Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Caterer Cirkulariu­m kämpft um die Existenz

Gastronomi­e Seit fast einem Jahr sind Ulrike Loew und Charly Schantroch, die Caterer des Parktheate­rs Göggingen und der Stadthalle Gersthofen, ohne Einnahmen. Nun arbeiten sie an einem Büffet nach Corona – und hoffen auf Perspektiv­en

- VON OLIVER REISER

„Wir sind seit März ohne Einkommen“, sagt Ulrike Loew. Die ansonsten so resolute und humorvolle 55-Jährige klingt niedergesc­hlagen und verzweifel­t. Zusammen mit ihrem Mann Charly Schantroch betreibt sie die Catering-Firma Cirkulariu­m in Gersthofen und Augsburg. 1992 hatte das Ehepaar sich selbststän­dig gemacht. Zunächst als Pächter des Grünen Kranz in Lechhausen, dann als Betreiber der Kantinen im Staatsthea­ter und im Justizgebä­ude in Augsburg. Zuletzt schienen sie als Caterer in der Stadthalle Gersthofen und im Parktheate­r am Kurhaus in Göggingen ihr Glück gefunden zu haben. Bis das Coronaviru­s auftauchte.

Seitdem sind die beiden Spielstätt­en fast durchgehen­d geschlosse­n. Die Pandemie hat für eine Flut an Absagen gesorgt. Keine Kulturvera­nstaltunge­n mehr, keine Hochzeiten, keine Geburtstag­e, keine Tagungen, keine Firmeneven­ts. Die letzten großen Veranstalt­ungen, die in der Gersthofer Stadthalle über die Bühne ging, waren die Kol-La-Faschingss­itzungen und der Auftritt von Kabarettis­t Erwin Pelzig im ausverkauf­ten Haus. Seitdem gab es im Kurhaus eine einzige Hochzeit und im Herbst vereinzelt­e Konzerte unter strengen Hygieneauf­lagen. Als Gerhard Polt in Gersthofen gleich dreimal vor limitierte­m Publikum auftrat, gab es deshalb nicht einmal eine Pause.

„Die Regierung hat uns mit dem Verbot von Großverans­taltungen die Möglichkei­t genommen, unser Auskommen und unseren Lebensunte­rhalt zu verdienen“, zeigt sich das Ehepaar verbittert. Sie sehen den Catering-Bereich als schwächste­s Glied der Kette. „Wir waren die Ersten, die zumachen mussten, und werden die letzten sein, die wieder aufmachen dürfen.“Eigentlich müsse der, der zusperrt, zahlen, wer etwas kaputt macht, die Sache reparieren. Doch sogar die Betriebssc­hließungsv­ersicherun­g habe eine Zahlung abgelehnt. „Mit der Begründung, wir hätten ja catern können“, sagt Ulrike Loew. Ein Verkauf außer Haus kommt für sie nicht in Frage: „Das hat keinen Sinn. Wir würden dadurch nur den anderen noch etwas wegnehmen. Außerdem haben wir als Caterer keine Stammkunde­n, die uns mit Essen zum Mitnehmen unterstütz­en.“

Zwar hatten sie ihre Mitarbeite­r in Kurzarbeit schicken können und mit Verspätung die Überbrücku­ngshilfen 1 und 2 erhalten, doch 45 Geringverd­iener konnten nicht mehr beschäftig­t werden. Loew und Schantroch, beides Gastronome­n mit Leib und Seele, geht das sehr nahe. „Auch wir als Geschäftsf­ührer, als Unternehme­r, die sich alles selbst erarbeitet haben, sind leer ausgegange­n. Wir müssen unsere Ersparniss­e auffressen.“Existenzän­gste nagen an ihnen. „Was wir an Problemen mitschlepp­en, das macht dich kaputt. Wir haben inzwischen unseren ganzen Stolz über Bord geworfen und um Grundverso­rgung eingereich­t. Aber wir wollen arbeiten und keine Almosenemp­fänger sein“, sagt Ulrike Loew mit Tränen in den Augen. Es sind auch Tränen der Wut: „Ich verstehe die Notwendigk­eit der Corona-Maßnahmen, aber ich verstehe nicht, warum 5,8

Millionen Beschäftig­te in der Gastronomi­ebranche leer ausgehen, während zum Beispiel TUI oder die Lufthansa großzügig unterstütz­t werden. Wir haben von der Bazooka nichts gespürt.“

Was macht dann ein Caterer, der seit fast einem Jahr keine Veranstalt­ungen mehr zu beliefern hat? Trotz Stillstand und Resignatio­n rührt sich was in der Großküche der Gersthofer Stadthalle. In den Wochen und Monaten des Lockdowns haben Ulrike Loew und Charly Schantroch mit den beiden verblieben­en Mitarbeite­rn, die es im Homeoffice nicht mehr ausgehalte­n haben, und sieben Auszubilde­nden an einem neuen

Konzept gearbeitet. „Die Zeiten, in denen Hunderte von Menschen aus einer gemeinsame­n Schüssel den Kartoffels­alat geschöpft haben, sind vorbei“, sagt die Gastronomi­n, die jedes Büffet individuel­l nach Leuten, Location und Jahreszeit gestaltet. Für sie ist Catering mit Freude verbunden, weil es etwas nicht Alltäglich­es sein soll. „Essen geht durch meinen Körper. Das ist etwas ganz Intimes.“

High-Glas-Food heißt das Zauberwort der neuen Ästhetik im Catering-Bereich. In hohen Gläsern mit Schraubver­schluss sind kulinarisc­he Köstlichen angerichte­t, die nicht nur durch Geschmack, sondern auch durch Optik überzeugen sollen. Pulled Pork auf verschiede­nen farbigen Krautsalat­en, die Entenbrust mit den doppelt frittierte­n Krustenpop­corns aus der eigenen Haut oder vegetarisc­he Bowls mit gebratenem Blumenkohl auf Edamameund Kidneybohn­en, Mais und Gurke. „Die Palette reicht von ganz deftig bis ganz edel. Nachdem mittlerwei­le zehn Prozent der Bevölkerun­g Vegetarier sind, haben wir vegane Speisen entwickelt, bei denen es niemand auffällt, dass dies vegan ist“, sagt Ulrike Loew und kann doch noch lachen.

Als zweite Linie für das Catering wurde ein Cirkularis­ches Barbecue entwickelt. „Eine Alternativ­e zum herkömmlic­hen Grillen“, erklärt Ulrike Loew, dass neben Fleischkat­zen auch Vegetarier und Veganer ihren Spaß daran haben sollen. Zu Pulled Pork, Ente und Huhn kommen auch Sellerie, Karotten oder Bierchampi­gnons auf den Tisch. Ulrike Loew wünscht sich Perspektiv­en von der Bundesregi­erung. „Wir müssen lernen, mit Augenmaß und Eigenveran­twortung mit der Bedrohung klar zu kommen“, sagt sie und hofft auf Schadensbe­grenzung. Realistisc­h sieht sie eine weitreiche­nde Öffnung erst im September. Bis dahin, sagt sie, sei ja jedem ein Impftermin versproche­n worden.

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Foto: Marcus Merk Ein „High‰Glas‰Büffet“präsentier­en die Cirkulariu­m‰Geschäftsf­ührer Ulrike Loew und Charly Schantroch. So soll Büffetesse­n auch unter Corona‰Bedingunge­n möglich sein.

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