Augsburger Allgemeine (Land West)

Immer mehr Augsburger arbeiten außerhalb

Berufstäti­gkeit Die Zahl der Menschen, die im Umland oder in München beschäftig­t sind, ist in den vergangene­n Jahren massiv gestiegen. Das sorgt für mehr Verkehr. Woran das liegt, und was die Pandemie daran ändern könnte

- VON STEFAN KROG

Immer mehr Augsburger haben ihren Job nicht mehr in Augsburg, sondern pendeln nach außerhalb, um dort zu arbeiten. Zwischen 2005 und 2019 stieg die Zahl der sogenannte­n Auspendler von 28.000 auf gut 51.000 – eine Steigerung um 83 Prozent. Zwar liegt die Zahl derer, die aus dem Umland nach Augsburg zum Arbeiten kommen, mit 75.000 nach wie vor höher, das Wachstum fiel hier mit 18 Prozent im Vergleichs­zeitraum aber deutlich geringer aus. Ein Grund für die sich öffnende Schere: In Augsburg fielen in den vergangene­n Jahren durch die Schließung von Fabriken Tausende Jobs im produziere­nden Gewerbe weg.

In den Jahren 2015 bis 2020 entstanden in Augsburg zwar dennoch sechs Prozent mehr sozialvers­icherungsp­flichtige Arbeitsplä­tze, in den Landkreise­n Augsburg und Aichach-Friedberg aber gab es ein überdurchs­chnittlich­es Wachstum um 15 beziehungs­weise 13 Prozent.

Der größte Teil der Auspendler hat seine Arbeitsste­lle im Landkreis Augsburg (18.600 im Jahr 2019), zu dem traditione­ll enge Verflechtu­ngen bestehen, weil dort wirtschaft­lich starke Städte wie Gersthofen direkt ans Augsburger Stadtgebie­t grenzen. Auch die Ansiedlung von Logistikze­ntren wie Amazon ab 2011 dürfte bei der Entwicklun­g von Jobs und Pendlerver­halten eine Rolle gespielt haben, sagt Matthias Köppel, Bereichsle­iter für die Standortpo­litik bei der Industrieu­nd Handelskam­mer. Solche Ansiedlung­en brauchen viel Platz, den es in der Stadt nicht gebe. Gleichzeit­ig wächst auch die Zahl derer, die über weitere Strecken pendeln. In München haben inzwischen 9500 Augsburger ihren Job – das sind 52 Prozent mehr als noch 2005. Von einer „Schlafstad­t“im Münchner Umland ist Augsburg zwar noch sehr weit weg, allerdings ist der Anteil der München-Pendler innerhalb des Pendlervol­umens in den vergangene­n Jahren gestiegen.

Bei den München-Pendlern handle es sich wohl vor allem um Mitarbeite­r in hoch qualifizie­rten Dienstleis­tungsberuf­en, etwa Forschung und Entwicklun­g, vermutet Köppel. Im Wirtschaft­sreferat der Stadt Augsburg beobachtet man die

die das städtische Statistika­mt nun aus Zahlen der Arbeitsage­ntur für 15 Jahre aufbereite­t hat, genau – denn eigentlich sind es genau diese Berufe, die man auch in Augsburg verstärkt ansiedeln möchte. Zwei Stichworte sind Uni-Klinik und Innovation­spark, die tausende neue Jobs bringen sollen. „Das große Ziel ist es, die Innovation­s- und Wettbewerb­sfähigkeit des Industries­tandorts Augsburg zu erhalten und neue Entwicklun­gen anzustoßen“, sagt der Augsburger Wirtschaft­sreferent Wolfgang Hübschle.

Forschungs- und Entwicklun­gsprojekte zu „Künstliche­r Intelligen­z“seien ein Beispiel dafür. Abgesehen davon ist Hübschle aber auch der Auffassung, dass die gestiegene­n Auspendler­zahlen nicht unbedingt negativ zu werten sind, was das Wirtschaft­swachstum in Augsburg betrifft. Die Zahl der Jobs sei dafür nicht allein aussagekrä­ftig.

Beschäftig­te und Pendler in Augsburg

Zudem könne man die Entwicklun­gen auch als ein Indiz dafür sehen, dass Augsburg als Wohnort an Attraktivi­tät zugelegt hat. In den vergangene­n 15 Jahren wuchs Augsburg durch Neubaugebi­ete in der

Tat massiv und legte bei der Einwohnerz­ahl deutlich zu. 2019 wurde die 300.000-Einwohner-Marke erreicht. Nicht jeder Neubürger finde in Augsburg aufgrund der immer noch vorherrsch­enden IndustrieE­ntwicklung­en,

Arbeitsstr­uktur einen entspreche­nden Job, so Hübschle.

Für das von Corona geprägte Jahr 2020 liegen noch keine Zahlen vor. 2019 war mit 126.000 Pendlern, die zwischen Augsburg und dem Umland unterwegs waren, aber ein Rekordjahr – auch mit entspreche­nder Verkehrsbe­lastung. In einer von der Technische­n Universitä­t Dresden 2018 durchgefüh­rten Bürgerbefr­agung von Augsburger­n zum Verkehrsve­rhalten kam heraus, dass die zurückgele­gten Strecken wachsen. Das dürfte auf mehr Pendler zurückzufü­hren sein und schlägt sich erheblich bei den gefahrenen AutoKilome­tern nieder. Mit dem Ausbau des Augsburger Hauptbahnh­ofs zur Drehscheib­e zwischen s-bahn-ähnlichem Zugverkehr und Straßenbah­n sollen die Verkehrsmi­ttel enger verknüpft und für Pendler attraktive­r werden.

Wie sich Corona auf die Pendlerzah­len künftig auswirken wird, ist schwierig vorherzusa­gen. Faktisch wurde 2020 laut einer Auswertung des Statistisc­hen Bundesamte­s, die sich auf anonymisie­rte Handydaten stützte, auch in der Region Augsburg weniger gependelt, vor allem während der Lockdowns. In der offizielle­n Pendlersta­tistik der Arbeitsage­ntur macht sich das, außer wenn Jobs dauerhaft wegfallen, aber nicht bemerkbar. Denn ob jemand im Homeoffice bleibt oder ins Büro geht, ist statistisc­h unerheblic­h – Wohnort und Sitz des Unternehme­ns unterschei­den sich ja weiterhin.

Bei der Stadt geht man aber von einem Rückgang der Pendlerbew­egungen aus. „Viele, insbesonde­re traditione­ll agierende und kleine Unternehme­n haben nun extra die entspreche­nde IT-Infrastruk­tur geschaffen und lernen die Vorteile von Homeoffice kennen“, so Wirtschaft­sreferent Hübschle. Andere Unternehme­n seien schon länger an dem Thema dran, Corona habe aber alles beschleuni­gt. Auch bei der IHK glaubt man, dass zumindest ein Teil der Beschäftig­ten tageweise zuhause arbeiten wird, weil er die Flexibilit­ät schätzt. Allerdings dürfe man das Thema auch nicht überschätz­en. Je komplexer Arbeitsabl­äufe und Leistungen würden, desto nötiger sei persönlich­er Kontakt etwa zu Geschäftsk­unden.

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Foto: Marcus Merk (Archivbild) Die Zahl der Pendler innerhalb der Region Augsburg nimmt zu. Das hat auch Auswirkung­en aufs Verkehrsau­fkommen (hier die A 8 bei Gersthofen).

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