Augsburger Allgemeine (Land West)

„Er hat an die Tür geklopft“

Australian Open Alexander Zverev und Novak Djokovic liefern sich ein Viertelfin­ale mit viel Auf und Ab. Am Ende verpasst der Hamburger die Möglichkei­t auf sein zweites Halbfinale – und womöglich noch viel mehr

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Melbourne Mit der Endspiel-Chance vor Augen hat Alexander Zverev gegen die Nummer eins nicht den Weg in sein zweites Halbfinale bei den Australian Open gefunden. In einem lange Zeit seltsamen TennisMatc­h unterlag der Weltrangli­stenSiebte dem angeschlag­enen Titelverte­idiger Novak Djokovic 7:6 (8:6), 2:6, 4:6, 6:7 (6:8). Der 23 Jahre alte Hamburger vergab damit am Dienstag in Melbourne die große Möglichkei­t, nach dem knapp verlorenen US-Open-Finale im Vorjahr erneut, um seinen ersten Grand-Slam-Titel zu kämpfen.

„Er hat an die Tür geklopft. Ein, zwei Fehler im ungünstige­n Moment haben den Ausschlag gemacht“, sagte Boris Becker als TVExperte von Eurosport über das Match mit viel Auf und Ab. „Bis zum letzten Punkt hätte es in beide Richtungen ausgehen können“, sagte Djokovic auf dem Platz. Der an einer Bauchmuske­lverletzun­g leidende Sieger trifft im Halbfinale am Donnerstag überrasche­nd auf den russischen Qualifikan­ten Aslan Karazew. Der 27 Jahre alte 114. der Weltrangli­ste besiegte den am Rücken verletzten Bulgaren Grigor Dimitrow 2:6, 6:4, 6:1, 6:2.

Auch die deutsche Nummer eins war zuletzt nicht beschwerde­frei. „Dem Bauch und Sascha geht es ganz gut“, sagte Zverevs älterer Bruder Mischa aber vor dem Match bei Eurosport. Zverev hatte Probleme mit der Bauchmusku­latur, allerdings wohl nicht so sehr wie Djokovic. Der 33-Jährige hatte nach den vergangene­n beiden Matches erklärt, bei einem anderen Turnier als einem Grand Slam hätte er zurückgezo­gen.

Keine zwei Wochen nach der knappen Drei-Satz-Niederlage beim ATP Cup an gleicher Stelle gelang Zverev mit dem schnellen 2:0 ein Start nach Maß. In der 15000 Zuschauer fassenden, wegen des zunächst bis Mittwoch geltenden Lockdowns aber nahezu menschenle­eren Rod-Laver-Arena entwickelt­e sich das achte Duell der beiden zunächst ganz anders als die vergangene­n. Djokovic suchte für seine Verhältnis­se häufig schnell die Entscheidu­ng. Mit Hinweis auf seine Beschwerde­n hatte er angekündig­t, seine Spielweise etwas anzupassen. „So habe ich es, glaube ich, noch nie gesehen, dass er so schnell auf die Punkte geht, gerade auf der Vorhandsei­te“,

sagte Becker erstaunt. Der Wimbledons­ieger kennt Djokovic aus seinen drei Jahren als dessen Trainer bestens. Einen Satzball zum 3:6 wehrte der achtmalige Australien-Champion ab, dann schaffte er urplötzlic­h mit gewohnter Konstanz den Ausgleich zum 5:5. „Das ist die normale Spielweise, mit Geduld und Länge“, sagte Becker im engen Tiebreak. Zverev wollte diesmal erstmals mit voller Kraft aufschlage­n und nutzte den dritten Satzball. Doch Djokovic war nun besser im Match und reagierte im Stil eines 17-fachen Grand-Slam-Champions. Nach einer blitzschne­llen 4:0-Führung glich er aus, Zverev antwortete mit dem 3:0 im dritten Satz. Weil ihm das Rebreak nicht gelang, zerhackte der bis dahin komplett ruhige Djokovic seinen Schläger. Doch mit zwei Doppelfehl­ern gab der zuvor stabile Zverev danach den Vorsprung aus der Hand und holte kein Spiel mehr. Djokovic brüllte seine

Freude über die 2:1-Satzführun­g heraus – und ließ Zverev wieder davonziehe­n. Der 3:0-Vorsprung war aber sofort wieder weg, in der intensiven und längst auch hochklassi­gen Partie wehrte der Weltrangli­stenErste einen Satzball per Ass ab und schaffte im Tiebreak erneut mit einem Ass nach 3:31 Stunden die Entscheidu­ng. Gegen Karazew ist Djokovic nun klarer Favorit. Der 27-jährige Russe ist laut Weltrangli­ste der am niedrigste­n notierte Spieler im Halbfinale von Melbourne seit Patrick McEnroe im Jahr 1991.

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Foto: dpa Alter Meister: Djokovic, 33, besiegte den zehn Jahre jüngeren Zverev.

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