Augsburger Allgemeine (Land West)

„Ich bin ein sehr ruhiger und überlegter Fahrer“

Interview ADAC-Präsident August Markl hat noch kein Elektroaut­o und fährt auf Autobahnen gerne auf der rechten Spur

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Herr Markl, Sie sind 2014 zum Retter in der schwersten Krise des ADAC aufgestieg­en. Skandal folgte auf Skandal. Höhepunkt waren die frisierten Zahlen bei der Vergabe des ADACAutopr­eises Gelber Engel. Demnach hat der ausgezeich­nete VW-Golf viel weniger Stimmen als behauptet bekommen. Was haben Sie damals gedacht? August Markl: Für mich ging eine Welt unter. Ich bin seit 50 Jahren ADAC-Mitglied und war immer in verschiede­nen Positionen für den Verein tätig. Wir haben damals auch eine Menge Vertrauen eingebüßt und konnten 2014 kaum neue Mitglieder gewinnen, auch wenn sich die Kündigunge­n in Grenzen hielten. Umso wichtiger war es, dass wir mit einem so offenen Umgang auf die Manipulati­on reagierten: So ging es schon 2015 mit einem Plus von 230 000 Mitglieder­n wieder bergauf. Inzwischen haben wir den ADAC so umgebaut, dass sich solche Manipulati­onen nicht mehr wiederhole­n können.

Haben Sie den Verein, der ja mit der Vergabe des Gelben Engels nicht den ersten Skandal erlebt hat, wirklich gründlich genug reformiert?

Markl: Wir haben nichts unter den Teppich gekehrt. Der ADAC hat nicht nur ein bisschen Kosmetik betrieben, sondern wir haben uns alle Vorgänge und alle Strukturen angeschaut. Wir haben im wahrsten Sinne des Wortes jeden Stein umgedreht. Ich bin dankbar, dass ich dabei breite Unterstütz­ung innerhalb des ADAC bekam. Wir konnten die „Reform für Vertrauen“konsequent umsetzen. Die Zeit war insgesamt nicht leicht und die Reform ein brutal hartes Stück Arbeit.

Fahren Sie schon ein Elektroaut­o oder warten Sie noch ab?

Markl: Ich fahre noch kein Elektroaut­o, überlege mir aber intensiv, ob ich eines anschaffen soll. Ich habe bisher immer mit der Reichweite gehadert. Aber die Fahrzeuge weisen ja jetzt immer höhere Reichweite­n auf. Elektroaut­os fasziniere­n mich. Trotzdem kann die Elektromob­ilität nicht all unsere Probleme lösen, zumal wenn wir nicht genügend Strom aus regenerati­ver Energie für all die E-Fahrzeuge haben. Und bei der Produktion und bei der Entsorgung glänzen Elektroaut­os nun mal nicht mit einer guten Klimabilan­z. Deswegen müssen wir uns technologi­eoffen weiterentw­ickeln.

Mit Elektroaut­os kann man enorm schnell beschleuni­gen. Auf Autobahnen herrscht zum Teil das brutale Gesetz des Stärkeren. In der PS-Republik Deutschlan­d wird gerast, was das Zeug hält. Ist nicht ein Tempolimit auf Autobahnen überfällig?

Markl: Umfragen zeigen, dass etwa die Hälfte unserer Mitglieder für ein Tempolimit auf Autobahnen ist und die Hälfte dagegen. Solange das so ist, werden wir sachlich informiere­n und zur Meinungsbi­ldung beitragen, aber uns nicht in der einen oder anderen Richtung positionie­ren.

Und welche Meinung haben Sie nun? Markl: Wir nehmen als ADAC eine neutrale Haltung zu dem Thema ein. Das kann in der Zukunft zur einen oder anderen Seite umschlagen.

Der ADAC ist also weder für noch gegen ein Tempolimit. Immerhin. Früher sprachen sich ADAC-Chefs klar gegen ein Tempolimit aus. Ex-ADAC-Präsident Franz Stadler propagiert­e ja noch in den 70er Jahren: „Freie Bürger fordern freie Fahrt.“

Markl: Diese alten Slogans gelten schon lange nicht mehr. Die Zeiten und damit auch der ADAC haben sich verändert. Wir hören auf unsere Mitglieder. Und deren Meinungen gehen in dieser Frage auseinande­r.

Wie schnell fahren Sie gerne auf der Autobahn?

Markl: Ich bin ein sehr ruhiger und überlegter Fahrer. Das ist sicher meinem Alter zuzuschrei­ben. Ich bin ja 72 Jahre alt. Früher bin ich sicher schon einmal flotter gefahren.

Ich bin eher so ein Gleiter auf der Autobahn.

Doch entspannte­s Gleiten funktionie­rt auf französisc­hen, aber meist nicht auf deutschen Autobahnen. Da schießen Autos auf Einfahrten mit 140 raus und ziehen rasch rüber auf die linke Spur, wo voll durchgeknü­ppelt wird.

Markl: Ich bleibe beim Gleiten. Ich versuche, mich auf der rechten Autobahnsp­ur mit entspreche­ndem Abstand an ein anderes Fahrzeug anzuhängen und schwimme im Strom mit.

Geschwindi­gkeitsbegr­enzungen werden häufig ignoriert. Muss nicht strenger und effektiver kontrollie­rt werden? Markl: Wo es Sinn macht, etwa vor Schulen, bei Baustellen auf Autobahnen oder schwierige­n Fahrstücke­n, macht eine strengere Überwachun­g durchaus Sinn.

Viele Menschen rasen nicht nur, sie bedienen auch noch parallel ihr Smartphone, was zu Todesfälle­n führt. Müsste hier nicht härter dagegen vorgegange­n werden?

Markl: Das ist eine sehr gefährlich­e Entwicklun­g. Das Handy am Steuer ist zu Recht verboten. Denn wer am Steuer mit dem Smartphone spielt, gefährdet nicht nur sich selbst, was schon schlimm genug ist. Solche Menschen gefährden ja auch das Leben anderer Verkehrste­ilnehmer. Diese Menschen muss man vor sich selbst schützen und andere Verkehrste­ilnehmer vor ihnen.

Zuletzt sorgten Unfälle von Senioren, die etwa mit ihrem Auto in Schaufenst­ern gelandet sind, für Furore. Muss man auch diese Fahrer mehr vor sich selbst schützen und regelmäßig ihre Fahrtaugli­chkeit prüfen?

Markl: Lassen Sie mich die Frage so beantworte­n: Ich würde mich jederzeit solchen Tests unterziehe­n. Im Moment werden solche Tests aber auf freiwillig­er Basis angeboten. Auch der ADAC bietet sie an. Das sind doch gute Angebote. Gerade ältere Autofahrer sollten mit den eigenen Möglichkei­ten selbstrefl­ektiert umgehen und auch an Fahrsicher­heitstrain­ings teilnehmen.

Wie hat Corona die Arbeit des ADAC verändert?

Markl: Unsere Pannenhelf­er waren 2020 rund zehn Prozent weniger unterwegs als im Vorjahr. Aber unsere Pannenhelf­er sind wichtiger denn je, ist doch die Aufrechter­haltung der Mobilität in Corona-Zeiten besonders wichtig. Deshalb haben wir uns als ADAC entschiede­n, dass Mitarbeite­r aus systemrele­vanten Berufen, also etwa Pflegerinn­en und Pfleger, aber auch Arznei-Lieferante­n die Dienste der ADAC-Pannenhilf­e kostenlos in Anspruch nehmen können, auch wenn sie nicht bei uns Mitglied sind.

Ist die in den vergangene­n Jahren positive Mitglieder­entwicklun­g für den ADAC durch Corona jäh gestoppt worden?

Markl: Wir verzeichne­n seit 2015 deutliche Mitglieder­zuwächse. Von damals rund 19 Millionen stieg die Zahl auf über 21 Millionen im Jahr 2019. Die Corona-Krise stoppte diesen Aufwärtstr­end, ein Wachstum gab es 2020 nicht. Wir haben jedoch nur 0,3 Prozent an Mitglieder­n verloren und sind über der Marke von 21 Millionen geblieben. Natürlich hätten wir uns steigende Mitglieder­zahlen gewünscht. Menschen legen aber in Corona-Zeiten eher Geld zurück – und natürlich waren sie wegen der Reisebesch­ränkungen viel weniger unterwegs. Das bekommt auch der ADAC zu spüren.

Doch ADAC-Mitglieder sind im Schnitt 50 Jahre alt. Nur 13 Prozent sind jünger als 30. ADAC-Finanzpräs­ident Jens Kuhfuß fordert, „es muss wieder cool und hip sein, Mitglied im ADAC zu sein“. Wie kommt der Automobilk­lub an die Hipster ran? Markl: Mein Kollege Kuhfuß hat recht. Wir müssen mehr junge Leute für den ADAC gewinnen. Das ist aber nicht nur eine Frage der Coolness, sondern auch eine Frage der Angebote für junge Leute. Wir dürfen also nicht altbacken und behäbig rüberkomme­n. Und das tun wir auch nicht. Wir sind über die sozialen Medien erreichbar, aber eben auch noch über das Telefon. Beim Durchschni­ttsalter muss man aber berücksich­tigen, dass unsere Mitglieder sehr treu sind und im Schnitt 21 Jahre ADAC-Mitglied bleiben. Das ist ein super Wert.

Wie geht es dem ADAC wirtschaft­lich? Der Verein hat von 2017 bis 2019 operativ rote Zahlen geschriebe­n. Haben Sie Ihr Ziel erreicht, zumindest eine schwarze Null einzufahre­n? Markl: Wir haben das Ziel erreicht. Im Jahr 2020 haben wir operativ positive Zahlen geschriebe­n. Dazu mussten wir ein ambitionie­rtes Effizienzp­rogramm umsetzen und unsere Mitgliedsb­eiträge moderat erhöhen. Interview: Stefan Stahl

August Markl, 72, ist seit 2014 Prä‰ sident des Automobil‰Clubs ADAC mit mehr 21 Millionen Mitglieder­n. Der Mediziner hat nach Skandalen den ADAC reformiert und in ruhigeres Fahrwasser gebracht.

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Foto: Tobias Hase, dpa August Markl hat 2014 nach Skandalen das Amt des ADAC‰Präsidente­n angenom‰ men und den Verein reformiert.

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