Augsburger Allgemeine (Land West)
Impfung für den Pfarrer?
Was ein Mediziner und ein Priester von der Diskussion halten
Landkreis Augsburg Die Geschichte dieses Artikels beginnt mit einem Anruf. Der Königsbrunner Pfarrer Bernd Leumann ist am Apparat, er verweist auf den Aufmacher-Artikel im überregionalen Teil unserer Zeitung zur Impfung von Bischof Bertram Meier und sagt: „Ich wollte sagen, ich bin auch schon geimpft.“Nachdem der Vorgang so große Wellen schlage, wolle er von sich aus darüber informieren. Im Zuge der Impfung im Königsbrunner CaritasAltenheim St. Hedwig sei er verständigt worden, dass er auch auf die Liste der zu impfenden Personen gesetzt wurde.
Auf die Liste kam er, weil er für das Altenheim zuständig und regelmäßig als Seelsorger vor Ort ist. Er habe lange überlegt, ob er das Angebot annehmen solle, sagt Leumann. Letztlich entschied er sich dafür: „Ich habe jeden Tag persönlichen Kontakt mit Menschen, die zur Risikogruppe
gehören und dachte: Wenn ich diese Menschen damit auch ein wenig schützen kann, dann mache ich das.“So erhielt er mit den Bewohnern und dem Pflegepersonal die beiden Impfspritzen. Nicht bewusst war ihm, dass Hausärzte und Therapeuten, die ebenfalls zu Hausbesuchen ins Altenheim kommen, nicht geimpft wurden: „Die haben ja noch viel engeren Kontakt zu den Bewohnern. Hätte ich das gewusst, hätte ich mich vermutlich anders entschieden.“
Diese fehlende Übersicht kann Dr. Claus Schöler, der Chefarzt der Wertachklinik in Schwabmünchen, gut nachvollziehen. Er kritisiert dabei die Verordnung, die zu viele Interpretationsspielräume lasse: Selbst bei ihm als Chirurg ließe sich streiten, ob er nun in die Gruppe mit der höchsten Impfpriorität oder in die Gruppe 2 einsortiert werden sollte. Selbst unter den Mitgliedern einer Gruppe gebe es Unschärfen – eine 1oder eine 2+. Die Entscheidung über die Reihenfolge in der Wertachklinik trifft er als Leiter der dortigen Impfkampagne. Und auch außerhalb dürften sich die Menschen aus seiner Sicht auf das Urteil der Verantwortlichen verlassen: „Wenn man ein Impfangebot erhält und es sich nicht durch Vorgabe falsche Tatsachen erschlichen hat, darf man das Angebot aus meiner Sicht annehmen.“Er wisse nicht, wie oft der Bischof tatsächlich Altenheime besuche, die Diskussion darüber laufe aus seiner Sicht aber aus dem Ruder.
Auch wenn er zur Kirche keine persönliche Bindung hat, gehören Seelsorger aus Dr. Schölers Sicht in die Impfgruppe 1: „Ein Pfarrer besucht ein Altenheim, dann noch eines, dann vielleicht noch eine Familie. So jemand kann das Virus deutlich weiter herumtragen als ich, der ich nur hier an der Klinik unterwegs bin.“Zudem verlasse er als Mediziner ein Patientenzimmer nach wenigen Minuten wieder, während die Seelsorger länger vor Ort seien.