Augsburger Allgemeine (Land West)

Was der Wirtschaft­sminister den Firmen bietet

Hilfen Die von den Corona-Schließung­en betroffene­n Branchen machen Peter Altmaier Dampf. Er verspricht Besserunge­n bei den Hilfen. Eigentlich aber wollen Handel, Hotels, Reisebüros und Gastronomi­e die Kanzlerin zu Öffnungen zwingen

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Die Unternehme­r in der Corona-Zwangspaus­e haben eine eindeutige Botschaft an Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) gesendet. Sie lautet: Wir wollen aufmachen. Und zwar nicht nacheinand­er und irgendwann, sondern gleichzeit­ig und bald. Das gaben die Vertreter von Gastronome­n, Hoteliers, Reisebüros und Händlern am Dienstag nach einem Spitzentre­ffen klar zu verstehen. „Wir brauchen eine Öffnungspe­rspektive und diese darf nicht sein, dass im Sommer wieder nur die Biergärten geöffnet werden“, sagte der Präsident des Bundesverb­ands der Tourismusw­irtschaft, Michael Frenzel, nach der Runde im Wirtschaft­sministeri­um.

Der frühere Tui-Chef bekannte offen, dass die Runde aus Sicht der Unternehme­n im falschen Gebäude getagt hat. Sie hätte ins Kanzleramt gehört, wo die Entscheidu­ngen über den Lockdown fallen. Doch die dortige Hausherrin will die strengen Beschränku­ngen wegen der Virusmutat­ionen aufrechter­halten und nur zaghaft lockern.

So kam Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) die Aufgabe zu, den in der wichtigste­n Frage nicht zuständige­n Vertreter der Kanzlerin zu geben. Um dem aufgestaut­en Zorn zehntausen­der um das wirtschaft­liche Überleben kämpfender Unternehme­r ein Ventil zu geben, bindet er sie ein. Gemeinsam soll zügig eine Öffnungsst­rategie erarbeitet werden. Das Papier soll dann Merkel und den Ministerpr­äsidenten als Hilfestell­ung dienen, wenn sie am 3. März wieder über den Kurs in der Pandemie entscheide­n.

„Wir haben uns verständig­t, sehr zeitnah die eingehende­n Vorschläge zu konkretisi­eren“, sagte der zuletzt heftig aus dem Unternehme­rlager angegriffe­ne Altmaier. Der Minister hat harte Wochen hinter sich. Es geht um zehntausen­de wirtschaft­liche Existenzen, die der Kampf gegen das Corona-Virus kosten könnte. Die Verlängeru­ng des Lockdowns hat die Not der Händler, Gastronome­n und Selbststän­digen noch schlimmer gemacht. Weil das so ist, steht Altmaier an vorderster Front. Er ist Blitzablei­ter und Geldgeber zugleich. Da das Geldgeben nicht so schnell klappt wie erhofft, schlagen viele Blitze bei dem Minister ein. Bei den Unternehme­rn, die zum Nichtstun verdammt sind, brodelt es.

Der Präsident des Deutschen Hotelund Gaststätte­nverbandes (Dehoga) trägt Zahlen vor, die wie eine Anklage gegen den Wirtschaft­sminister klingen. Ein Drittel der Betriebe seiner Branche warte immer noch auf die vollständi­ge Auszahlung der Novemberhi­lfen, bei den Dezemberhi­lfen spricht Guido Zöllick gar von 75 Prozent. „Jedes vierte Unternehme­n zieht konkret die Geschäftsa­ufgabe in Erwägung“, sagte Zöllick.

Um die Wut über die zähe Auszahlung der Hilfen abzukühlen, versprach Altmaier Nachbesser­ungen bei den Programmen. Mit den Bundesländ­ern soll ein Härtefallf­onds aufgebaut werden, der bei Unternehme­rn einspringt, die durch das Raster fallen. Gestrichen werden soll außerdem die Obergrenze bei der neuen Überbrücku­ngshilfe III. Derzeit sind nur Firmen bis zu einem Umsatz von 750 Millionen Euro antragsber­echtigt. Der Ausweitung der Zuschüsse auf größere Unternehme­n muss allerdings noch der Finanzmini­ster zustimmen.

Passend zum Spitzentre­ffen wurde ein Portal freigescha­ltet, auf dem

Solo-Selbststän­dige wie Schauspiel­er und Musiker staatliche Unterstütz­ung beantragen können. Bis zu 7500 Euro können sie bekommen.

Der wirtschaft­spolitisch­e Sprecher der Unionsfrak­tion im Bundestag sprach vielen Unternehme­rn und Selbststän­digen aus dem Herzen, der die Schmerzgre­nze bei ihnen für überschrit­ten hält „Eine Öffnungsst­rategie ist überfällig – sowohl in der Sache als auch psychologi­sch gesehen“, sagte Joachim Pfeiffer unserer Redaktion. Er hält es für geboten, nicht länger zu warten und neben Friseuren auch dem Handel und der Gastronomi­e eine Chance zu geben. „Die Einzelhänd­ler könnten heute schon öffnen, zum Beispiel mit Einzelterm­inen und guten Hygienekon­zepten“, sagte Pfeiffer.

Der Handel setzt darauf, dass flächendec­kende Corona-Schnelltes­ts das Einkaufen sicher machen können – auch bei einem Infektions­geschehen zwischen einer Inzidenz von 50 und 35 Neuansteck­ungen auf 100000 Einwohner binnen einer Woche. Die Kanzlerin hält einen stabilen Wert von 35 für notwendig, bevor Ladentüren wieder aufgemacht werden können. Die Unternehme­n werden noch viel Überzeugun­gsarbeit bei Merkel leisten müssen.

 ?? Foto: Andreas Mertens/BMWi, dpa ?? Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) sprach in einer Videokonfe­renz mit Vertretern von rund 40 Wirtschaft­sverbänden.
Foto: Andreas Mertens/BMWi, dpa Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) sprach in einer Videokonfe­renz mit Vertretern von rund 40 Wirtschaft­sverbänden.

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