Augsburger Allgemeine (Land West)
„Es funktioniert“
Schulbesuch Jeden Tag treffen sich Klassen per Videokonferenz. Technisch ist sogar ein digitaler Schulspaziergang möglich. Capito hüpfte durch die Grund- und Mittelschule Oettingen
Durch eine Schule zu laufen, in die einzelnen Klassenräume zu blicken, mal kurz Hallo zu sagen oder eine Runde in der Pause zu ratschen – das vermissen gerade viele Schülerinnen und Schüler. Digital ist das aber auch möglich. Das Capito-Team durfte am Montag einige digitale Klassenzimmer der Grund- und Mittelschule Oettingen besuchen. Mit richtigem Stundenplan.
● 3/4KombiKlasse Los geht’s um 8.30 Uhr in der Grundschule. Ich bin der Überraschungsgast der 3/4-Kombiklasse, in der Dritt- und Viertklässler zusammen lernen. Förderlehrerin Daniela Baumann hatte mich gebeten, vorher einen Klebezettel auf die Kamera meines Tablets zu kleben. Als Erstes gibt es ein kleines Chatgewitter zum Aufwachen. Die Kinder dürfen sich im Chat einen Smiley ihrer Wahl aussuchen, der ihre Stimmung widerspiegelt, und dann schicken sie es gleichzeitig ab. Dann ist mein Auftritt – Kamera funktioniert, Ton aber nicht. Halloooo? Noch einmal einwählen. Jetzt aber. Die Verbindung ist schlecht. Zu viele Teilnehmer. Alle machen die Kameras aus. Jetzt ist’s etwas besser.
Ich spreche mit den Jungen und Mädchen über Internetsicherheit. Nach einem kleinen Vortrag schickt mich die Lehrerin erst mit der 4. Klasse in einen eigenen Gruppenraum, dann mit der 3. Klasse und ihrer Lehrerin Nadja Bee in einen anderen. Dort stellen mir die Kinder weitere Fragen und ich erfahre, dass sich einige Kinder auf den Wechselunterricht nächste Woche freuen. Es gibt aber auch welche, die am Homeschooling mögen, dass sie etwas länger schlafen und nicht so lange mit dem Bus fahren müssen. Am Ende machen alle Kinder noch ein Klebezettel-Versteckspiel. Sie verdecken die Kamera kurz und als sie wieder auftauchen, sind einige von ihren verkleidet. Fasching! Mein Handy klingelt: Da klopft digital schon die nächste Klassenlehrerin an. Tschüss. Ich muss weiter.
● Klasse 8M Mit ein paar Minuten Verspätung treffe ich in der Klasse 8M ein. Meine Handykamera spinnt. Ich kann mich nicht selber im Bildschirm sehen, der Kameraknopf funktioniert nicht, egal. Hauptsache ich sehe die anderen und die mich. Lehrerin Angela Holzner strahlt vor Freude. Seit langem mal wieder sieht sie die Gesichter ihrer Schülerinnen und Schüler. Normalerweise haben die Jugendlichen die Kameras aus, weil die Übertragung sonst zu schlecht ist. Oder sie keine Lust
haben, sich zu zeigen. Aber für den Capito-Besuch ist’s heute anders. Wir sprechen über die Zeitung, wie sie entsteht und wie die Themen ausgesucht werden. Und natürlich sind auch die gestrichenen Faschingsferien Thema am eigentlich ersten Ferientag. Die ganze Klasse findet es ungerecht, dass diese Woche Schule ist. Homeschooling sei anstrengender als normaler Unterricht, weil die schönen Sachen wegfallen und viel Stoff vermittelt werde. Dennoch gibt es einige Distanzunterricht-Fans in der Klasse (siehe unten). Frau Holzner hat festgestellt: „Die Schülerinnen und Schüler müssen nun selbstständiger mitmachen und nachfragen, wenn sie etwas nicht verstanden haben. Ich kann nicht ahnen, wenn jemand
gerade etwas nicht mitkommt und die Kamera aus ist.“Während sie das sagt, schickt mir Lehrer Michael Turan eine Nachricht. Die 7M wartet.
● Klasse 7M Ein Klick und ich bin im nächsten digitalen Klassenzimmer. Die zwölf Mädchen und fünf Jungen der 7M treffen sich jeden Morgen zur Videokonferenz und besprechen mit ihrem Klassenlehrer, was ansteht. Heute ist auch Englischlehrerin Cansu Tuncay dabei. Sie und Herr Turan sind froh, dass nun im zweiten Lockdown das Homeschooling funktioniert. Sie sind aber auch gespannt, wie viel Stoff wirklich hängen bleibt. Auch Herr Turan tut sich schwer damit, dass die Kameras häufig aus sind und er zu schwarzen Kacheln sprechen muss: „So ist das Unterrichten megaschwer, da fehlt die Rückmeldung über die Augen.“Frau Tuncay unterrichtet ein Fach, in dem es auch sehr auf Mund und Ohren ankommt: Um eine Fremdsprache zu lernen, muss man sie auch hören und sprechen. Am besten mit anderen. Das ist im Homeschooling schwieriger als in der Schule. Frau Tuncay verschickt TonDateien an die Schüler – aber das sei nicht dasselbe wie Englischunterricht in der Schule. „Mündlich geht da gerade etwas verloren“, sagt sie. Wir sprechen noch etwas über die Welt und wie es Menschen in anderen Ländern geht. „Eigentlich haben viele hier bei uns Luxusprobleme“, fasst Mattea zusammen. ● Klasse 9a/b M Ich habe kurz darauf ein großes Luxusproblem: Vor meiner letzten Homeschooling-Stunde streikt meine Kamera komplett. Zusammen mit den Klassenlehrern Marion Leister und Klaus Herrmann trickse ich aber die Technik aus. Schon wieder was gelernt. „Wir lernen ständig gegenseitig, ich habe schon viel von den Schülern gelernt“, sagt Herr Herrmann. Frau Leister ergänzt: „Es ist auch schön zu sehen, dass sich die Schüler untereinander helfen.“31 Kinder sind anwesend, ich sehe die meisten aber nicht. Sich per Video zu sehen, sei ihnen nicht so wichtig, sagt eine Schülerin. Fürs Klassenfoto machen viele die Kamera dann aber doch an. Wir sprechen noch digital über die Zeitungswelt und dann ist um 13 Uhr auch schon meine letzte Stunde vorbei. Ich kann jetzt gut nachvollziehen, warum sich so viele Kinder, Eltern und Lehrer Ferien gewünscht haben. Homeschooling ist selbst als Gast anstrengend.