Augsburger Allgemeine (Land West)
Berlins Flughafen verschlingt weitere Milliarden
Staatshilfen Der Hauptstadt-Airport hat schon Unsummen gekostet. Jetzt braucht der BER erneut mehr Geld. Trotzdem will die Regierung noch ein Terminal bauen. Die Grünen warnen jetzt vor Totalverlusten und Ärger mit der Europäischen Union
Berlin Es war Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, der zur Eröffnung des Großflughafens BER das Ende der Witzemacherei über eine der größten und teuersten Baustellen Deutschlands anmahnte. Lästermäuler hatten etwa gefordert, Berlin abzureißen und einfach neben einem funktionierenden Flughafen wieder aufzubauen. Das käme billiger als der Neubau des Flughafens Berlin Brandenburg (BER). Böse Scherze dieser Art meinte der CSU-Politiker, der Ende Oktober zur BER-Eröffnung auch erklärte, es habe „verdammt viel mit unserem Wohlstand in schwieriger Zeit zu tun, dass wir hier erfolgreich sind“.
Das Problem ist allerdings, dass der BER-Betrieb diesen Wohlstand gerade nicht mehrt, sondern eher deutlich schmälert. Das Prestigeprojekt von Bund sowie den Ländern Berlin und Brandenburg verbrennt das Geld so schnell wie ein startender Jumbo das Kerosin. Witzig ist das schon lange nicht mehr, zumal die Bundesregierung allen Ernstes an ihrem Regierungsterminal festhält, das hunderte Millionen Euro verschlingen wird.
Der BER ist so teuer geworden, dass es in der Endabrechnung auf ein paar Millionen mehr oder weniger schon gar nicht mehr ankommt. Etwa sieben Milliarden Euro Steuergeld hat der Flughafen gekostet, der eigentlich 2011 in Betrieb gehen sollte. Pfusch am Bau trieb die Kosten in die Höhe, die Fertigstellung verzögerte sich. Als er dann endlich fertig war, startete der Airport direkt in die Corona-Krise.
Einem Bericht des Berliner Tagesspiegels zufolge benötigt die mit rund 4,5 Milliarden Euro verschuldete Flughafengesellschaft FBB aktuell unter anderem 3,5 Milliarden Euro an staatlichen Hilfen sowie eine Patronatserklärung der Eigentümer. Dabei handelt es sich um eine Art Blankoscheck, mit dem Berlin, Brandenburg und der Bund verbindlich zusagen, dass sie den Weiterbetrieb des Flughafens unter allen Umständen garantieren.
Für die Grünen im Bundestag sind weitere Finanzspritzen jedoch kein Selbstläufer. „Schon vor Corona war die FBB finanziell am AbInzwischen muss sie selbst einräumen, dass sie vor 2034 nicht einen einzigen Cent Gewinn machen wird“, sagte die Grünen-Haushaltsexpertin Ekin Deligöz unserer Redaktion. Klar sei, dass die Betreibergesellschaft keine finanziellen Reserven mehr habe. „Sie erhält am Kapitalmarkt kein Geld mehr und kann ihren Schuldendienst nicht mehr aus eigener Kraft bedienen“, sagte Deligöz, die unter anderem
Obfrau des Rechnungsprüfungsausschusses sowie Mitglied des Haushaltsausschusses im Bundestag ist.
„Eine milliardenschwere Sonderabschreibung ist nur eine Frage der Zeit“, warnte Deligöz davor, dass ein Teil der BER-Schulden niemals zurückgezahlt werden kann. „Auch die EU wird hier mitreden und mit Sicherheit nicht einfach durchwinken, dass die FBB weiteres öffentliches Geld quasi ohne Bedingungen bekommt“, ergänzte die Abgeordnete. Bund, Berlin und Brandenburg könnten die im Raum stehenden 3,5 Milliarden Euro „nicht einfach schenken“. Mit der CoronaPandemie habe das alles nichts zu tun, bestätigte Deligöz: „Das Kind war schon vorher in den Brunnen gefallen.“
Trotz der ausufernden Kostensteigerungen, trotz des massiven finanziellen Mehrbedarfs will die Bundesregierung nicht davon lassen, auf dem BER-Gelände ein Regierungsterminal zu bauen, wie aus einer gerade veröffentlichten Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP im Bundestag hervorgeht. Zu den Kosten äußert sich die Regierung darin nicht. Frühere Schätzungen belaufen sich auf mindestens 344 Millionen Euro. Der schlechte Witz dabei: Es gibt bereits ein Interimsgebäude für 70 Millionen Euro.
Forderungen, es bei diesem Gebäude zu belassen, ignoriert die Bundesregierung. Die Fertigstellung des neuen Empfangsgebäudes für Staatsgäste sei von der Bereitstellung des Baugrundstücks abhängig, nach „Kenntnis der Bundesregierung kann der Bau derzeit in cirgrund. ca fünf Jahren fertiggestellt werden“, heißt es.
Inklusive der normalen Kostensteigerungen und der üblichen Fehlkalkulationen bei öffentlichen Bauten scheint es nicht ausgeschlossen, dass sich das neue Regierungsterminal auf Gesamtkosten von einer halben Milliarde Euro zubewegt. Was viel Geld wäre für ein Gebäude, das kaum genutzt wird. Denn Staatsgäste halten sich nach ihrer Landung praktisch nie im Regierungsterminal auf. Sie betreten es in der Regel nicht einmal, weil es meist von der Gangway direkt in die gepanzerten Limousinen geht, die direkt aufs Flugfeld vorfahren.
Von dort aus können sie dann allerdings viel schneller ins Regierungsviertel brettern. Während es zuletzt vom Flughafen Tegel aus mühevoll durch die Innenstadt ging, liegt der BER an der Autobahn. Von einer „infrastrukturellen Verbesserung“schwärmt die Regierung – Berlinern fällt da nur noch folgender Witz ein: „Verkleidest du dich zum Karneval? Ich gehe als BER, dann bin ich am nächsten Tag nicht so fertig.“
GrünenPolitikerin Deligöz warnt vor neuen Schulden