Augsburger Allgemeine (Land West)
Was der Wirtschaftsminister den Firmen bietet
Hilfen Die von den Corona-Schließungen betroffenen Branchen machen Peter Altmaier Dampf. Er verspricht Besserungen bei den Hilfen. Eigentlich aber wollen Handel, Hotels, Reisebüros und Gastronomie die Kanzlerin zu Öffnungen zwingen
Berlin Die Unternehmer in der Corona-Zwangspause haben eine eindeutige Botschaft an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gesendet. Sie lautet: Wir wollen aufmachen. Und zwar nicht nacheinander und irgendwann, sondern gleichzeitig und bald. Das gaben die Vertreter von Gastronomen, Hoteliers, Reisebüros und Händlern am Dienstag nach einem Spitzentreffen klar zu verstehen. „Wir brauchen eine Öffnungsperspektive und diese darf nicht sein, dass im Sommer wieder nur die Biergärten geöffnet werden“, sagte der Präsident des Bundesverbands der Tourismuswirtschaft, Michael Frenzel, nach der Runde im Wirtschaftsministerium.
Der frühere Tui-Chef bekannte offen, dass die Runde aus Sicht der Unternehmen im falschen Gebäude getagt hat. Sie hätte ins Kanzleramt gehört, wo die Entscheidungen über den Lockdown fallen. Doch die dortige Hausherrin will die strengen Beschränkungen wegen der Virusmutationen aufrechterhalten und nur zaghaft lockern.
So kam Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) die Aufgabe zu, den in der wichtigsten Frage nicht zuständigen Vertreter der Kanzlerin zu geben. Um dem aufgestauten Zorn zehntausender um das wirtschaftliche Überleben kämpfender Unternehmer ein Ventil zu geben, bindet er sie ein. Gemeinsam soll zügig eine Öffnungsstrategie erarbeitet werden. Das Papier soll dann Merkel und den Ministerpräsidenten als Hilfestellung dienen, wenn sie am 3. März wieder über den Kurs in der Pandemie entscheiden.
„Wir haben uns verständigt, sehr zeitnah die eingehenden Vorschläge zu konkretisieren“, sagte der zuletzt heftig aus dem Unternehmerlager angegriffene Altmaier. Der Minister hat harte Wochen hinter sich. Es geht um zehntausende wirtschaftliche Existenzen, die der Kampf gegen das Corona-Virus kosten könnte. Die Verlängerung des Lockdowns hat die Not der Händler, Gastronomen und Selbstständigen noch schlimmer gemacht. Weil das so ist, steht Altmaier an vorderster Front. Er ist Blitzableiter und Geldgeber zugleich. Da das Geldgeben nicht so schnell klappt wie erhofft, schlagen viele Blitze bei dem Minister ein. Bei den Unternehmern, die zum Nichtstun verdammt sind, brodelt es.
Der Präsident des Deutschen Hotelund Gaststättenverbandes (Dehoga) trägt Zahlen vor, die wie eine Anklage gegen den Wirtschaftsminister klingen. Ein Drittel der Betriebe seiner Branche warte immer noch auf die vollständige Auszahlung der Novemberhilfen, bei den Dezemberhilfen spricht Guido Zöllick gar von 75 Prozent. „Jedes vierte Unternehmen zieht konkret die Geschäftsaufgabe in Erwägung“, sagte Zöllick.
Um die Wut über die zähe Auszahlung der Hilfen abzukühlen, versprach Altmaier Nachbesserungen bei den Programmen. Mit den Bundesländern soll ein Härtefallfonds aufgebaut werden, der bei Unternehmern einspringt, die durch das Raster fallen. Gestrichen werden soll außerdem die Obergrenze bei der neuen Überbrückungshilfe III. Derzeit sind nur Firmen bis zu einem Umsatz von 750 Millionen Euro antragsberechtigt. Der Ausweitung der Zuschüsse auf größere Unternehmen muss allerdings noch der Finanzminister zustimmen.
Passend zum Spitzentreffen wurde ein Portal freigeschaltet, auf dem
Solo-Selbstständige wie Schauspieler und Musiker staatliche Unterstützung beantragen können. Bis zu 7500 Euro können sie bekommen.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag sprach vielen Unternehmern und Selbstständigen aus dem Herzen, der die Schmerzgrenze bei ihnen für überschritten hält „Eine Öffnungsstrategie ist überfällig – sowohl in der Sache als auch psychologisch gesehen“, sagte Joachim Pfeiffer unserer Redaktion. Er hält es für geboten, nicht länger zu warten und neben Friseuren auch dem Handel und der Gastronomie eine Chance zu geben. „Die Einzelhändler könnten heute schon öffnen, zum Beispiel mit Einzelterminen und guten Hygienekonzepten“, sagte Pfeiffer.
Der Handel setzt darauf, dass flächendeckende Corona-Schnelltests das Einkaufen sicher machen können – auch bei einem Infektionsgeschehen zwischen einer Inzidenz von 50 und 35 Neuansteckungen auf 100000 Einwohner binnen einer Woche. Die Kanzlerin hält einen stabilen Wert von 35 für notwendig, bevor Ladentüren wieder aufgemacht werden können. Die Unternehmen werden noch viel Überzeugungsarbeit bei Merkel leisten müssen.