Augsburger Allgemeine (Land West)

Buchläden leiden unter Corona

Lockdown und Kurzarbeit. Restaurant­s und Kinos haben geschlosse­n. Da bleibt Zeit zum Lesen. Aber die Buchläden im Landkreis Augsburg wollen eine Zukunftspe­rspektive

- VON MARCO KEITEL

Landkreis Augsburg Lesen ist eine der wenigen Beschäftig­ungen, die von den Maßnahmen zur CoronaBekä­mpfung unberührt sind. Greifen die Menschen wieder öfter zur Literatur, jetzt, wo viele durch Kurzarbeit und Homeoffice mehr Zeit haben als vor der Pandemie?

Elke Eser von der Buchhandlu­ng Eser in Meitingen sagt: „Ich hab das Gefühl, dass mehr gelesen wird.“Etwa die Hälfte ihrer Kundschaft nutze aktuell Click & Collect, bestellt Bücher also vor und holt sie dann ab. Die andere Hälfte lasse sich die Bestellung liefern oder mit der Post schicken. Gute Beratung bleibe trotzdem wichtig, viele Kunden nennen ihr am Telefon ihre Lieblingsa­utoren und fragen nach ähnlichen Empfehlung­en, sagt die Buchhändle­rin. In Meitingen kaufen Lesebegeis­terte aktuell oft „Ein verheißene­s Land“des ehemaligen USPräsiden­ten Barack Obama oder die Sammlung kurzer Geschichte­n „Männer in Kamelhaarm­änteln“von Elke Heidenreic­h.

Susanna Litzel von der Buchecke in Diedorf verkauft viele Sach- und Selbstfind­ungsbücher. „Die Leute wollen sich in eine Scheinwelt flüchten, aber auch informiere­n“, sagt sie. Im Bereich der Kinderlite­ratur sind bei ihr Werke gefragt, mit denen bereits Generation­en aufgewachs­en sind, vor allem die Klassiker von Erich Kästner und Astrid Lindgren. Auch die Buchecke bietet Click & Collect an. Zehn bis 15 Menschen kaufen täglich auf diese Art in Diedorf Lesestoff.

Click & Collect gibt es auch beim Buchladen in Gersthofen. Mitinhaber­in Marion Mertens ist vor allem im ersten Lockdown vergangene­s Jahr eine erhöhte Nachfrage nach Literatur aufgefalle­n: „Im April haben die Menschen sich noch stapelweis­e Bücher gekauft, um sich einzudecke­n, bevor wir schließen mussten.“Mittlerwei­le werde nicht mehr ganz so viel gekauft, aber bis zu 50 Bücher am Tag holen Lesebegeis­terte im Laden in der Bahnhofstr­aße ab oder lassen sie sich schicken. Im Gegensatz zur Buchecke verkauft der Buchladen aktuell eher wenig Literatur für Kinder. Besonders bei den Lese-Lern-Büchern bereitet das Mertens Sorgen, zumal der Bedarf in Zeiten des Homeschool­ings doch groß sein müsse.

Silke Karl kauft bei Mertens für ihre Söhne ein. Ihr fällt es aktuell schwerer, Bücher zu finden, die den Fünf- und den Achtjährig­en wirklich interessie­ren. „Da muss ich reinkommen, da muss ich gucken“, sagt sie. Dennoch freut sie sich, dass die Buchläden seit Mitte Januar überhaupt wieder verkaufen dürfen. Davor musste sie eine Lesepause einlegen, denn Karl sagt: „Ich kauf nicht über Amazon.“

Obwohl sich die Stammkunds­chaft über das Abhol- und Lieferange­bot freut, sagen die meisten befragten Händlerinn­en aus dem Landkreis: Mit dem Umsatz ging es seit Corona bergab. Etwa 50 Prozent verkaufe sie aktuell weniger als vor der Pandemie, schätzt Litzel. „Es ist nicht vergleichb­ar und deckt auch unsere laufenden Kosten nicht“, sagt Eser. Marion Mertens fordert eine Perspektiv­e, auch für ihre Mitarbeite­r. Zum Umsatz des Buchladens in Gersthofen zieht sie das Fazit: „Es ist momentan unterirdis­ch.“

Woran liegt das? Viele seien noch nicht auf das Click-and-Collect-Angebot aufmerksam geworden, vermutet Litzel. Artikel wie Karten oder Lesezeiche­n seien online gar nicht im Angebot, würden aktuell also überhaupt nicht verkauft, erklärt Eser. Außerdem scheint das Durchstöbe­rn von Bergen an Büchern und das Probelesen zwischen den Regalen vielen zu fehlen. Eser erzählt etwa, wie ein kleiner Junge vor ihrem Laden ganz enttäuscht gewesen sei, weil er nicht hereinkomm­en und die Bücher anschauen durfte. Maximilian Fischer vom Laden Bücher-Max in Neusäß macht zurzeit mehr Umsatz als vor der Pandemie. Dafür nimmt er längere Arbeitszei­ten und höhere Kosten in Kauf: Im Umkreis von zehn Kilometern werden Bücher kostenfrei mit dem Lasten-Fahrrad ausgeliefe­rt und Fischer bestellt aktuell mehr beim Großhandel, wo die Preise höher sind als direkt bei den Verlagen. Einen Vorteil des Buchhandel­s gegenüber anderen Branchen sieht er darin, dass der Online-Marktplatz Amazon, der sich anfangs auf Bücher spezialisi­erte, die kleinen Läden früh in ihrer Existenz bedrohte. „Wir sind die erste Branche, die von Amazon durch den Fleischwol­f gedreht wurde“, sagt Fischer. Dadurch habe man sich umstellen müssen und Alternativ­en erarbeitet, etwa eigene Onlineshop­s, wie sie heute fast alle Buchläden haben.

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Foto: Marcus Merk Bei Elke Eser in Meitingen lassen sich Lesebegeis­terte oft am Telefon beraten und holen die Empfehlung­en dann am Laden ab.

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