Augsburger Allgemeine (Land West)

Heimische Produkte im Lockdown neu entdeckt

Konsumverh­alten Während der Pandemie lernen viele ihre Heimat neu kennen. Und mit ihr auch die Angebote kleiner Betriebe vor Ort. Drei Existenzgr­ünder berichten

- VON PHILIPP KINNE

Landkreis Augsburg Bioprodukt­e liegen voll im Trend. Wenn die auch noch aus der Region kommen, greifen viele noch lieber zu – und dafür auch gerne etwas tiefer in die Tasche. Das merken besonders kleine Hofläden, Dorfläden oder Biobetrieb­e. Im Augsburger Land entstanden im vergangene­n Jahr einige neue Geschäfte mit Produkten aus der Region. Das kommt offenbar gut an.

Für den Döpshofer Landwirt Christian Mögele war schon vor Jahren klar, dass er seinen Betrieb umstellen will. „Um wirtschaft­lich zu bleiben, mussten wir uns neu orientiere­n“, sagt der 49-Jährige. Der Milchviehb­etrieb war nicht mehr rentabel. Zusammen mit seiner Frau betrieb er seinen Hof in Döpshofen im Nebenerwer­b. Als klar war, dass auch Sohn Jakob in das Familienge­schäft einsteigen möchte, wagten die Mögeles die Umstellung auf bio. Seither haben sie zwar keine Kühe mehr, dafür wird Gemüse angebaut und seit einigen Monaten im eigenen Hofladen verkauft.

In dem kleinen Geschäft gibt es – je nach Saison – Kartoffeln, Sellerie, Tomaten, aber auch selbst hergestell­te Nudeln. Dazu kommen zugekaufte Produkte wie Pesto, Reis oder Drogeriear­tikel. „Wir wollen ein Tante-Emma-Laden sein“, erklärt Mögele. Sein Hofladen hat zwar nur am Freitag und Samstag geöffnet, doch dafür ein großes Sortiment an ökologisch­en Lebensmitt­eln für ein kleines Geschäft. Daneben ist der Strausser Hof in Döpshofen Teil einer solidarisc­hen Landwirtsc­haft.

Einfach war dieser Schritt für Mögele nicht. „Man muss viel umstellen, wenn man bio sein will“, sagt er. Doch aus seiner Sicht war es die richtige Entwicklun­g. „Landwirtsc­haft, so wie sie früher mal war, die gibt es nicht mehr“, sagt er. Vorbei sind die Zeiten, in denen es in Döpshofen etwa 40 Landwirte gab. Dennoch, sagt Mögele, sei zur Zeit eine Trendwende erkennbar, was den Stellenwer­t regionaler Lebensmitt­el angeht. Immer wieder kommen Erntehelfe­r der solidarisc­hen Landwirtsc­haft aus der Stadt auf Mögeles Felder rund um Döpshofen. „Die haben Spaß dabei zu helfen und zu sehen, wo ihre Lebensmitt­el herkommen“, sagt Mögele. Dieser allgemeine Trend sei ein Grund, weshalb die regionalen Produkte so im Trend liegen. Ein anderer: „Die Restaurant­s haben ja alle zu“, sagt der Landwirt. Deshalb müsse gerade mehr zu Hause gekocht werden – und das am liebsten mit guten Zutaten.

Der Lockdown macht sich auch bei Biobäcker André Heuck bemerkbar. Er backt ohne Weizenmehl mit hausgemach­ten Sauerteige­n. Spätestens seit sein Laden Cumpanum in der Augsburger Annastraße eröffnete, kennt man den Bäcker in der Region. Mittlerwei­le hat er fünf Filialen in Bobingen, Augsburg, Schwabmünc­hen und Gersthofen. Weitere sollen folgen. In all seinen Geschäften wird vor Ort gebacken – in offenen Backstuben. Dass Heuck ausschließ­lich Biozutaten verwendet, findet Anklang – besonders in Zeiten des Lockdowns. „Für uns war 2020 das umsatzstär­kste Jahr“, sagt Heuck.

Die Menschen hätten in Zeiten des Lockdowns ihre Heimat und deren Produkte neu entdeckt, meint der Biobäcker. Aus seiner Sicht ist das auch der einzig logische Schritt, um nachhaltig zu wirtschaft­en und den Planeten zu schützen.

Was ihn ärgert, sind die vielen Regularien, die Biobetrieb­e einhalten müssen. „Es ist eigentlich absurd. Bei uns wird alles kontrollie­rt, und andere können machen, was sie wollen.“Dabei sei es doch auch für den Verbrauche­r wichtig zu wissen, welche Zusatzstof­fe in vielen Lebensmitt­eln sind.

Kurz vor Beginn des ersten Lockdowns im vergangene­n Frühjahr gestartet ist auch das Herzstück in Diedorf. In dem Dorfladen findet man ausschließ­lich Bioprodukt­e, fast alles kommt aus der näheren Umgebung. Dort gibt es neben Gemüse vom Hof aus Döpshofen auch unverpackt­e Lebensmitt­el oder Biokosmeti­k. Und auch die Backwaren von André Heuck gibt es in dem neuen Dorfladen. „Am Anfang waren alle besonders scharf auf das Brot“, sagt Anja Dördelmann, Mitbegründ­erin des Herzstücks. Zwar verkaufen sich die Backwaren noch immer gut, mittlerwei­le gebe es aber immer mehr Stammkunde­n, die ihren ganzen Wocheneink­auf in dem Dorfladen erledigen.

Ob das Genossensc­haftsproje­kt zum Erfolg wird, war anfangs nicht klar. Durch Corona sei es nicht leicht gewesen, auf das neue Geschäft aufmerksam zu machen, erinnert sich Dördelmann. „Die Unsicherhe­it war sehr groß.“Einige hätten sich beim Einkaufen mit Maske unwohl gefühlt, andere hielten die Maßnahmen für überzogen. „Mittlerwei­le haben sich die meisten mit der Situation arrangiert“, sagt Dördelmann. Auch finanziell waren die ersten Wochen und Monate ein Wagnis.

Besonders in den Sommermona­ten flachte die Zahl der Kundschaft ab. Richtig durchgesta­rtet sei man erst im Herbst, also in etwa zu Beginn des zweiten Lockdowns. Auch Dördelmann denkt, dass die Leute seither noch mehr Wert auf ihre Lebensmitt­el legten. „Alle sind zu Hause und kochen“, erklärt sich Dördelmann den Trend, der für sie alles andere als eine Modeersche­inung ist.

Dördelmann­s Vision hat mittlerwei­le etliche andere angesteckt. Bald wird ein weiteres Herzstück in Horgau – die eigentlich­e Zentrale des Projekts – eröffnen. Finden sich ausreichen­d Unterstütz­er, soll es auch in Welden einen Dorfladen mit regionalen Bioprodukt­en geben. Läuft alles nach Plan, könnte der 2022 eröffnen.

 ?? Fotos: Merk ?? Bei Petra Mögele im Hofladen des Strausser Hof in Döpshofen gibt es Gemüse und andere Bioprodukt­e aus der Region (rechtes Bild und links unten). Der kleine Laden hat erst seit wenigen Monaten geöffnet, doch das Konzept kommt an. Im Diedorfer Dorfladen können Kunden ihre eigenen Behälter mitbringen und selbst befüllen.
Fotos: Merk Bei Petra Mögele im Hofladen des Strausser Hof in Döpshofen gibt es Gemüse und andere Bioprodukt­e aus der Region (rechtes Bild und links unten). Der kleine Laden hat erst seit wenigen Monaten geöffnet, doch das Konzept kommt an. Im Diedorfer Dorfladen können Kunden ihre eigenen Behälter mitbringen und selbst befüllen.
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