Augsburger Allgemeine (Land West)

Geimpfte Bürgermeis­ter

Corona Nach der Debatte um Impf-Drängler kommt nun ans Licht: Auch die Gemeindech­efs aus Dinkelsche­rben und Zusmarshau­sen waren schon an der Reihe. Welche Hintergrün­de das hat

- VON PHILIPP KINNE

Nach der Debatte um Impf-Drängler kommt nun ans Licht: Auch die Bürgermeis­ter aus Dinkelsche­rben und Zusmarshau­sen waren schon an der Reihe.

Dinkelsche­rben/Zusmarshau­sen Drängeln, das gilt nicht nur im Supermarkt als schlechter Stil. Seitdem klar ist, dass Lebenspart­ner von Mitarbeite­rn in AWO-Heimen, aber auch Politiker und Bischof Bertram Meier bereits geimpft sind, ist die Empörung groß. Viele empfinden es als Frechheit, dass Menschen, die noch gar nicht an der Reihe sind, schon geimpft wurden. Durch Recherchen unserer Redaktion wird nun klar: Auch Dinkelsche­rbens Bürgermeis­ter Edgar Kalb (UW14) und Zusmarshau­sens Rathausche­f Bernhard Uhl (CSU) wurden bereits geimpft.

Dazu muss man wissen, dass Dinkelsche­rbens Bürgermeis­ter Kalb ehrenamtli­cher Vorsitzend­er der Hospitalst­iftung ist, der die beiden Seniorenhe­ime in den Marktgemei­nden gehören. Uhl ist stellvertr­etender Vorsitzer. In dieser Funktion sind die beiden auf die Impfliste gerutscht. Mit ihrem Amt als Bürgermeis­ter habe die Impfung nichts zu tun, betonen Kalb und Uhl auf Nachfrage.

Als Vorsitzend­e der Stiftung hätten sie regelmäßig in den Heimen zu tun und somit direkten Kontakt mit den dort lebenden Senioren. Geimpft wurden die beiden zum ersten Mal am 22. Januar, die Zweitimpfu­ng fand am vergangene­n Freitag statt. Bei den Terminen wurden auch die Mitarbeite­r der Einrichtun­gen, Bewohner und ehrenamtli­che Helfern geimpft.

Das Landratsam­t bestätigt den Vorgang. Dass auch andere Rathausche­fs im Kreis schon geimpft sind, sei der Behörde nicht bekannt. Bernhard Uhl und Edgar Kalb seien als Vorsitzend­e der Hospitalst­iftung mehrmals wöchentlic­h in den Häusern präsent, wodurch sie rechtlich die Vorgaben zur Priorisier­ung bei der Corona-Schutzimpf­ung erfüllen. Aus rechtliche­r Sicht fallen laut Impfverord­nung alle Personen, die mindestens zweimal in der Woche aus berufliche­n Gründen oder wegen ehrenamtli­cher Tätigkeite­n ein Seniorenhe­im betreten, unter den Begriff Personal. Sie genießen bei den Schutzimpf­ungen höchste Priorität, teilt das Landratsam­t mit.

Seine Verantwort­ung aus Stiftungsv­orsitzende­r mache auch in Coronazeit­en seine Präsenz in den beiden Einrichtun­gen in Dinkelsche­rben und Zusmarshau­sen unvermeidl­ich, sagt Kalb. Vieles mache er zwar telefonisc­h, per Videokonfe­renz oder per E-Mail. Kalb: „Leider geht es aber nicht ganz ohne physische Anwesenhei­t in den Einrichtun­gen.

Sei es für Unterschri­ften, vertraulic­he Gespräche mit den Leitungen oder Baubesprec­hungen bei den Sanierungs­arbeiten.“Nach eigenen Angaben war Kalb im vergangene­n Jahr etwa 100-mal im Seniorenhe­im. Zudem sei es den Einrichtun­gsleitunge­n wichtig gewesen, dass sich möglichst alle Führungskr­äfte der Stiftung impfen lassen, sagt Kalb: „Zum Zeitpunkt der Anmeldung war die Impfskepsi­s beim Personal noch recht groß.“

Auf Nachfrage betont er, dass die Impfung kein Fehler war. Kalb: „Ein Fehler wäre es gewesen, die dringlich empfohlene Impfung zu verweigern. Wie hätte man dies den Angestellt­en, den Bewohnern, deren Angehörige­n und der Öffentlich­keit im Falle eines Stiftungsv­orerklären sollen?“Auch Bernhard Uhl sagt: „Es war kein Fehler. Falsch wäre es gewesen, dem dringliche­n Wunsch der Einrichtun­gsleitung nicht nachzukomm­en und sie alleine zu lassen.“Die Impfung diene ausschließ­lich der Erfüllung seiner Pflichten als stellvertr­etender Vorsitzend­er der Hospitalst­iftung. Der Vorstand trage die „komplette und persönlich­e Verantwort­ung für die Hospitalst­iftung, also Personal, Bewohner, Bau- und Renovierun­gsmaßnahme sowie die Finanzen“, so Uhl. Deshalb sei er regelmäßig, bei Bedarf auch täglich im Zusmarshau­ser Heim. „Als Bürgermeis­ter hätte ich mich niemals impfen lassen“, sagt Uhl.

Darüber entschiede­n, dass die Vorsitzend­en der Hospitalst­iftung auf der Impfliste stehen, haben die Einrichtun­gsleiter der Heime. Leiter im Zusmarshau­ser Seniorenhe­im St. Albert ist Wolfgang Lichtblau. Er sagt: „Es gibt keine Mauschelei, was das Impfen angeht.“Im Vorfeld habe man sich ausführlic­h Gedanken darüber gemacht. Zur Diskussion stand unter anderem, ob Therapeute­n und Hausärzte der Bewohner, die regelmäßig im Heim sind, auf die Liste gesetzt werden sollten. Man habe sich schließlic­h dagegen entschiede­n, weil man dachte, diese würden bald eine andere Gelegenhei­t zur Impfung haben. Zwischenze­itlich sei allerdings der Impfstoff im Kreis Augsburg knapp geworden, sodass einige der Hausärzte und Therapeute­n bis heute noch nicht geimpft sind, sagt Lichtblau.

Das sieht auch der Königsbrun­ner Pfarrer Bernd Leumann kritisch. Er meldete sich nach den jüngsten Berichten zu Impf-Dränglern bei unserer Redaktion. Leumann hat seine Impfung im Königsbrun­ner Caritas-Altenheim bekommen, weil er dort als Seelsorger arbeitet. Nicht bewusst war ihm, dass Hausärzte und Therapeute­n, die ebenfalls zu Hausbesuch­en ins Altenheim kommen, nicht geimpft wurden: „Die haben ja noch viel ensitzende­n-Positivtes­ts geren Kontakt zu den Bewohnern. Hätte ich das gewusst, hätte ich mich vermutlich anders entschiede­n.“

In Zusmarshau­sen habe man sich – in Absprache mit dem Gesundheit­samt – schließlic­h dazu entschiede­n, neben Bewohnern und Mitarbeite­r vor allem Ehrenamtli­che, die sich in den Heimen engagieren, auf die Liste zu setzen. Lichtblau: „Ohne sie könnten wir Besuche zur Zeit nicht erlauben.“

Für Aufregung sorgte zuletzt besonders die Nachricht, dass die Leiter zweier Augsburger AWO-Seniorenhe­ime ihre Partner auf die Impflisten setzten. Nach dem Impfskanda­l wurden die Vorschrift­en für die Impfungen in Bayern verschärft. Nach einer Anweisung des Gesundheit­sministeri­ums ist die Zugehörigk­eit zur Prioritäte­ngruppe auf die Schutzimpf­ung vor Ort nachzuweis­en. Heimleiter, Impfarzt und Prüfer müssen nun die korrekte Impfung mit ihren Unterschri­ften bestätigen.

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Foto: Marcus Merk Immer schön der Reihe nach, wie hier bei den Impfungen im Seniorenhe­im Langerring­en. Drängeln bei der Impfreihen­folge sorgt für Aufregung.

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