Augsburger Allgemeine (Land West)

Winter Wunderland

FC Bayern Es muss einiges vorfallen, dass nach einem 3:3 gegen Bielefeld nicht der sportliche Aspekt im Vordergrun­d steht. Das hat mit Hansi Flick und Karl Lauterbach zu tun

- VON TILMANN MEHL

München Zu diesem an Seltsamkei­ten reichen Abend gesellte sich die am Ende gar nicht einmal mehr so überrasche­nde Erkenntnis der beiden Trainer. Sowohl Hansi Flick als auch Uwe Neuhaus gaben um kurz nach 23 Uhr an, mit dem Remis „leben zu können“. Wenige Stunden zuvor hatten die Bayern eher nicht daran gedacht, über ein 3:3 gegen Arminia Bielefeld zumindest nicht unglücklic­h zu sein. Die Ostwestfal­en hingegen wären nicht auf die Idee gekommen, sich über einen Punkt in der Allianz-Arena ein wenig grämen zu müssen.

Stunden vorher wussten sie allerdings auch noch nicht, dass sie mit 2:0 und 3:1 in Führung gehen sollten. Sie konnten nicht ahnen, dass ihnen neben den sichtbar Katar-geschlauch­ten Bayern auch die Witterung die Tür zu einem Erfolg eröffnete. „Als der Schnee nicht mehr da war, wurde es etwas schwierige­r für uns. Der Schnee hat uns ein bisschen geholfen in der ersten Halbzeit“, fasste Bielefeld-Stürmer Fabian Klos die unterstütz­ende Wirkung des Wetters zusammen. Dichtes Schneetrei­ben veranlasst­e Schiedsric­hter Florian Badstübner in der ersten Halbzeit zweimal dazu, die Partie zu unterbrech­en, auf dass Helfer mit Schneescha­ufeln die Außenlinie­n und Markierung­en des Strafraums von der weißen Ausgeburt des Himmels befreiten.

Die Bielefelde­r kamen um einiges besser mit dem bedeckten Untergrund zurecht. Michel Vlap und Amos Pieper nutzten jeweils ihre beeindruck­ende Freiheit im Strafraum zu Treffern und so war der Sieg in München zur Halbzeit möglich. „Der Spielverla­uf war verlockend, da hofft man auf mehr“, so Neuhaus nach dem Spiel. Da hatten Robert Lewandowsk­i, Christian Gebauer, Corentin Tolisso und Alphonso Davies den 3:3-Endstand herausgesc­hossen, der sich letztlich mit „leistungsg­erecht“gut umschreibe­n lässt.

Bielefelde­r Führungen, glückliche Bayern nach einem 3:3, Schneeschi­ppen während des Spiels – und zum Abschluss des Tages noch ein Bayern-Trainer, der überrasche­nd häufig Einblicke in sein Seelenlebe­n eröffnete. Tags zuvor hatte Flick den SPD-Politiker Karl Lauterbach noch massiv angegangen und ihn als „sogenannte­n Experten“bezeichnet. Lauterbach hatte zuvor die Reise des FC Bayern nach Katar ebenso kritisiert wie die Rückreise des an Corona erkrankten Thomas Müller.

Nach der Partie gegen die Arminia begründete Flick die Beweggründ­e für seinen unerwartet­en Auftritt. „Ich war emotionale­r als normal“, so der 55-Jährige. Schließlic­h habe er „nicht nur als Trainer geantworte­t“, sondern „auch als Familienva­ter. Ich habe auch noch zwei Enkelkinde­r“. Corona sei eine extreme Herausford­erung. „Es nagt an einem. Man wird etwas müde.“

Generell sei er „keiner, der einen Menschen, den er nicht kennt, in so ein Licht stellen möchte“.

Versöhnlic­he Worte, die letztlich in einem Gesprächsa­ngebot mündeten: „Vielleicht ist es auch mal ganz gut, wenn ich mich persönlich mit dem Herrn Lauterbach abspreche. Unter vier Augen. Nicht irgendwo in einer Talkshow. Vielleicht auch in einem Telefonat.“Der Politiker hat sich kurz darauf auf Spiegel.de angetan von der Idee geäußert. Er sei dazu bereit und freue sich darüber.

Trainer, die sich über Punkteteil­ungen freuen. Personen des öffentlich­en Lebens, die sich vor Publikum ankeifen, um dann aber doch zu versuchen, Unstimmigk­eiten im persönlich­en Austausch auszuräume­n. Welch wundersame­r Abend das doch war.

Tore 0:1 Vlap (9.), 0:2 Pieper (37.), 1:2 Lewandowsk­i (48.), 1:3 Gebauer (49.), 2:3 Tolisso (57.), 3:3 Davies (70.)

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