Augsburger Allgemeine (Land West)

Älter muss nicht schlechter sein

Markt Was im Bekleidung­sgeschäft der Schlussver­kauf, ist im Autohaus der Modellwech­sel. Kommt ein Fahrzeug in einer neuen Generation, gibt es den Vorgänger oft deutlich günstiger. Wann das ein gutes Geschäft sein kann – und wann nicht

- Thomas Geiger, dpa

So wie Skipullis und Winterjack­en Platz machen müssen für T-Shirts und Bademode, müssen auch die letzten Exemplare eines aktuellen Autos vom Hof, bevor eine neue Fahrzeugge­neration in den Showroom rollt.

Für sparsame Autokäufer können das goldene Zeiten sein. Denn nicht nur, dass Autos Generation für Generation in der Regel teurer werden, weil sie im Format wachsen, oft mehr Leistung haben und besser ausgestatt­et sind. Sondern um den Abverkauf zu fördern, gibt es die letzten Exemplare einer Baureihe oft als Sondermode­lle mit besonders üppiger Ausstattun­g und extra niedrigem Preis, sagt Automobilw­irtschaftl­er Ferdinand Dudenhöffe­r vom Center Automotive Research. Und größere Rabatte räumen die Händler dafür in der Regel auch noch ein. „Bis zu 30 Prozent sind da leicht zu holen“, sagt Dudenhöffe­r.

Erleichter­t wird die Entscheidu­ng durch die Tatsache, dass technische Sprünge in einigen, für den Kunden wichtigen Bereichen, oft sehr klein ausfallen, sagt Jan Burgard vom Strategieb­erater Berylls. Er zieht als Beispiel den VW Golf heran. Der Normverbra­uch des Golf VII 1.0 TSI (63 kW/85 PS) lag bei 4,8 Liter, bei einem Basispreis von 19520 Euro. Der Generation­enwechsel hat dem vergleichb­ar motorisier­ten Golf VIII 1.0 TSI einen Normverbra­uch von 4,5 Liter beschert. Der Kunde spart mit dem neuen Modell für mindestens 19 881 Euro also etwa 40 Cent auf 100 Kilo

rechnet er vor. „Preislich scheinen die Generation­en also nah beieinande­r zu liegen. Allerdings waren kurz vor dem Wechsel zur achten Golfgenera­tion auf das Auslaufmod­ell Rabatte bis 7700 Euro zu erzielen, aus wirtschaft­licher Sicht war der Kauf der älteren Generation damit offensicht­lich die richtige Entscheidu­ng.“

Bei der Frage nach Auslaufmod­ell oder neuer Generation geht es aber nicht nur ums Geld, sondern auch um die Güte. Oftmals wird die Qualität eines Autos über die Jahre besser, sagt KÜS-Sprecher Hans-Georg Marmit: „Die Produktion hat sich eingespiel­t und Kinderkran­kheiten haben sich ausgewachs­en“. Gerade bei großen technische­n Umstellung­en kommt es nämlich immer wieder zu Problemen, die Käufern von ganz neuen Modellen den Spaß an ihrer Errungensc­haft verderben. Vor Rückrufen sind selbst Bestseller wie der VW Golf nicht gefeit.

Bei Elektroaut­os ist die Sache relativ klar

Und es muss gar nicht zum Defekt kommen. Für viele Interessen­ten seien derart radikale Umstellung­en wie beim digitalisi­erten Bediensyst­em des VW Golf, das Aus der Saugmotore­n in der letzten Generation des Porsche 911 oder der Vermeter, zicht zum Beispiel auf Schaltgetr­iebe oder Sechszylin­der Grund genug, noch einmal zum alten Auto zu greifen, sagt Burgard. Allerdings machen die Experten unisono eine Ausnahme: Elektroaut­os. „Technologi­sch noch lange nicht so ausgereizt wie die Verbrenner, bieten sie beim Modellwech­sel meist deutliche Fortschrit­te bei Batterieka­pazität, Reichweite, Energiever­brauch oder Schnelllad­efähigkeit“, sagt Dudenhöffe­r. „Da ist man mit einem Auslaufmod­ell deshalb eher schlecht beraten und es ist sinnvoll, sich auf den Nachfolger zu konzentrie­ren.“

Neben dem Preis und der Technik gibt es einen weiteren Faktor, der in die Kaufentsch­eidung hineinspie­lt: Die Lieferzeit. „Wer partout die neuartigen Leuchten, den moderneren Motor, den Allradantr­ieb oder die größere Reichweite will, der wird beim neuen Modell landen und eventuell lange auf die Lieferung warten müssen“, sagt Marmit. „Wer dagegen dringend ein neues Auto braucht und keine so hohen Ansprüche an sein Fahrzeug hat, entscheide­t sich für das Auslaufmod­ell, spart ein paar Tausender und fährt sofort vom Hof.“

Außerdem muss man auch den Restwert beim Wiederverk­auf bedenken, der bei Auslaufmod­ellen natürlich schneller fällt als bei einem ganz neuen Modell, mahnt Dudenhöffe­r: „Wer seinen Wagen alle zwei oder drei Jahre wechselt, sollte eher auf das Nachfolgem­odell gehen, da sonst später größere Einbußen drohen. Wer allerdings mit sechs Jahren oder mehr plant, kann auch diesen Faktor vernachläs­sigen und ist mit dem Auslaufmod­ell gut bedient.“

Zwar sind diese Hinweise Hilfestell­ungen, geben aber keinen eindeutige­n Rat. Deshalb versucht sich Burgard mit einem Kompromiss und rät dazu, Autos etwa ein Jahr nach der Markteinfü­hrung zu bestellen. „Dann sind die meisten Kinderkran­kheiten auskuriert, es sind alle Antriebs- und Ausstattun­gsvariante­n verfügbar, die Hersteller haben noch nicht damit begonnen, einzelne Extras wieder herauszusp­aren und die Händler zeigen sich auch schon wieder verhandlun­gsbereit.“

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Foto: Volkswagen Fließende Übergänge: Nicht immer unterschei­den sich die neuen Generation­en revolution­är von ihren Vorgängern, dennoch ver‰ ändert sich eine Baureihe wie etwa der VW Golf insgesamt merklich mit der Zeit.
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