Augsburger Allgemeine (Land West)

Mit 100 noch mal einen Film drehen

Porträt Herbert Köfer war eine Schauspiel-Legende in der DDR. Er moderierte 1952 die erste Sendung im Staatsfern­sehen – und die letzte nach der Wende. Noch immer hat er jede Menge Pläne

- VON JOSEF KARG

Potsdam Wenn Leute behaupten, ihr Alter sei ja nur eine Zahl, dann wollen sie damit meist andeuten, dass sie sich erheblich jünger fühlen, als eben jene Zahl es vermuten lässt. Für gewöhnlich steckt hinter so einer Koketterie auch nichts Besonderes. In der Zeit der Silver Liner und Best Ager fühlen sich ja viele auch betagt noch ganz gut. Bei Herbert Köfer hat dieser Satz aber schon ein besonderes Gewicht.

Der Mann wird an diesem Mittwoch unglaublic­he 100 Jahre alt. Einen Superlativ hat er damit sicher: Er gilt als der älteste noch aktive Film- und Theatersch­auspieler der Republik. Bereits 1941 hatte er seinen ersten Auftritt am Stadttheat­er in Brieg (heute Brzeg) in Schlesien. Geblieben aus dieser Zeit ist sein Lebensmott­o, das er in seiner im vergangene­n Jahr erschienen­en Autobiogra­fie „99 und kein bisschen leise“preisgab: „Es gibt verdammt viele Gründe, nicht zu sterben.“

Wer aber ist dieser Herbert Köfer eigentlich, wird sich jetzt mancher trotzdem ratlos fragen. In Deutschlan­ds Osten müsste man das niemandem erklären, denn in der früheren DDR war der Schauspiel­er eine lebende Legende. Er hat in mehr als 300 Film- und Fernsehpro­duktionen mitgewirkt und ist bis heute in seinem Beruf aktiv.

Speziell ist auch, dass Herbert Köfer die erste Sendung des DDRFernseh­ens, die „Aktuelle Kamera“am 21. Dezember 1952, moderierte – und kurioserwe­ise auch die letzte Nachrichte­nsendung nach der Wende. Der gebürtige Berliner konnte im Gegensatz zu manch anderen Kollegen nach dem Fall der Mauer in Gesamtdeut­schland beruflich Fuß fassen. Erst vor knapp zwei Wochen war er im ARD-Fernsehfil­m „Krauses Zukunft“zu sehen. Auch in Serien wie „Soko Wismar“, „Soko Leipzig“, „Von Fall zu Fall“oder „Der Landarzt“war er dabei.

Seinen Ruf freilich, den hat er bereits viel früher erworben. Vor allem zu DDR-Zeiten war Köfer eine richtig große Nummer. Denn er hatte keine künstleris­chen Berührungs­ängste. Er spielte Drama genauso wie Komödie, moderierte Unterhaltu­ngssendung­en, machte auch Radio.

Seine wichtigste­n Erfolge werden trotzdem viele nicht kennen: Er selbst nennt da seine Rollen in den Defa-Filmen „Nackt unter Wölfen“(1963) und „Wolf unter Wölfen“(1964). Letzterer Film spielt 1945 im Konzentrat­ionslager Buchenwald. Köfer mimt einen SS-Offizier. Im Vierteiler „Wolf unter Wölfen“ nach dem gleichnami­gen Roman von Hans Fallada gibt Köfer einen Gutsverwal­ter. Dies war übrigens die erste Defa-Produktion, die auch in Westdeutsc­hland gezeigt wurde. Im Ost-Fernsehen feierte der Schauspiel­er mit den beliebten Serien „Rentner haben niemals Zeit“und „Geschichte­n übern Gartenzaun“weitere Erfolge. Fünfmal wurde er zum Fernsehlie­bling der

DDR gewählt. Zweimal wurde er später für sein Lebenswerk mit der „Goldenen Henne“ausgezeich­net, Deutschlan­ds vielleicht bekanntest­em Publikumsp­reis.

Das Beste an Köfer aber ist, dass er auch mit 100 Jahren mehr Pläne schmiedet als mancher Junge. Er möchte beispielsw­eise noch mal in einem Film mitwirken. Das Projekt sei bereits in der Entwicklun­g, verrät er. Mehr will er dazu noch nicht preisgeben.

Man kann jedenfalls davon ausgehen, dass der umtriebige Künstler auch hochbetagt nicht zum alten Eisen gehören will. Zumal er hofft, dass er „bei guter Gesundheit und viel Freude am Leben hier auf der Erde noch ein bisschen mitmischen darf“, wie er es formuliert. Seinen Geburtstag will Köfer, freilich mehr oder minder durch Corona erzwungen, etwas ruhiger angehen. Wie er überhaupt seit Beginn der Pandemie nicht mehr ganz so kann, wie er will. Eine Lesetourne­e mit seiner Biografie wurde gestrichen, auch Auftritte bei der Buchmesse in Leipzig.

Doch Köfer ist keiner, der jammert. Statt auf den Brettern zu stehen, die für ihn seit 80 Jahren die Welt bedeuten, hält er sich dann halt zu Hause fit. „Ich radle regelmäßig auf dem Hometraine­r, mache Hanteltrai­ning und verbringe viel Zeit an der frischen Luft“, erzählt er.

Im Grunde mag man vieles sowieso kaum glauben: Mit stolzen 92 Jahren baute er für sich und seine 40 Jahre jüngere zweite Frau Heike noch mal ein neues Haus am Seddiner See in Brandenbur­g, südwestlic­h von Berlin. Mit Schubkarre hat er sich damals ablichten lassen, sozusagen als Beweis, dass er selbst mit anpackt.

Sein größter Wunsch zum Geburtstag, den er wegen der CoronaPand­emie nicht im großen Kreis feiern darf, liest sich dagegen übrigens bescheiden: „Dass in unser Leben bald wieder Normalität einzieht.“Köfer wäre bereit dafür. Auch gegen Corona ist er nämlich schon geimpft.

80 Jahre auf den Brettern, die die Welt bedeuten

 ?? Foto: Jan Woitas, dpa ?? Ein Jahrhunder­t‰Schauspiel­er im wahrsten Sinne des Wortes: Herbert Köfer, der vor allem in der DDR Karriere auf der Bühne, in Film und Fernsehen machte, feiert an diesem Mittwoch seinen 100. Geburtstag. Sein Alter sieht man dem gebürtigen Berliner nicht wirklich an: Dieses Bild entstand Ende Oktober.
Foto: Jan Woitas, dpa Ein Jahrhunder­t‰Schauspiel­er im wahrsten Sinne des Wortes: Herbert Köfer, der vor allem in der DDR Karriere auf der Bühne, in Film und Fernsehen machte, feiert an diesem Mittwoch seinen 100. Geburtstag. Sein Alter sieht man dem gebürtigen Berliner nicht wirklich an: Dieses Bild entstand Ende Oktober.

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