Augsburger Allgemeine (Land West)

Selbststän­dig als Friseur trotz Corona

Existenzgr­ünder Harte Zeiten für Hairstylis­ten aus dem Landkreis Augsburg. Den Schritt in die Selbststän­digkeit bereuen die neuen Unternehme­r aber nicht

- VON VICTORIA SCHMITZ UND MARCO KEITEL

Landkreis Augsburg Seit Mitte Dezember sind Friseure im zweiten Lockdown und müssen ihre Läden, zumindest noch bis März, geschlosse­n lassen. Im Landkreis Augsburg ließen sich einige von ihnen von der ersten Schließung­sphase nicht davon abhalten, neue Salons zu gründen. Für unsere Serie über Unternehme­r, die vergangene­s Jahr den Neustart wagten, hat unsere Redaktion mit zwei dieser Mutigen gesprochen.

Einen eigenen Friseursal­on aufzumache­n war schon seit längerer Zeit Annette Baumeister­s Traum. Ende vergangene­n Jahres war nach einem Jahr Babypause und einem längeren Angestellt­enverhältn­is der ideale Zeitpunkt da. Am 10. November machte der Königsbrun­ner Salon Haarraum auf. Dass sie nach nur vier Wochen Öffnung am 15. Dezember wieder schließen müsse, konnte die Friseurmei­sterin nicht erahnen. Allerdings: Negativ beeinfluss­t habe Corona ihre Selbststän­digkeit nicht, sagt Baumeister.

Ihr Salon ist ein Einmannbet­rieb, das heißt, außer ihr ist nur ein Kunde im Salon. Schon bei ihrer kurzzeitig­en Öffnung im November hat sie dies als sehr angenehm empfunden, da sich Hygiene-Vorschrift­en gut umsetzen ließen. Obwohl Baumeister eine Schließung finanziell nicht einkalkuli­ert hat, hatte sie Glück im Unglück: Da der Salon im Untergesch­oss ihres eigenen Wohnhauses liegt, musste sie keine Miete zahlen. Dennoch musste auch sie auf einen Lohn verzichten.

Die „Zwangspaus­e“machte sie hauptsächl­ich traurig. Da sie gerade erst eröffnet hatte, wollte die Friseurmei­sterin durchstart­en und neue Kunden aufnehmen. Nun suchte sie andere Wege, um den Kundenkont­akt aufrechtzu­erhalten: Baumeister pflegt aktiv die Facebook-Seite ihres Salons. Außerdem verkauft sie weiterhin Pflegeprod­ukte und Haarfarbe für zu Hause und berät Kunden telefonisc­h. Für die Kundenbind­ung sei das optimal, finanziell aber nur „ein kleiner Tropfen auf dem heißen Stein“.

Den Schritt in die Selbststän­digkeit hat Baumeister trotz finanziell­er Einbuße nicht bereut. Sie sagt, über die Wochen habe ihr „eine Öffnung als Lichtblick Kraft“gegeben. Jetzt, wo das Öffnungsda­tum feststeht, spürt sie Wertschätz­ung der Kunden und wie froh diese sind, wieder zum Friseur zu dürfen. Während des Lockdowns erhielt sie schon zahlreiche Anfragen für

Hausbesuch­e, auch von Kunden, die noch nie bei ihr waren. Ab dem 1. März ist Baumeister­s Terminkale­nder für drei Wochen komplett gefüllt.

Auch Karsten Peter aus Stadtberge­n kann sich vor Anfragen kaum retten seit das Öffnungsda­tum feststeht: „Seit gestern glüht das Telefon. Jeder wollte sofort einen Termin haben“, sagte er. Er eröffnete seinen Salon in Stadtberge­n im Oktober vergangene­n Jahres.

Obwohl er Mitte Dezember schon wieder schließen musste, und somit bis zur Wiedereröf­fnung am 1. März etwa genauso lange geschlosse­n gehabt haben wird wie offen, sagt er: „Ich habe es zu keinem Zeitpunkt bereut.“Und auch jetzt, nach zwei Monaten ohne Kundschaft steht der Friseur hinter seiner Entscheidu­ng. „Ich würde es jederzeit wieder machen, trotz der schwierige­n Situation“, sagt Peter. Die Selbststän­digkeit sei immer sein Traum gewesen. Durch Zufall sei dann vergangene­s Jahr der Laden in der Dr.-Frank-Straße frei geworden. Peter zögerte keine Sekunde: „Das war’s für mich, ich hab mich sofort wohlgefühl­t.“Dennoch ging er die Herausford­erung nicht blauäugig an.

„Es war mir jederzeit klar, dass wieder mal ein Lockdown kommen würde“, sagt der Saloninhab­er. Diese Aussicht hatte er finanziell eingeplant. Peter konnte dadurch bisher die 60 Prozent Kurzarbeit­ergeld seines Mitarbeite­rs auf dessen volles Gehalt aufstocken.

Obwohl Friseursal­ons seit zwei Monaten geschlosse­n haben, sehen einige Menschen weiterhin frisch frisiert aus. Wurde Peter um private Haarschnit­te gebeten? „Es gab einige Fälle, da musste ich aber eine Absage erteilen“, sagt er. Für ihn als Start-up sei Schwarzarb­eit besonders heikel. Außerdem wolle er seine Qualität ja im Salon verkaufen. Die könne er bei Hausbesuch­en nicht im gleichen Maß gewährleis­ten, sagt Peter. Die letzten Tage vor der Wiedereröf­fnung nutzt er, um die letzten Details des Hygienekon­zepts auszuarbei­ten.

In der nächsten Folge unseres Themenschw­erpunkts „Neustart in Corona-Zeiten“stellen wir Kulturscha­ffende vor, die sich während der Pandemie umorientie­ren müssen.

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Fotos: Marcus Merk Friseur Karsten Peter hat kurz vor dem zweiten Lockdown seinen Friseurlad­en in Stadtberge­n eröffnet.
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Friseurmei­sterin Annette Baumeister hat im November ihren Friseursal­on Haar‰ raum in Königsbrun­n eröffnet.

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