Augsburger Allgemeine (Land West)
Findet die Natur zu wenig Platz?
Bauen Der Flächenverbrauch im Land soll begrenzt werden. Doch das Vorhaben hat seine Tücken. Das zeigt diese Geschichte, die auch von einem bewohnten Fischteich handelt
Landkreis Augsburg Das kleine Baiershofen in der nordwestlichen Ecke des Landkreises Augsburg ist bekannt für sein Ortsbild und die preisgekrönten schwäbischen Häuser. Und auch, dass sich die Baiershofener alljährlich in der Freinacht besondere Scherze einfallen lassen, hat sich herumgesprochen. Dabei hat der Ort noch eine ganz andere Rarität zu bieten – einen bewohnten Fischteich.
So steht es zumindest in einer behördlichen Datenbank, in der das Gewässer als Wohnfläche aufgeführt ist. Was auf den ersten Blick nur komisch ist, hat einen ernsten Hintergrund, sagt Bernhard Walter. Der SPD-Kreisrat und frühere Bürgermeister von Altenmünster, zu dem Baiershofen gehört, sieht seine Heimat nämlich benachteiligt und das hat zunächst mit der großen Politik zu tun.
In ganz Bayern sollen in Zukunft möglichst nur noch fünf Hektar pro Tag in Bauland umgewandelt werden. So sieht es die Novelle des Landesplanungsgesetzes vor, die Ende vergangenen Jahres vorgelegt wurde. Hintergrund ist der viel kritisierte Flächenverbrauch im Freistaat. Jeden Tag werden in Bayern 10,8 Hektar freie Landschaft zu Bauland für Siedlungen, Gewerbegebiete, Straßen und andere Verkehrswege umgewandelt. Im Jahr summiert sich das auf die Fläche der mehr als 40.000 Einwohner zählenden Stadt Kaufbeuren. Deutschlandweit hat sich die Siedlungs- und Verkehrsfläche in den vergangenen 60 Jahren mehr als verdoppelt.
Der Flächenverbrauch hat auch im Landkreis Augsburg schon zu vielen Diskussionen geführt. Auf dem Lechfeld rührte sich Widerstand gegen die Ansiedlung von immer mehr Logistikern im Gefolge von Amazon, in Stadtbergen verhinderteein Bürgerentscheid ein weiteres Gewerbegebiet. Der Landkreis
Augsburg hat es sich inzwischen hochoffiziell zum Ziel gesetzt, den Flächenverbrauch und damit das Artensterben einzudämmen.
Das findet auch Walter richtig und gut. Noch mehr findet er aber, dass es dabei fair zugehen sollte und das führt zurück zum „bewohnten“Fischteich von Baiershofen, der laut Walter und dem heutigen Bürgermeister von Altenmünster, Florian Mair, im Liegenschaftskataster (Alkis) der Vermessungsämter so aufgeführt wird. In diesem Kataster sind die Flächen und ihre verschiedenen Nutzungen in den einzelnen Gemeinden festgehalten und dabei seien die Behörden so grobmaschig vorgegangen, dass unterm Strich die Daten nicht stimmen würden.
Die Kreistags-SPD fordert deshalb, dass die Alkis-Daten für den Landkreis überprüft und korrigiert werden. Entschieden ist über den Antrag noch nicht. Walter sagt: „Wir brauchen eine verlässliche Grundlage.“Dann könne man diskutieren über die Nutzungsarten wie Bau, Landwirtschaft oder eben Natur. Walter: „Es muss uns doch darum gehen, welche Formen der Nutzung von Grund und Boden akzeptabel sind.“
Der Kreisrat aus Altenmünster hat eine ganze Reihe von Beispielen parat, in dem die behördlichen Daten nicht so recht zur Wirklichkeit vor Ort passen wollen. Im Weldener Ortsteil Reutern zum Beispiel ist der Dorfanger mit seinen großen Grundstücken und seiner lockeren Bebauung samt und sonders als Wohnbebauung verzeichnet. Dass dazwischen auch reichlich Rückzugsorte für Pflanzen und Tiere blieben, werde nicht berücksichtigt, klagt Walter.
In der Datenbank sei der Dorfanger einem dicht bebauten Wohngebiet in der Stadt gleich gestellt. Aber in Reutern „ist doch für die Natur die Fläche nicht weg“. Walters Botschaft: Auf den Dörfern ist für die Natur noch wesentlich mehr Platz, als es die offiziellen Pläne widerspiegeln. Beim Thema Flächenverbrauch dürften Orte wie Wollbach, Ottmarshausen oder eben Altenmünster nicht mit den dicht besiedelten Rändern von Augsburg über einen Kamm geschoren werden.
Im Gebiet des Naturparks Westliche Wälder, zu dem unter anderem Altenmünster, die Holzwinkel-Orte sowie die beiden flächenmäßig größten Gemeinden des Kreises Augsburg, Zusmarshausen und Dinkelscherben, gehören, sind rund 45 Prozent der Fläche bewaldet. Mit weniger als 100 Einwohner je Quadratkilometer gilt die Gegend als dünn besiedelt. Im gesamten Landkreis Augsburg liegt der Waldanteil bei knapp einem Drittel der Fläche, die Einwohnerzahl bei 237 je Quadratkilometer.
Dass es in dieser Frage um mehr geht als ein paar Zahlen und Einträge in ein amtliches Kataster, verdeutlicht ein Treffen mit Florian Mair und das führt zurück nach Baiershofen. In der Nähe des Ortes plant das Unternehmen Vento Ludens einen neun Hektar großen Solarpark. Eigentlich eine gute Sache, findet Altenmünsters Rathauschef Mair, wenn er daran denkt, dass seine Gemeinde im unmittelbaren Gefahrenbereich läge, wenn im Atomkraftwerk von Gundremmingen etwas schief ginge. Doch angesichts der Pläne, den Flächenverbrauch einzugrenzen, könne ein platzraubendes Projekt wie ein Solarpark in Zukunft zum Boomerang werden, fürchtet Mair. Denn die Ausweisung von zusätzlichen Bau- oder Gewerbegebieten wäre dann wohl auf Jahre hinaus nicht mehr drin, fürchtet er. „Wir wären blockiert.“
Die Daten sind sehr grobmaschig erfasst