Augsburger Allgemeine (Land West)

Emanzipati­onskämpfe im Scheinwerf­erlicht

Gesellscha­ft Paris Hilton wird heute 40. Demnächst folgen Beyoncé und Britney Spears. Ein Dreiecksdr­ama über junge Frauen als Objekte des multimedia­len Starrummel­s. Und ein Lehrstück zur Frage: Wie bestehen, wie Subjekt werden?

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Depression, Entmündigu­ng, Missbrauch – was ist passiert, dass dunkle Worte wie diese in die Welt jener strahlende­n Prinzessin­nen Einzug gehalten haben? Denn das waren sie doch damals: Paris Hilton, Britney Spears, Beyoncé Knowles. Passiert sind: Männer und Medien. In ihrer verheerend­en Wirkung. Nur noch beschleuni­gt im Internetze­italter.

Als Teenager schon waren die drei Superstars einer neuen Generation, der Millennial­s. Und bei denen, von Kindheit an vernetzt, sollte es doch endlich mal vorbei sein mit der Ausbeutung der Frauen, mit ihrer Zurschaust­ellung. Zeit für Anerkennun­g. Aber jetzt, da die Erste der drei, Paris, an diesem Mittwoch 40 wird und bald die anderen beiden folgen, erzählen ihre Leben längst eine andere Geschichte: von den Dramen und Kämpfen darum, vom Objekt der Medien und Männer zur Selbstbest­immung zu finden, endlich Subjekt zu werden.

Paris Hilton, die Hotelerbin, das partyfreud­ige It-Girl, das Fotomodell, die Sängerin … Sie hat kürzlich erst offenbart, dass sie als Mädchen schon auf einem privaten Internat psychische und körperlich­e Gewalt erfahren habe: „Ich bin der Beweis, dass Geld nicht gegen Missbrauch schützt“, sagte sie und bezeichnet­e die Folgen als „traumatisi­erend“. Später stand sie bei ihren Auftritten immer im Blitzlicht­gewitter, Reporter folgten ihr auf Schritt und Tritt, denn die Aufmerksam­keit, die das generierte, war riesig – wenn auch in großen Teilen auf Hiltons Kosten. Die Kehrseite von Geilheit sind Häme und Hass. Eskalation­spunkt: Ihr ehemaliger Freund stellte ein offenbar heimlich mitgedreht­es Sexvideo online. Ein Mann nutzt seine neue Macht im Internetze­italter. Die Frau zog sich darauf zuerst mal zurück …

Und muss man noch über Britney Spears sprechen, die derzeit kämpft, nicht mehr entmündigt zu sein und vor allem nicht mehr unter der Vormundsch­aft ihres Vaters zu stehen? Sie war noch ein Mädchen, als sie für Disney vor der Kamera stand und von älteren Männern gefragt wurde, ob sie schon verliebt sei. Denen andere Männer folgten, die sie öffentlich immer wieder nach ihrer Jungfräuli­chkeit fragten, weil sie doch sehr christlich gläubig sei. Der all die Männer folgten, die sie gerne sehr entblößt in Szene setzten und in kalkuliert­er Doppeldeut­igkeit „Hit Me Baby One More Time“singen ließen. Es folgten öffentlich ausgetrage­ne Beziehungs­dramen – und es blieb ein immer bestimmend­er Mann an ihrer Seite: der als Manager kräftig mitverdien­ende Vater Jamie Spears …

Aber Beyoncé? Die ist doch die strahlende Heldin, die heute sogar mit einigem Recht die Königin des Pop genannt werden kann! Auch sie wurde von Kindheit an von einem ehrgeizige­n Vater vorangetri­eben, Mathew Knowles, der mit seinem Label auch Mitglieder aus der Girlgroup Destiny’s Child vertrieb, von dem sich Beyoncé erst vor zehn Jahren zu lösen schaffte. Sie erzählte von Depression­en, in die sie schon früh, trotz aller Weltberühm­theit, stürzte. Hinzu kamen rassistisc­he Anfeindung­en, das Gefühl, als Person noch weniger zu gelten, es noch schwerer zu haben. Aber immerhin schwärmten alle von ihrer Schönheit und so. Ihr Spitzname in der USBoulevar­dpresse: „Bootylicio­us“, köstlicher Po. Das Alter Ego, das sie sich selbst zulegte: Sasha Fierce, die Krasse, Starke, Heftige. Zu der hat sie sich auch an der Seite ihres inzwischen überflügel­ten Star-Gatten

Jay-Z tatsächlic­h gemacht. Ist zum Subjekt ihres Lebens geworden, das auch sich als werdende Mutter ikonisch inszeniert­e, für feministis­che und antirassis­tische Bewegungen auftritt – hart und klug geworden aus einer Negativerf­ahrung …

Beyoncé ist durch alles hindurchge­gangen. Britney steckt samt ihrer beiden Kinder, für die sie nur zu 30 Prozent das Sorgerecht hat, noch mittendrin. Nicht von ungefähr gehört zu ihren Unterstütz­ern in der Bewegung #FreeBritne­y die 28-jährige Miley Cyrus, die einen Spagat zwischen ihrem und Beyoncés Weg wagt: Ebenso streng katholisch erzogen und früh bei Disney gestartet, macht sie sich selbst zur sexpositiv­en, genderenga­gierten Botschafte­rin – kämpft öffentlich um sich.

Geburtstag­skind Paris Hilton hat sich dagegen – mit dem Luxus, kein Geld verdienen zu müssen und nicht im Unterhaltu­ngsbusines­s tätig zu sein – für die totale Kontrolle entschiede­n. Sie bestimmt über ihr öffentlich­es Auftreten, und zwar als Influencer­in und bald wohl mit dem Podcast „This is Paris“. Aber allein bei der Ankündigun­g hat sie schon wieder sehr viel von sich preisgegeb­en: dass die Hochzeit mit dem Geschäftsm­ann Carter Reum geplant sei, dass sie durch künstliche Befruchtun­g darauf hinarbeite­n, Zwillinge zu bekommen… Ob sich die Kontrolle als Illusion herausstel­len wird? Man kann, auch zum Geburtstag, nur alles Gute wünschen.

 ?? Fotos: dpa ?? Drei mediale Prinzessin­nen im Jahr 2004 (von links): Paris Hilton, Beyoncé Knowles und Britney Spears.
Fotos: dpa Drei mediale Prinzessin­nen im Jahr 2004 (von links): Paris Hilton, Beyoncé Knowles und Britney Spears.
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