Augsburger Allgemeine (Land West)
„Die meisten könnten noch leben“
Pandemie Mehrere Untersuchungen zeigen: Patienten sterben zum Großteil an und nicht mit Corona. Sie wären ohne eine Infektion wohl noch am Leben. Pathologen, die Covid-Tote obduziert haben, erklären, was das Virus im Körper anrichtet
Augsburg Seit Monaten wird ziemlich hitzig über zwei eigentlich unscheinbare Wörtchen diskutiert. Es geht um „an“und „mit“. Und um die Frage, welches der beiden denn nun stimmt, wenn man über einen Menschen spricht, der nach einer Covid-19-Erkrankung gestorben ist. Also kurzum: Stirbt jemand an den direkten Folgen von Corona oder ist eine andere Erkrankung die Ursache für seinen Tod – und eine Infektion mit Sars-CoV-2 nur ein zufälliger Befund am Rande?
Das Robert Koch-Institut verzeichnet bislang mehr als 65 000 Corona-Todesfälle in Deutschland, mehr als 11 700 davon in Bayern. In die Statistik gehen dabei sowohl Menschen ein, die unmittelbar an der Erkrankung gestorben sind, als auch solche mit Vorerkrankungen, bei denen sich nicht abschließend nachweisen lässt, was die Todesursache war. Immer wieder werden deshalb von Kritikern der aktuellen Corona-Politik Zweifel an der Aussagekraft der Zahlen laut.
Mittlerweile gibt es mehrere Studien, die solche Zweifel ausräumen und klären wollen, ob ein Patient denn nun an oder mit Corona gestorben ist. Einer, der dafür tote Menschen obduziert, ist Professor Dr. Bruno Märkl, Direktor des Instituts für Pathologie und Molekulare Diagnostik am Uniklinikum Augsburg. Mehr als 100 Menschen seien bislang obduziert worden, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Das sei etwa ein Drittel aller Patienten, die am Uniklinikum in Zusammenhang mit Corona gestorben sind. Das Ergebnis sei eindeutig: Die allermeisten von ihnen – Pathologe Märkl spricht von der „krassen Mehrheit“– seien direkt an Covid-19 und den daraus entstehenden Veränderungen in der Lunge gestorben.
„Die Menschen entwickeln einen diffusen Alveolarschaden“, erklärt Märkl. In den Lungenbläschen wird ein proteinreiches Sekret gebildet, der Gasaustausch wird dadurch behindert. Nach einigen Tagen beginnt sich das Gewebe zu verändern, es bilden sich Narben. „Der Raum in der Lunge, in dem noch Luft ist, wird immer kleiner“, erläutert der Mediziner. „Und dieser Prozess ist leider schwer umkehrbar und unabhängig davon, ob jemand beatmet wird oder nicht.“Letzten Endes sei es ein „inneres Ersticken“, an dem die Patienten sterben. Jede Zelle braucht Sauerstoff, um Energie herstellen zu können. Weil das schließlich nicht mehr möglich ist, versagen mehrere Organe.
Oftmals wird angenommen, töd
Verläufe träfen nur ältere Menschen mit schweren Vorerkrankungen, die auch ohne Infektion bald gestorben wären, aber „das sehen wir überhaupt nicht“, sagt Märkl. Er macht deutlich: „Die meisten könnten noch leben, wenn sie sich nicht mit dem Coronavirus infiziert hätten. Ich wünschte, ich könnte diejenigen, die an der Gefährlichkeit lauthals zweifeln, einladen, mir bei einer solchen Obduktion über die Schultern zu schauen – sie würden schnell verstummen.“
Die Obduktionsergebnisse aus Augsburg decken sich mit denen aus anderen Städten. Am Universitätsklinikum in Regensburg etwa wurden acht Patienten aus der ersten Welle im vergangenen Frühling obduziert – sieben davon seien an Corona gestorben, sagt Pathologin Dr. Katja Evert im Gespräch mit unserer Redaktion. Eine Patientin, die unter einer Leberzirrhose litt, sei mit Corona verstorben.
Die Menschen, bei denen Co
die direkte Todesursache war, seien vor der Infektion keineswegs in einem kritischen Zustand gewesen, sie hätten lediglich leichte Vorerkrankungen wie Bluthochdruck gehabt oder unter Übergewicht gelitten. „Nichts, woran man in nächster Zeit stirbt“, sagt Evert. Und auch sie ist der Ansicht: Wenn sie sich nicht mit dem Coronavirus infiziert hätten, wären sieben der acht Menschen mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit noch am Leben.
Die häufigste Todesursache, die Evert feststellte, sei ein Multiorganversagen gewesen. Das sei nicht weiter überraschend – etwas anderes indes schon: „Wir haben relativ häufig einen Befall mit pathogenen, also krank machenden Pilzen gesehen“, sagt die Ärztin. Solche Pilze fände man normalerweise nur bei Menschen, die immunsupprimiert seien, deren Abwehrkräfte also unterdrückt würden – etwa nach einer Organtransplantation oder bei Autoimmunerkrankungen.
Nun seien acht Obduktionen nicht besonders viel, räumt die Pathologin aus Regensburg ein. Aber es seien dennoch fast 50 Prozent aller Corona-Infizierten, die im Unliche tersuchungszeitraum in der Klinik gestorben seien. Evert obduziert nun auch Tote aus der zweiten Welle – die bisherigen Erkenntnisse decken sich mit denen aus den ersten Untersuchungen.
Auch im Norden Deutschlands, am Institut für Pathologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, werden Verstorbene, die sich vor ihrem Tod mit dem Coronavirus angesteckt hatten, obduziert. Seit Beginn der Pandemie wurden am Campus Kiel 42 derartige Obduktionen vorgenommen, davon 32 während der zweiten Welle. Die Erkenntnis auch hier: „In den meisten Fällen sind die Menschen tatsächlich an den Folgen der Virusinfektion verstorben. Nur bei vier Personen fand sich keine Covid-19-assoziierte Todesursache“, erklärt Professor Dr. Christoph Röcken, Direktor des Instituts für Pathologie. Über 88 Prozent der Infizierten starben ihm zufolge an einer Lungenentzündung. Auch Embolien, die das Virus im Körper verursacht, hätten in vielen Fällen zum Tod geführt.
Der Bundesverband Deutscher Pathologen kommt übrigens zu den gleichen Erkenntnissen wie die Mevid-19
Symbolfoto: Ulrich Wagner diziner in Kiel, Regensburg und Augsburg. In einer Umfrage unter vielen Pathologen, die Corona-Tote obduziert hatten, sei deutlich geworden, dass bei einem schweren Verlauf der Covid-19-Erkrankung diese in der Mehrzahl der Fälle auch die Todesursache sei. Kurzum: Die meisten Patienten sterben an Corona. Nicht mit.
Die Menschen sterben an einem Multiorganversagen