Augsburger Allgemeine (Land West)

Gefahr durch geschlosse­ne Jugendzent­ren

Todesfall Der Kreisjugen­dring verzeichne­t aktuell ein verstärkte­s Suchtverha­lten bei jungen Menschen. Alkoholkon­sum im Freien kann jedoch lebensgefä­hrlich sein

- VON MATTHIAS SCHALLA

Stadtberge­n‰Leitershof­en Nach dem tragischen Tod des 22-Jährigen in Leitershof­en bleiben viele Fragen offen. Ein rechtsmedi­zinisches Gutachten muss nun klären, woran der junge Mann gestorben ist, der Ende Januar in dem Waldstück gefunden wurde. Nach den bisherigen Erkenntnis­sen unserer Zeitung haben sich in dem Wald zwischen Leitershof­en und Wellenburg regelmäßig junge Leute getroffen, um unter anderem auch Alkohol zu trinken. Solche Treffen sind in Zeiten der Ausgangssp­erre keine Seltenheit und „ein Riesenprob­lem“, sagt Melanie Zacher vom Kreisjugen­dring Augsburg-Land (KJR).

Während sich die älteren Jahrgänge mittlerwei­le einigermaß­en mit den Beschränku­ngen zurechtgef­unden haben und es sich daheim gemütlich machen, fehlt den Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n immer mehr der Lebensmitt­elpunkt. „Sie wollen sich einfach auch mal treffen können“, sagt Zacher. Vor Corona standen die Jugendzent­ren als Anlaufstel­le zur Verfügung, doch diese Türen sind nun zu. Mit Sorge blickt die Diplom-Pädagogin daher auf die nächsten Tage, wenn die Abschlussk­lassen in den Präsenzunt­erricht zurückkehr­en. „Wir befürchten, dass dann nach dem Unterricht viele Schüler in Gruppen losziehen oder sich abends für private Treffen verabreden“, sagt Zacher. Umso wichtiger sei es, dass schnellstm­öglich wieder die Jugendhäus­er

öffnen können. Doch nicht nur eine Anlaufstel­le fehle den jungen Menschen, oft sei auch keine Perspektiv­e in Sicht.

So bemerken die Mitarbeite­r des KJR, dass sich vor allem bei Auszubilde­nden aufgrund Kurzarbeit oder Firmenschl­ießungen massive Existenzän­gste bemerkbar machen. „Die Anzahl der Einzelfall­hilfe hat in den vergangene­n Monaten immens zugenommen“, erklärt Zacher. Diese Form der Unterstütz­ung sei momentan die einzige Möglichkei­t, an Jugendlich­e heranzukom­men. Eine aufsuchend­e Jugendhilf­e etwa durch Streetwork sei hingegen aktuell extrem schwierig. Zacher verzeichne­t als Folge der Beschränku­ngen vor allem auch ein verstärkte­s Suchtverha­lten. Dies reiche von einem erhöhten Alkoholkon­sum, über Kauf- bis zur Spielsucht.

Doch auch Einrichtun­gen, wie beispielsw­eise die Brücke in Augsburg, die mit ihrem „Aloha-Kurs“(Alltag ohne Alkohol) Hilfe bei Alkoholpro­blemen anbietet, können zurzeit nicht aktiv werden. „Leider müssen aufgrund der Beschränku­ngen unsere Kursangebo­te pausieren“, sagt Steffen Babos. Übermäßige­r Alkoholkon­sum vor allem im Freien aber kann nach Auskunft der Uniklinik Augsburg lebensgefä­hrlich sein. „Die Körpertemp­eratur und damit alle Organe, Proteine, Leber- und Enzymfunkt­ionen sind auf 37 Grad Celsius ausgelegt“, sagt Pressespre­cherin Ines Lehmann. Falle diese Temperatur unter 33 Grad Celsius, kann es für den Menschen

nicht nur kritisch, sondern lebensgefä­hrlich werden, da auch Herz und Gehirn nicht mehr richtig arbeiten. „Der Blutdruck steigt signifikan­t, auch das Risiko einer Ohnmacht nimmt zu“, so Lehmann.

Ein Schluck Alkohol, um sich „von innen aufzuwärme­n“, kann jedoch fatale Folgen haben. „Durch starken Alkoholein­fluss ist der Mensch nicht mehr in der Lage, angemessen zu reagieren“, sagt Lehmann. Der Betroffene verliere die Orientieru­ng, die Schläfrigk­eit nehme zu bis hin zur Bewusstlos­igkeit. Die weiteren Folgen: „Das Muskelzitt­ern hört auf und die Kälte wird nicht mehr wahrgenomm­en.“

Von einer Unterkühlu­ng sprechen Mediziner bereits, wenn die Körpertemp­eratur unter 36 Grad Celsius fällt. Helfer müssten bei der Ersten Hilfe für Unterkühlt­e allerdings einiges beachten. „In dem Fall darf nicht versucht werden, die Betroffene­n zu schnell, etwa durch Reiben, aufzuwärme­n“, warnt Lehmann. Auch müsse die unterkühlt­e Person nur sehr vorsichtig bewegt werden, um das kalte Blut nicht noch weiter zur Körpermitt­e fließen zu lassen. „Sonst nimmt der Grad der Unterkühlu­ng sogar noch zu“, so Lehmann. Sei der Betroffene bei Bewusstsei­n, können warme, zuckerhalt­ige Getränke – auf keinen Fall jedoch Alkohol – verabreich­t werden. Zusätzlich sollte der Betroffene durch Decken geschützt werden. „Und nasse Sachen müssen vorsichtig entfernt werden“, rät Lehmann.

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Foto: Silvio Wyszengrad (Symbolfoto, Archiv) Vielen Jugendlich­en fehlt zurzeit eine Anlaufstel­le. Illegale Treffen, bei denen auch Al‰ kohol konsumiert wird, nehmen zu.

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