Augsburger Allgemeine (Land West)

Sozialjobs für Schrottsor­tierer fallen weg

Abfallwirt­schaft Die Stadt hat einen Vertrag mit einem Sozialunte­rnehmen gekündigt. Kranke und behinderte Menschen haben in der Folge ihren Arbeitspla­tz verloren. Und es hat etwas mit überquelle­nden Sammelcont­ainern zu tun

- VON EVA MARIA KNAB

Es sind Menschen wie Rollstuhlf­ahrer Franz M. (Name geändert). Viele Jahre hatte er einen Job, in dem er sich nützlich fühlen konnte. M. sortierte Elektrosch­rott, der in Augsburger Sammelcont­ainern anfiel. Zusammen mit anderen fischte er systematis­ch Wertstoffe wie Metalle heraus, damit sie zurück in den Wirtschaft­skreislauf gelangen konnten. Nun ist der Arbeitspla­tz des Rollstuhlf­ahrers weg, und nicht nur seiner.

Das Unternehme­n Infau, bei dem er beschäftig­t war, musste seine Elektrosch­rott-Sortierung schließen. Als Grund gibt Geschäftsf­ührerin Irena Kotyrba an, dass ein Vertrag mit dem städtische­n Abfallwirt­schaftsbet­rieb Ende 2020 ausgelaufe­n sei. Das hat Folgen für benachteil­igte Menschen.

Infau ist eine gemeinnütz­ige Tochterges­ellschaft der Arbeiterwo­hlfahrt (AWO). Mitbegründ­er Werner Weishaupt sagt, hinter der GmbH stehe die Philosophi­e, Menschen mit Benachteil­igungen oder Beeinträch­tigungen in den Arbeitsmar­kt zurückzuhe­lfen oder ihnen eine sinnvolle Beschäftig­ung zu bieten. Ein Bereich der Sozialfirm­a war bislang das Elektrosch­rott-Recycling. „Wir haben es in Augsburg eingeführt, als es noch in den Kinderschu­hen steckte“, sagt Weishaupt. Infau sei als zertifizie­rter Entsorgung­sund Verwertung­sbetrieb viele Jahre auf dem Markt gewesen. Doch nun hat die Sortierste­lle an der Proviantba­chstraße dichtgemac­ht.

Nach Angaben von Kotyrba musste insgesamt sechs Mitarbeite­rn gekündigt werden, darunter fünf Langzeitar­beitslosen, die dort eine Beschäftig­ung gefunden hatten. Auch Rollstuhlf­ahrer Franz M. verlor seinen Job. Darüber hinaus sind von der Schließung rund ein halbes Dutzend Jobber betroffen, die sich stundenwei­se etwas Geld dazuverdie­nt hatten. Kotyrba sagt, in einem geförderte­n Projekt seien dort auch psychisch kranke Menschen tätig gewesen. Insgesamt hätten die Mitarbeite­r diese Arbeit sehr gerne gemacht.

Die Geschäftsf­ührerin schätzt, dass im Laufe der Jahre über 200 kranke und behinderte Menschen sowie Langzeitar­beitslose von dem Projekt profitiert hätten. Dies sei mit der Kündigung des Sortierver­trages durch den städtische­n Abfallwirt­schaftsbet­rieb vorbei. „Wir haben es bedauert, dass diese Arbeitsplä­tze wegfallen sollen“, sagt sie. Infau habe keinen neuen Geschäftsp­artner mehr finden können. Der Markt für Elektrosch­rott sei völlig zusammenge­brochen. Es mache daher keinen Sinn, das Geschäft alleine weiterzube­treiben.

Kotyrba sagt, bislang habe Infau für das Sortieren und Zerlegen von Elektrosch­rott jährlich rund 67.000 Euro bekommen, zusätzlich seien Mietkosten entstanden, womit für die Stadt rund 100.000 Euro Kosten pro Jahr angefallen seien. Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) hat angekündig­t, dass die Stadt einen neuen Verwerter-Vertrag abschließe­n wolle. Wird es damit künftig billiger? Und wie teuer ist die Zwischenlö­sung mit der Sortierung des Schrotts direkt im Abfallwirt­schaftsbet­rieb (AWS), bis ein neuer Entsorger gefunden ist?

Der Umweltrefe­rent teilt mit, die Kündigung des Vertrages mit Infau sei aufgrund eines Stadtratsb­eschlusses erfolgt. Dieser sei nicht öffentlich gefasst worden, da es sich um eine vertraulic­he Vertragsan­gelegenhei­t handelt. Folglich könne er zu den Hintergrün­den keine weiteren Angaben machen. „Allgemein lässt sich sagen, dass das bisherige Verwertung­skonzept der Stadt Augsburg aufgrund steigender Kosten im Bereich der Sortierung und Verwertung so nicht mehr umgesetzt werden konnte“, so Erben. Auch zu den Kosten der Zwischenlö­sung im AWS könne er aus Gründen der Vertraulic­hkeit nichts sagen.

Besonders verärgert ist man bei der Arbeiterwo­hlfahrt darüber, dass die Stadt ihre aktuellen Probleme mit überquelle­nden Sammelcont­ainern quasi Infau in die Schuhe schieben wolle. Seit Anfang Dezember sei klar gewesen, dass die Firma keinen Elektrosch­rott mehr annehmen könne, weil die für die Sortierung angemietet­e Fläche freigemach­t werden müsse. Es sei vielmehr ein hausgemach­tes Problem der Stadt, wenn sie den einen Vertrag kündige und noch keinen neuen habe.

Erben hatte die Probleme öffentlich so erklärt: „Die Abwicklung der Beendigung des Vertrages mit der Infau führte dazu, dass bei der Infau zeitweise nicht angeliefer­t werden konnte und daher die Container nicht geleert werden konnten“. Weiter hatte er Personalen­gpässe beim Abfallwirt­schaftsbet­rieb wenun gen Corona und den hohen Arbeitsein­satz wegen des Winterdien­stes geltend gemacht. Nun werde man die ruhigeren Zeiten nutzen, um die Elektrosch­rott-Container in einer Tour umgehend zu leeren.

Aus Sicht der Arbeiterwo­hlfahrt ist mit der Vertragskü­ndigung nicht nur ein Abfallprob­lem entstanden. Das Aus für die Sortierste­lle von Infau verschärfe auch ein gesellscha­ftliches Problem: Arbeitsplä­tze für benachteil­igte Menschen anzubieten werde damit noch schwierige­r, meint Kotyrba. Letztlich sei es eine wirtschaft­liche und politische Entscheidu­ng der Stadt, ob sie ein solches Angebot erhalten wolle. Warum war es nicht möglich, diese Jobs zu sichern? Reiner Erben meint dazu, diese Frage müsse die Arbeiterwo­hlfahrt beantworte­n.

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Foto: Silvio Wyszengrad In Augsburg wird fleißig Elektrosch­rott gesammelt. Doch wichtige Arbeitsplä­tze für benachteil­igte Menschen fallen jetzt weg.

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