Augsburger Allgemeine (Land West)

Berlins Flughafen verschling­t weitere Milliarden

Staatshilf­en Der Hauptstadt-Airport hat schon Unsummen gekostet. Jetzt braucht der BER erneut mehr Geld. Trotzdem will die Regierung noch ein Terminal bauen. Die Grünen warnen jetzt vor Totalverlu­sten und Ärger mit der Europäisch­en Union

- VON STEFAN LANGE

Berlin Es war Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer, der zur Eröffnung des Großflugha­fens BER das Ende der Witzemache­rei über eine der größten und teuersten Baustellen Deutschlan­ds anmahnte. Lästermäul­er hatten etwa gefordert, Berlin abzureißen und einfach neben einem funktionie­renden Flughafen wieder aufzubauen. Das käme billiger als der Neubau des Flughafens Berlin Brandenbur­g (BER). Böse Scherze dieser Art meinte der CSU-Politiker, der Ende Oktober zur BER-Eröffnung auch erklärte, es habe „verdammt viel mit unserem Wohlstand in schwierige­r Zeit zu tun, dass wir hier erfolgreic­h sind“.

Das Problem ist allerdings, dass der BER-Betrieb diesen Wohlstand gerade nicht mehrt, sondern eher deutlich schmälert. Das Prestigepr­ojekt von Bund sowie den Ländern Berlin und Brandenbur­g verbrennt das Geld so schnell wie ein startender Jumbo das Kerosin. Witzig ist das schon lange nicht mehr, zumal die Bundesregi­erung allen Ernstes an ihrem Regierungs­terminal festhält, das hunderte Millionen Euro verschling­en wird.

Der BER ist so teuer geworden, dass es in der Endabrechn­ung auf ein paar Millionen mehr oder weniger schon gar nicht mehr ankommt. Etwa sieben Milliarden Euro Steuergeld hat der Flughafen gekostet, der eigentlich 2011 in Betrieb gehen sollte. Pfusch am Bau trieb die Kosten in die Höhe, die Fertigstel­lung verzögerte sich. Als er dann endlich fertig war, startete der Airport direkt in die Corona-Krise.

Einem Bericht des Berliner Tagesspieg­els zufolge benötigt die mit rund 4,5 Milliarden Euro verschulde­te Flughafeng­esellschaf­t FBB aktuell unter anderem 3,5 Milliarden Euro an staatliche­n Hilfen sowie eine Patronatse­rklärung der Eigentümer. Dabei handelt es sich um eine Art Blankosche­ck, mit dem Berlin, Brandenbur­g und der Bund verbindlic­h zusagen, dass sie den Weiterbetr­ieb des Flughafens unter allen Umständen garantiere­n.

Für die Grünen im Bundestag sind weitere Finanzspri­tzen jedoch kein Selbstläuf­er. „Schon vor Corona war die FBB finanziell am AbInzwisch­en muss sie selbst einräumen, dass sie vor 2034 nicht einen einzigen Cent Gewinn machen wird“, sagte die Grünen-Haushaltse­xpertin Ekin Deligöz unserer Redaktion. Klar sei, dass die Betreiberg­esellschaf­t keine finanziell­en Reserven mehr habe. „Sie erhält am Kapitalmar­kt kein Geld mehr und kann ihren Schuldendi­enst nicht mehr aus eigener Kraft bedienen“, sagte Deligöz, die unter anderem

Obfrau des Rechnungsp­rüfungsaus­schusses sowie Mitglied des Haushaltsa­usschusses im Bundestag ist.

„Eine milliarden­schwere Sonderabsc­hreibung ist nur eine Frage der Zeit“, warnte Deligöz davor, dass ein Teil der BER-Schulden niemals zurückgeza­hlt werden kann. „Auch die EU wird hier mitreden und mit Sicherheit nicht einfach durchwinke­n, dass die FBB weiteres öffentlich­es Geld quasi ohne Bedingunge­n bekommt“, ergänzte die Abgeordnet­e. Bund, Berlin und Brandenbur­g könnten die im Raum stehenden 3,5 Milliarden Euro „nicht einfach schenken“. Mit der CoronaPand­emie habe das alles nichts zu tun, bestätigte Deligöz: „Das Kind war schon vorher in den Brunnen gefallen.“

Trotz der ausufernde­n Kostenstei­gerungen, trotz des massiven finanziell­en Mehrbedarf­s will die Bundesregi­erung nicht davon lassen, auf dem BER-Gelände ein Regierungs­terminal zu bauen, wie aus einer gerade veröffentl­ichten Antwort der Bundesregi­erung auf eine Anfrage der FDP im Bundestag hervorgeht. Zu den Kosten äußert sich die Regierung darin nicht. Frühere Schätzunge­n belaufen sich auf mindestens 344 Millionen Euro. Der schlechte Witz dabei: Es gibt bereits ein Interimsge­bäude für 70 Millionen Euro.

Forderunge­n, es bei diesem Gebäude zu belassen, ignoriert die Bundesregi­erung. Die Fertigstel­lung des neuen Empfangsge­bäudes für Staatsgäst­e sei von der Bereitstel­lung des Baugrundst­ücks abhängig, nach „Kenntnis der Bundesregi­erung kann der Bau derzeit in cirgrund. ca fünf Jahren fertiggest­ellt werden“, heißt es.

Inklusive der normalen Kostenstei­gerungen und der üblichen Fehlkalkul­ationen bei öffentlich­en Bauten scheint es nicht ausgeschlo­ssen, dass sich das neue Regierungs­terminal auf Gesamtkost­en von einer halben Milliarde Euro zubewegt. Was viel Geld wäre für ein Gebäude, das kaum genutzt wird. Denn Staatsgäst­e halten sich nach ihrer Landung praktisch nie im Regierungs­terminal auf. Sie betreten es in der Regel nicht einmal, weil es meist von der Gangway direkt in die gepanzerte­n Limousinen geht, die direkt aufs Flugfeld vorfahren.

Von dort aus können sie dann allerdings viel schneller ins Regierungs­viertel brettern. Während es zuletzt vom Flughafen Tegel aus mühevoll durch die Innenstadt ging, liegt der BER an der Autobahn. Von einer „infrastruk­turellen Verbesseru­ng“schwärmt die Regierung – Berlinern fällt da nur noch folgender Witz ein: „Verkleides­t du dich zum Karneval? Ich gehe als BER, dann bin ich am nächsten Tag nicht so fertig.“

Grünen‰Politikeri­n Deligöz warnt vor neuen Schulden

 ?? Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa ?? Der BER hat schon sieben Milliarden Euro gekostet und braucht noch mehr Geld. Auf ein neues Empfangsge­bäude will die Regierung trotzdem nicht verzichten, obwohl es schon eins gibt.
Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa Der BER hat schon sieben Milliarden Euro gekostet und braucht noch mehr Geld. Auf ein neues Empfangsge­bäude will die Regierung trotzdem nicht verzichten, obwohl es schon eins gibt.

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