Augsburger Allgemeine (Land West)
Selbstständig als Friseur trotz Corona
Existenzgründer Harte Zeiten für Hairstylisten aus dem Landkreis Augsburg. Den Schritt in die Selbstständigkeit bereuen die neuen Unternehmer aber nicht
Landkreis Augsburg Seit Mitte Dezember sind Friseure im zweiten Lockdown und müssen ihre Läden, zumindest noch bis März, geschlossen lassen. Im Landkreis Augsburg ließen sich einige von ihnen von der ersten Schließungsphase nicht davon abhalten, neue Salons zu gründen. Für unsere Serie über Unternehmer, die vergangenes Jahr den Neustart wagten, hat unsere Redaktion mit zwei dieser Mutigen gesprochen.
Einen eigenen Friseursalon aufzumachen war schon seit längerer Zeit Annette Baumeisters Traum. Ende vergangenen Jahres war nach einem Jahr Babypause und einem längeren Angestelltenverhältnis der ideale Zeitpunkt da. Am 10. November machte der Königsbrunner Salon Haarraum auf. Dass sie nach nur vier Wochen Öffnung am 15. Dezember wieder schließen müsse, konnte die Friseurmeisterin nicht erahnen. Allerdings: Negativ beeinflusst habe Corona ihre Selbstständigkeit nicht, sagt Baumeister.
Ihr Salon ist ein Einmannbetrieb, das heißt, außer ihr ist nur ein Kunde im Salon. Schon bei ihrer kurzzeitigen Öffnung im November hat sie dies als sehr angenehm empfunden, da sich Hygiene-Vorschriften gut umsetzen ließen. Obwohl Baumeister eine Schließung finanziell nicht einkalkuliert hat, hatte sie Glück im Unglück: Da der Salon im Untergeschoss ihres eigenen Wohnhauses liegt, musste sie keine Miete zahlen. Dennoch musste auch sie auf einen Lohn verzichten.
Die „Zwangspause“machte sie hauptsächlich traurig. Da sie gerade erst eröffnet hatte, wollte die Friseurmeisterin durchstarten und neue Kunden aufnehmen. Nun suchte sie andere Wege, um den Kundenkontakt aufrechtzuerhalten: Baumeister pflegt aktiv die Facebook-Seite ihres Salons. Außerdem verkauft sie weiterhin Pflegeprodukte und Haarfarbe für zu Hause und berät Kunden telefonisch. Für die Kundenbindung sei das optimal, finanziell aber nur „ein kleiner Tropfen auf dem heißen Stein“.
Den Schritt in die Selbstständigkeit hat Baumeister trotz finanzieller Einbuße nicht bereut. Sie sagt, über die Wochen habe ihr „eine Öffnung als Lichtblick Kraft“gegeben. Jetzt, wo das Öffnungsdatum feststeht, spürt sie Wertschätzung der Kunden und wie froh diese sind, wieder zum Friseur zu dürfen. Während des Lockdowns erhielt sie schon zahlreiche Anfragen für
Hausbesuche, auch von Kunden, die noch nie bei ihr waren. Ab dem 1. März ist Baumeisters Terminkalender für drei Wochen komplett gefüllt.
Auch Karsten Peter aus Stadtbergen kann sich vor Anfragen kaum retten seit das Öffnungsdatum feststeht: „Seit gestern glüht das Telefon. Jeder wollte sofort einen Termin haben“, sagte er. Er eröffnete seinen Salon in Stadtbergen im Oktober vergangenen Jahres.
Obwohl er Mitte Dezember schon wieder schließen musste, und somit bis zur Wiedereröffnung am 1. März etwa genauso lange geschlossen gehabt haben wird wie offen, sagt er: „Ich habe es zu keinem Zeitpunkt bereut.“Und auch jetzt, nach zwei Monaten ohne Kundschaft steht der Friseur hinter seiner Entscheidung. „Ich würde es jederzeit wieder machen, trotz der schwierigen Situation“, sagt Peter. Die Selbstständigkeit sei immer sein Traum gewesen. Durch Zufall sei dann vergangenes Jahr der Laden in der Dr.-Frank-Straße frei geworden. Peter zögerte keine Sekunde: „Das war’s für mich, ich hab mich sofort wohlgefühlt.“Dennoch ging er die Herausforderung nicht blauäugig an.
„Es war mir jederzeit klar, dass wieder mal ein Lockdown kommen würde“, sagt der Saloninhaber. Diese Aussicht hatte er finanziell eingeplant. Peter konnte dadurch bisher die 60 Prozent Kurzarbeitergeld seines Mitarbeiters auf dessen volles Gehalt aufstocken.
Obwohl Friseursalons seit zwei Monaten geschlossen haben, sehen einige Menschen weiterhin frisch frisiert aus. Wurde Peter um private Haarschnitte gebeten? „Es gab einige Fälle, da musste ich aber eine Absage erteilen“, sagt er. Für ihn als Start-up sei Schwarzarbeit besonders heikel. Außerdem wolle er seine Qualität ja im Salon verkaufen. Die könne er bei Hausbesuchen nicht im gleichen Maß gewährleisten, sagt Peter. Die letzten Tage vor der Wiedereröffnung nutzt er, um die letzten Details des Hygienekonzepts auszuarbeiten.
In der nächsten Folge unseres Themenschwerpunkts „Neustart in Corona-Zeiten“stellen wir Kulturschaffende vor, die sich während der Pandemie umorientieren müssen.