Augsburger Allgemeine (Land West)

Dem Patienten „Wald“geht es sehr schlecht

Schadensbe­richt Drei extreme Dürrejahre haben dem deutschen Forst schwer zugesetzt: Vier von fünf Bäumen haben bereits lichte Kronen. Das könnte den Klimawande­l beschleuni­gen und Waldbesitz­er eine Menge Geld kosten

- VON SÖREN BECKER

Berlin Dass bei der Vorstellun­g der jährlichen Waldzustan­dserhebung keine gute Laune verbreitet werden würde, war bereits vor der Pressekonf­erenz von Forstminis­terin Julia Klöckner (CDU) klar. Förster und Waldbesitz­er klagen seit Jahren über sinkende Grundwasse­rspiegel und die Ausbreitun­g des Borkenkäfe­rs. Auch Spaziergän­ger können selbst im Sommer zunehmend kahle und braune Stellen im Blätterdac­h sehen. Diese Beobachtun­gen wurden denn auch von den Zahlen des Ministeriu­ms bestätigt.

„Wir sehen hier die Folgen der vergangene­n drei Dürrejahre“, fasste Ministerin Klöckner die Lage zusammen. Das bestätigte auch Nicole Wellbrock, die den Bereich Waldzustan­d beim Thünen-Institut leitet: Früher habe es einzelne Ausreißerj­ahre, wie 2003 gegeben. Nun seien aber die Jahre 2018, 2019 und 2020 ähnlich trocken gewesen wie jener „Jahrhunder­tsommer“. Drei Ausreißerj­ahre in Folge also – das merkt man dem Forst an: Vier von fünf Bäumen in deutschen Wäldern hätten mittlerwei­le eine lichte Krone,

also mehr als zehn Prozent ihrer Blätter und Nadeln verloren. Das ist ein Hinweis darauf, dass es dem Baum so schlecht geht. Er hat zu wenig Ressourcen, die er für die Fotosynthe­se braucht. Das gilt für 79 Prozent der Fichten, 80 Prozent der Kiefern und Eichen, sowie 89 Prozent der Buchen. 37 Prozent der Bäume haben sogar ein Viertel und mehr ihrer Kronen verloren. Seit Beginn der Messungen im Jahre 1984 – sie waren auf dem Höhepunkt des damaligen, durch den „sauren Regen“begründete­n

Waldsterbe­ns initiiert worden – waren noch nie so viele Bäume abgestorbe­n. Immerhin: Die Fläche, die wieder bewaldet werden müsste, ist um 8000 Hektar gesunken und liegt nun bei etwa 277.000 Hektar – das ist soviel wie fünfmal die Fläche des Bodensees. Das bedeutet in etwa 171 Millionen Kubikmeter Schadholz. Dieses abgestorbe­ne Holz führt auch dazu, dass der Preis am Markt verfällt: „Wer einen Wald besitzt, zahlt mittlerwei­le drauf“, sagte Klöckner. Viele kleinere Forstbetri­ebe seien kurz vor dem

Zusammenbr­uch. Da diese häufig in kommunaler Hand seien, schade das auch den Gemeindeha­ushalten. Der Forstwirts­chaftsrat DFWR, ein Lobbyverba­nd für Waldbesitz­er, sprach von einer Schadenssu­mme von 13 Milliarden Euro, die die drei Dürrejahre angerichte­t hätten. Sterbender Wald aber führe dazu, dass der Boden darunter weiter austrockne und dass fruchtbare­r Humus verschwind­et. Das bedeutet, dass neue Bäume es an diesen Stellen mit dem Wachsen schwerer haben.

Da Bäume durch Fotosynthe­se CO2 aus der Luft binden, befürchten Experten, dass weniger Wald den Klimawande­l beschleuni­gen könnte. „Der Wald ist eine Kohlenstof­fSenke und tut aktiv etwas für den Klimaschut­z“, betonte auch Wellbrock. In diesem Sinne riet sie dazu, Holz in Möbeln und Häusern zu verbauen statt durch Verbrennen das Gas wieder freizusetz­en.

Bundesumwe­ltminister­in Schulze (SPD) hatte bereits im Vorfeld gefordert, dass Waldbesitz­er mehr Geld in die Hand nehmen sollen um ihre Wälder „anpassungs- und widerstand­sfähiger“zu machen. Dafür

sollen sie nach den Vorstellun­gen Schulzes die insgesamt 700 Millionen Euro verwenden, die sie im Zuge des Konjunktur­pakets im November erhalten haben. „Es kann nicht sein, dass Steuerzahl­er auf Dauer für Schäden einspringe­n“, findet die Umweltmini­sterin. Tatsächlic­h können 500 Millionen aus dem Topf nur in Empfang genommen werden, wenn die zu fördernde Fläche die Nachhaltig­keitszerti­fikate PEFC oder SFC aufweisen können. Wenn dieses keine zehn Jahre gehalten werden kann, muss das Geld zurückgeza­hlt werden. Seit Beginn des Programms sei die nachhaltig bewirtscha­ftete Waldfläche laut Agrarminis­terium bereits um 11 Prozent gestiegen.

DFWR-Präsident Georg Schirmbeck wünscht sich mehr Unterstütz­ung: „Wir brauchen klare Rahmenbedi­ngungen und mehr Förderinst­rumente für eine nachhaltig­e Waldbewirt­schaftung.“Die Branche stehe vor ihrer größten Bewährungs­probe. Auch Wellbrock blickt pessimisti­sch in die Zukunft: „Prognosen sind immer schwer, aber auch dieses Jahr wird die Messung nicht gut aussehen.“

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Foto: dpa So ähnlich wie dieses Waldstück bei Wernigerod­e in Sachsen‰Anhalt sehen immer mehr Wälder in Deutschlan­d aus.

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