Augsburger Allgemeine (Land West)
Statt Faschingsferien gibt es jetzt Mathe und Englisch
Pandemie Wir begleiten die Kerschensteiner-Schule im Hochfeld durch eine Ferienwoche, die keine mehr ist. Viele Schüler und Lehrer in Augsburg hätten sich eine Verschnaufpause gewünscht – Serie (1)
20 Jahre lang durften Bayerns Schüler und Lehrkräfte in der Woche ab Rosenmontag eine unterrichtsfreie Woche genießen. Nicht genug, dass Skiurlaube und närrisches Treiben in diesem Jahr wegen der CoronaPandemie ausfallen. Anfang des Jahres hat die Staatsregierung auch noch die Faschingsferien gestrichen, um in der gewonnenen Zeit vor allem Unterrichtsstoff zu vertiefen und zu wiederholen. Die Absage stieß auf wenig Gegenliebe, unter anderem versuchten Schülerinnen aus dem Augsburger Maria-WardGymnasium mit einer Petition die Ferien zu retten – trotz 45.000 Unterstützern vergeblich.
Auch Bernhard Stegmann, Leiter des Gymnasiums bei St. Stephan, hätte sich über die freie Zeit gefreut und allen Beteiligten „einen Moment des Durchschnaufens“gegönnt. Er habe von der gesamten Schulgemeinschaft – darunter knapp 600 Schüler – keine positive Rückmeldung zu der gestrichenen Ferienwoche erhalten. „Die Stimmung
ist nicht gut“, betont der Direktor. Alle hätten sich seiner Meinung nach etwas Erholung verdient, denn der Distanzunterricht mit den verschiedenen digitalen Formaten sei für sämtliche Beteiligte anstrengend. „Die engagierten Lehrer etwa kommen gar nicht mehr vom Schreibtisch weg“, weiß er.
Die zusätzliche Schulwoche im Distanzunterricht (nur der Abschlussjahrgang lernt im Wechsel zuhause und im Klassenzimmer) können die Lehrkräfte laut Stegmann je nach Jahrgangsstufe und Fach individuell gestalten. „Der eine Lehrer wird mit dem Stoff vorangehen, der andere Gelerntes vertiefen.“ Eine „Unterrichtswoche light“werde es aber nicht geben. Die Anweisungen aus München ließen da keinen Spielraum zu. Seinen Lehrkräften ermöglicht der Direktor aber zumindest, das Unterrichtstempo der eigenen Belastung und der der Lerngruppe anzupassen. „Wenn die Schüler auf dem Zahnfleisch daherkommen, verzichtet man vielleicht auf eine Prüfung oder lässt die Hausaufgaben ausfallen.“
Und wenn sich ein
Schüler am Faschingsdienstag im Online-Unterricht kostümiert vor den Laptop setzen möchte, so sei das sicher nicht verboten, fügt Stegmann mit einem Schmunzeln hinzu.
Ob im Cowboy-Outfit, in Jeans oder im Jogginganzug – auch an der Kerschensteiner-Schule im Stadtteil Hochfeld beginnt an diesem Montag eine neue Unterrichtswoche. Laut Rektorin Gül Solgun-Kaps sind die meisten ihrer rund 400 Schüler der Meinung, sie hätten sich die Ferien verdient, auch weil der Distanzunterricht anstrengender sei als der Präsenzunterricht. Eltern und Lehrkräfte seien bei diesem Thema eher gespalten. Sie selbst kann der ausgefallenen Ferienwoche sogar Positives abgewinnen. „Unsere Schüler brauchen Kontinuität“, betont Solgun-Kaps. Sie verspricht: „Wir werden aber bemüht sein, die Faschingswoche digital lebensnah, individuell und lebensfroh zu gestalten, ohne großen Druck und auch mit Spaß im Distanzunterricht“.
Wie der Unterricht in der Grundund Mittelschule im Hochfeld in dieser Woche abläuft und wie Corona den Schulalltag verändert hat, wollen wir in einer kleinen Serie herausfinden. Wir sprechen mit einer Drittklässlerin, einem Schüler aus der siebten Jahrgangsstufe und einer Mutter. Zum Abschluss kommen zwei Lehrkräfte zu Wort. Den Anfang macht am Dienstag Rektorin Gül Solgun-Kaps. Da sie ihr Amt erst seit diesem Schuljahr innehat, kennt sie die Kerschensteiner-Schule nur im coronabedingten Ausnahmezustand – Fasching hin oder her.