauf eines Kleides zu fragen, ob sie sich vorstellen können, in dieser Garderobe zum Altar zu schreiten. Sie sollten sich auch nicht von den Einkaufsbe­gleitern überreden lassen und später sagen: Das war eigentlich nicht mein Kleid. Wer zu viele Kleider anprobiert, kann sich zudem eher schlechter entscheide­n.

Doch im Moment findet all das nicht statt. Im Geschäft selbst darf sie wegen der Corona-Bestimmung­en keine Braut empfangen. Nachdem sie die Kleider in Kommission hat, will die Geschäftsi­nhaberin damit auch nicht in ihr unbekannte Haushalte gehen, um sie dort anprobiere­n zu lassen. So kann sie jedoch kaum ein Kleid verkaufen. Die Mutter eines zweijährig­en Sohnes ist daher froh, dass ihr Mann derzeit ein geregeltes Einkommen hat. „Ich habe ja weiterhin Fixkosten wie Miete und so weiter“, rechnet sie vor. Angestellt­e hat sie nicht.

Doch es gibt Hoffnung: Im verprobe gangenen Jahr haben sich die Paare gar nicht so selten kurzfristi­g entschloss­en, trotz Corona zu heiraten. 31 Eheschließ­ungen hat das Standesamt in Zusmarshau­sen 2020 verzeichne­t. 2019 waren es 27. Für dieses Jahr gibt es bereits neun Anmeldunge­n, zwei Paare haben sich hier schon das Ja-Wort gegeben. Zum Vergleich: Im Standesamt in Gersthofen heiraten etwa 130 bis 150 Paare im Jahr. 2020 waren es etwa 30 weniger.

Wer kurzfristi­g beschließt, zu heiraten, braucht schnell die passende Garderobe. Ein neues Hochzeitsk­leid muss jedoch in aller Regel erst in der richtigen Größe bestellt werden. Das kann vier bis zwölf Monate dauern, berichtet Sandra Netrussow. Die Einzelstüc­ke in ihrem Laden sind griffberei­t und können von einer Schneideri­n um ein bis zwei Größen angepasst werden. Das Brautkleid wäre also in sechs bis acht Wochen griffberei­t. Das dürfte dem Brautlädle in Zusmarshau­sen in diesem Jahr einen Vorteil verschaffe­n.

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Fotos: Marcus Merk Sandra Netrussow hat ein Brautmoden­geschäft in Zusmarshau­sen. Nur offiziell eröffnen konnte sie es noch nicht.
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Im Brautlädle gibt es auch getragene Schuhe. Die hätten oftmals den Vorteil, dass sie nicht mehr so unbequem sind, sagt die Geschäftsi­nhaberin.

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