Augsburger Allgemeine (Land West)
Heimische Produkte im Lockdown neu entdeckt
Konsumverhalten Während der Pandemie lernen viele ihre Heimat neu kennen. Und mit ihr auch die Angebote kleiner Betriebe vor Ort. Drei Existenzgründer berichten
Landkreis Augsburg Bioprodukte liegen voll im Trend. Wenn die auch noch aus der Region kommen, greifen viele noch lieber zu – und dafür auch gerne etwas tiefer in die Tasche. Das merken besonders kleine Hofläden, Dorfläden oder Biobetriebe. Im Augsburger Land entstanden im vergangenen Jahr einige neue Geschäfte mit Produkten aus der Region. Das kommt offenbar gut an.
Für den Döpshofer Landwirt Christian Mögele war schon vor Jahren klar, dass er seinen Betrieb umstellen will. „Um wirtschaftlich zu bleiben, mussten wir uns neu orientieren“, sagt der 49-Jährige. Der Milchviehbetrieb war nicht mehr rentabel. Zusammen mit seiner Frau betrieb er seinen Hof in Döpshofen im Nebenerwerb. Als klar war, dass auch Sohn Jakob in das Familiengeschäft einsteigen möchte, wagten die Mögeles die Umstellung auf bio. Seither haben sie zwar keine Kühe mehr, dafür wird Gemüse angebaut und seit einigen Monaten im eigenen Hofladen verkauft.
In dem kleinen Geschäft gibt es – je nach Saison – Kartoffeln, Sellerie, Tomaten, aber auch selbst hergestellte Nudeln. Dazu kommen zugekaufte Produkte wie Pesto, Reis oder Drogerieartikel. „Wir wollen ein Tante-Emma-Laden sein“, erklärt Mögele. Sein Hofladen hat zwar nur am Freitag und Samstag geöffnet, doch dafür ein großes Sortiment an ökologischen Lebensmitteln für ein kleines Geschäft. Daneben ist der Strausser Hof in Döpshofen Teil einer solidarischen Landwirtschaft.
Einfach war dieser Schritt für Mögele nicht. „Man muss viel umstellen, wenn man bio sein will“, sagt er. Doch aus seiner Sicht war es die richtige Entwicklung. „Landwirtschaft, so wie sie früher mal war, die gibt es nicht mehr“, sagt er. Vorbei sind die Zeiten, in denen es in Döpshofen etwa 40 Landwirte gab. Dennoch, sagt Mögele, sei zur Zeit eine Trendwende erkennbar, was den Stellenwert regionaler Lebensmittel angeht. Immer wieder kommen Erntehelfer der solidarischen Landwirtschaft aus der Stadt auf Mögeles Felder rund um Döpshofen. „Die haben Spaß dabei zu helfen und zu sehen, wo ihre Lebensmittel herkommen“, sagt Mögele. Dieser allgemeine Trend sei ein Grund, weshalb die regionalen Produkte so im Trend liegen. Ein anderer: „Die Restaurants haben ja alle zu“, sagt der Landwirt. Deshalb müsse gerade mehr zu Hause gekocht werden – und das am liebsten mit guten Zutaten.
Der Lockdown macht sich auch bei Biobäcker André Heuck bemerkbar. Er backt ohne Weizenmehl mit hausgemachten Sauerteigen. Spätestens seit sein Laden Cumpanum in der Augsburger Annastraße eröffnete, kennt man den Bäcker in der Region. Mittlerweile hat er fünf Filialen in Bobingen, Augsburg, Schwabmünchen und Gersthofen. Weitere sollen folgen. In all seinen Geschäften wird vor Ort gebacken – in offenen Backstuben. Dass Heuck ausschließlich Biozutaten verwendet, findet Anklang – besonders in Zeiten des Lockdowns. „Für uns war 2020 das umsatzstärkste Jahr“, sagt Heuck.
Die Menschen hätten in Zeiten des Lockdowns ihre Heimat und deren Produkte neu entdeckt, meint der Biobäcker. Aus seiner Sicht ist das auch der einzig logische Schritt, um nachhaltig zu wirtschaften und den Planeten zu schützen.
Was ihn ärgert, sind die vielen Regularien, die Biobetriebe einhalten müssen. „Es ist eigentlich absurd. Bei uns wird alles kontrolliert, und andere können machen, was sie wollen.“Dabei sei es doch auch für den Verbraucher wichtig zu wissen, welche Zusatzstoffe in vielen Lebensmitteln sind.
Kurz vor Beginn des ersten Lockdowns im vergangenen Frühjahr gestartet ist auch das Herzstück in Diedorf. In dem Dorfladen findet man ausschließlich Bioprodukte, fast alles kommt aus der näheren Umgebung. Dort gibt es neben Gemüse vom Hof aus Döpshofen auch unverpackte Lebensmittel oder Biokosmetik. Und auch die Backwaren von André Heuck gibt es in dem neuen Dorfladen. „Am Anfang waren alle besonders scharf auf das Brot“, sagt Anja Dördelmann, Mitbegründerin des Herzstücks. Zwar verkaufen sich die Backwaren noch immer gut, mittlerweile gebe es aber immer mehr Stammkunden, die ihren ganzen Wocheneinkauf in dem Dorfladen erledigen.
Ob das Genossenschaftsprojekt zum Erfolg wird, war anfangs nicht klar. Durch Corona sei es nicht leicht gewesen, auf das neue Geschäft aufmerksam zu machen, erinnert sich Dördelmann. „Die Unsicherheit war sehr groß.“Einige hätten sich beim Einkaufen mit Maske unwohl gefühlt, andere hielten die Maßnahmen für überzogen. „Mittlerweile haben sich die meisten mit der Situation arrangiert“, sagt Dördelmann. Auch finanziell waren die ersten Wochen und Monate ein Wagnis.
Besonders in den Sommermonaten flachte die Zahl der Kundschaft ab. Richtig durchgestartet sei man erst im Herbst, also in etwa zu Beginn des zweiten Lockdowns. Auch Dördelmann denkt, dass die Leute seither noch mehr Wert auf ihre Lebensmittel legten. „Alle sind zu Hause und kochen“, erklärt sich Dördelmann den Trend, der für sie alles andere als eine Modeerscheinung ist.
Dördelmanns Vision hat mittlerweile etliche andere angesteckt. Bald wird ein weiteres Herzstück in Horgau – die eigentliche Zentrale des Projekts – eröffnen. Finden sich ausreichend Unterstützer, soll es auch in Welden einen Dorfladen mit regionalen Bioprodukten geben. Läuft alles nach Plan, könnte der 2022 eröffnen.