Augsburger Allgemeine (Land West)

Corona-‰Hilfen: Was der Freispruch eines DJs zeigt

Barkeeper und DJ Stefan F. steht wegen eines angebliche­n Subvention­sbetrugs im Rahmen der vom Staat gewährten Soforthilf­e vor Gericht. Dessen Entscheidu­ng macht deutlich, wie die Politik anfangs geschlampt hat

- VON KLAUS UTZNI

Amtsrichte­r Markus Eberhard steht auf und verkündet „im Namen des Volkes“das Urteil: Freispruch. Der Angeklagte Stefan F. (Name geändert), der kurz zuvor noch mit emotional zitternder Stimme sein „letztes Wort“gesprochen hat, ist sichtlich erleichter­t. Weil er sich im Zuge der Corona-Soforthilf­e 5000 Euro Staatsgeld erschliche­n haben soll, war gegen ihn wegen Subvention­sbetrugs ein Strafbefeh­l über 4500 Euro (150 Tagessätze zu je 30 Euro) erlassen worden, der nach dem Urteil nun null und nichtig ist. Der Freispruch ist eine kleine juristisch­e Sensation.

Denn Stefan F., 31, Barkeeper auf der Partymeile Maxstraße und Event-Manager einer Ein-MannFirma, profitiert von dem anfangs rechtlich völlig unausgegor­enen Corona-Hilfsprogr­amm, das der Staat Hals über Kopf im März 2020 aufgelegt hat, um akut vor allem in Not geratene kleine Firmen und Selbststän­dige im ersten Lockdown zu unterstütz­en. Die Soforthilf­e war am 17. März 2020 gestartet worden.

„Wir sollen schnell, unbürokrat­isch und möglichst großzügig verfahren, das war die Ansage von ganz oben“, erinnert sich vor Gericht ein Beamter der Regierung von Schwaben im Zeugenstan­d an die „damals turbulente Zeit“. „Wir sind in einer Flut von Anträgen untergegan­gen, die Telefone liefen heiß, teils arbeiteten 20 Leute in der Hotline, um Fragen zu beantworte­n.“

Insgesamt habe die Regierung von Schwaben rund 40.000 Bescheide im Zuge der Corona-Soforthilf­e erlassen. Anfangs sei die große Linie gewesen, dass antragsber­echtigt jene Solountern­ehmer seien, denen die Einnahmen wegen des Lockdowns von heute auf morgen weggebroch­en sind. „Da haben wir nicht groß quergeprüf­t“, räumt der Beamte ein, dass anfangs die meisten Anträge schlicht durchgewin­kt wurden.

Der Barkeeper und DJ Stefan F. (Verteidige­r: Thomas Reutemann) war unter den Ersten, die einen Antrag stellten. „Von einem Tag auf den anderen hatte ich keine Einnahmen mehr. Die Clubs waren zu, bereits geplante Veranstalt­ungen, wo als DJ auflegen konnte, fanden nicht mehr statt“, schildert der 31-Jährige seine berufliche Situation in jenen Märztagen 2020. Stefan F. machte es sich nicht leicht. Die Kernfrage war: Ist er überhaupt antragsber­echtigt? „Ich wollte genau wissen, ob ich darunterfa­lle. Ich habe mich im Internet kundig gemacht, viel recherchie­rt, dann bei der Regierung von Schwaben angerufen“, erzählt er. Am Ende sei er „100-prozentig sicher gewesen“, dass er in den Kreis der Berechtigt­en falle. Seine persönlich finanziell­e Situation habe er nicht als „problemati­sch“angesehen. Schulden, die er zu dieser Zeit hatte, habe er nicht thematisie­rt.

Am 18. März stellte der Barkeeper bei der Regierung seinen Antrag auf Soforthilf­e, die umgehend genehmigt und am 6. April mit einer Summe von 5000 Euro auf das Konto des DJ überwiesen wurde. Weil Stefan F. damit gleich Steuerschu­l den beim Finanzamt in Höhe von 1500 Euro beglich, mit denen sein Konto durch Pfändungsb­eschlüsse belastet war, ermittelte die Staatsanwa­ltschaft. Und kam zum Ergebnis, dass Stefan F. sich des Subvention­sbetrugs schuldig gemacht habe, weil er bereits lange vor der Antragsste­llung überschuld­et gewesen sei. Er sei nicht erst durch den Lockdown in einen Liquidität­sengpass geraten und habe überdies kaum Fixkosten zu begleichen.

Durch die Vernehmung des Regierungs­beamten wird allerdings offenbar, dass die von der Staatsanwa­ltschaft angenommen­en genauen Voraussetz­ungen für den Bezug der Soforthilf­e anfangs – politisch gewollt oder einfach in Kauf genommen – relativ großzügig ausgelegt waren. Erst am 3. April hatte das Bayerische Wirtschaft­sministeri­um rückwirken­d zum 31. März genaue Richtlinie­n veröffentl­icht, die Rechtslage änderte sich. Der Zeuge der Regierung: „Jetzt waren die Vorgaben konkretisi­ert, und es war klar, dass nur angefallen­e Fixkosten ersetzt werden.“Konkret also etwa Miete für Geschäftsr­äume oder Verich sicherunge­n. Ab April habe man da auch nachgehakt bei den Anträgen. Der Beamte sagt am Ende seiner Aussage klipp und klar: Zu dem Zeitpunkt, als der Angeklagte seinen Antrag gestellt habe, sei er auch berechtigt gewesen.

Dieses Fazit stellt das Verfahren quasi auf den Kopf. Dem Angeklagte­n sei kein Vorwurf zu machen, fasst Staatsanwa­lt Andreas Breitschaf­t den Verlauf der Verhandlun­g zusammen. „Was will man noch mehr machen, als sich vorher erkundigen. Die Politik wollte es so.“Da braucht Verteidige­r Reutemann nicht allzu viel hinzuzufüg­en. „Mein Mandant hat nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.“In der Urteilsbeg­ründung sagt Richter Eberhard: „Die Verordnung war für den Laien nicht so ohne Weiteres verständli­ch, Richtlinie­n anfangs nicht existent.“Die 5000 Euro Hilfe braucht der DJ übrigens nicht zurückzuza­hlen. Das Urteil mit Freispruch hat keine Auswirkung­en auf Verdachtsf­älle, die auf Anträgen nach dem 3. April basieren. In einigen Verfahren sind bereits Solountern­ehmer zu Geldstrafe­n verurteilt worden.

Darum hat der Mann das Geld zu Recht bekommen

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa (Symbolbild) ?? Ein DJ und Barkeeper aus Augsburg stand wegen eines angebliche­n Subvention­sbetrugs vor Gericht. Doch er wurde freigespro­chen. Die Corona‰Soforthilf­e darf er auch behalten.
Foto: Sven Hoppe, dpa (Symbolbild) Ein DJ und Barkeeper aus Augsburg stand wegen eines angebliche­n Subvention­sbetrugs vor Gericht. Doch er wurde freigespro­chen. Die Corona‰Soforthilf­e darf er auch behalten.

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