Augsburger Allgemeine (Land West)
Buchläden leiden unter Corona
Lockdown und Kurzarbeit. Restaurants und Kinos haben geschlossen. Da bleibt Zeit zum Lesen. Aber die Buchläden im Landkreis Augsburg wollen eine Zukunftsperspektive
Landkreis Augsburg Lesen ist eine der wenigen Beschäftigungen, die von den Maßnahmen zur CoronaBekämpfung unberührt sind. Greifen die Menschen wieder öfter zur Literatur, jetzt, wo viele durch Kurzarbeit und Homeoffice mehr Zeit haben als vor der Pandemie?
Elke Eser von der Buchhandlung Eser in Meitingen sagt: „Ich hab das Gefühl, dass mehr gelesen wird.“Etwa die Hälfte ihrer Kundschaft nutze aktuell Click & Collect, bestellt Bücher also vor und holt sie dann ab. Die andere Hälfte lasse sich die Bestellung liefern oder mit der Post schicken. Gute Beratung bleibe trotzdem wichtig, viele Kunden nennen ihr am Telefon ihre Lieblingsautoren und fragen nach ähnlichen Empfehlungen, sagt die Buchhändlerin. In Meitingen kaufen Lesebegeisterte aktuell oft „Ein verheißenes Land“des ehemaligen USPräsidenten Barack Obama oder die Sammlung kurzer Geschichten „Männer in Kamelhaarmänteln“von Elke Heidenreich.
Susanna Litzel von der Buchecke in Diedorf verkauft viele Sach- und Selbstfindungsbücher. „Die Leute wollen sich in eine Scheinwelt flüchten, aber auch informieren“, sagt sie. Im Bereich der Kinderliteratur sind bei ihr Werke gefragt, mit denen bereits Generationen aufgewachsen sind, vor allem die Klassiker von Erich Kästner und Astrid Lindgren. Auch die Buchecke bietet Click & Collect an. Zehn bis 15 Menschen kaufen täglich auf diese Art in Diedorf Lesestoff.
Click & Collect gibt es auch beim Buchladen in Gersthofen. Mitinhaberin Marion Mertens ist vor allem im ersten Lockdown vergangenes Jahr eine erhöhte Nachfrage nach Literatur aufgefallen: „Im April haben die Menschen sich noch stapelweise Bücher gekauft, um sich einzudecken, bevor wir schließen mussten.“Mittlerweile werde nicht mehr ganz so viel gekauft, aber bis zu 50 Bücher am Tag holen Lesebegeisterte im Laden in der Bahnhofstraße ab oder lassen sie sich schicken. Im Gegensatz zur Buchecke verkauft der Buchladen aktuell eher wenig Literatur für Kinder. Besonders bei den Lese-Lern-Büchern bereitet das Mertens Sorgen, zumal der Bedarf in Zeiten des Homeschoolings doch groß sein müsse.
Silke Karl kauft bei Mertens für ihre Söhne ein. Ihr fällt es aktuell schwerer, Bücher zu finden, die den Fünf- und den Achtjährigen wirklich interessieren. „Da muss ich reinkommen, da muss ich gucken“, sagt sie. Dennoch freut sie sich, dass die Buchläden seit Mitte Januar überhaupt wieder verkaufen dürfen. Davor musste sie eine Lesepause einlegen, denn Karl sagt: „Ich kauf nicht über Amazon.“
Obwohl sich die Stammkundschaft über das Abhol- und Lieferangebot freut, sagen die meisten befragten Händlerinnen aus dem Landkreis: Mit dem Umsatz ging es seit Corona bergab. Etwa 50 Prozent verkaufe sie aktuell weniger als vor der Pandemie, schätzt Litzel. „Es ist nicht vergleichbar und deckt auch unsere laufenden Kosten nicht“, sagt Eser. Marion Mertens fordert eine Perspektive, auch für ihre Mitarbeiter. Zum Umsatz des Buchladens in Gersthofen zieht sie das Fazit: „Es ist momentan unterirdisch.“
Woran liegt das? Viele seien noch nicht auf das Click-and-Collect-Angebot aufmerksam geworden, vermutet Litzel. Artikel wie Karten oder Lesezeichen seien online gar nicht im Angebot, würden aktuell also überhaupt nicht verkauft, erklärt Eser. Außerdem scheint das Durchstöbern von Bergen an Büchern und das Probelesen zwischen den Regalen vielen zu fehlen. Eser erzählt etwa, wie ein kleiner Junge vor ihrem Laden ganz enttäuscht gewesen sei, weil er nicht hereinkommen und die Bücher anschauen durfte. Maximilian Fischer vom Laden Bücher-Max in Neusäß macht zurzeit mehr Umsatz als vor der Pandemie. Dafür nimmt er längere Arbeitszeiten und höhere Kosten in Kauf: Im Umkreis von zehn Kilometern werden Bücher kostenfrei mit dem Lasten-Fahrrad ausgeliefert und Fischer bestellt aktuell mehr beim Großhandel, wo die Preise höher sind als direkt bei den Verlagen. Einen Vorteil des Buchhandels gegenüber anderen Branchen sieht er darin, dass der Online-Marktplatz Amazon, der sich anfangs auf Bücher spezialisierte, die kleinen Läden früh in ihrer Existenz bedrohte. „Wir sind die erste Branche, die von Amazon durch den Fleischwolf gedreht wurde“, sagt Fischer. Dadurch habe man sich umstellen müssen und Alternativen erarbeitet, etwa eigene Onlineshops, wie sie heute fast alle Buchläden haben.