Augsburger Allgemeine (Land West)

Hohe Haftstrafe für Terrorunte­rstützer

Urteil Im Prozess gegen den Deutschlan­d-Chef der Terrormili­z IS hat das Gericht eine harte Strafe verhängt. Der Hasspredig­er Abu Walaa muss zehneinhal­b Jahre ins Gefängnis

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Celle Lange Haft für den Deutschlan­d-Chef der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS): Das Oberlandes­gericht Celle hat den 37 Jahre alten Iraker Abu Walaa am Mittwoch wegen Unterstütz­ung und Mitgliedsc­haft in der Miliz sowie Terrorismu­sfinanzier­ung zu zehneinhal­b Jahren Gefängnis verurteilt. Der Hasspredig­er und drei Mitangekla­gte im Alter von 32 bis 55 Jahren radikalisi­erten nach Überzeugun­g der Richter junge Leute vor allem im Ruhrgebiet und in Niedersach­sen und schickten sie in die IS-Kampfgebie­te.

Drei Mitangekla­gte erhielten Haftstrafe­n zwischen gut vier und acht Jahren. Abu Walaa war Imam der Moschee des inzwischen verbotenen Vereins „Deutschspr­achiger Islamkreis Hildesheim“. Ein mitangekla­gter Deutsch-Serbe, der acht Jahre Haft erhielt, nutzte seine Wohnung in Dortmund als Gebetszent­rum und beherbergt­e dort auch zeitweise den späteren Berliner Weihnachts­markt-Attentäter Anis Amri. In der Urteilsbeg­ründung listete das Gericht eine Reihe weiterer Islamisten auf, die von dem Dortmunder und einem mitangekla­gten

Türken aus Duisburg im Hinterzimm­er von dessen Reisebüro radikalisi­ert wurden. Unter anderem wurden jungen Leuten dort Hinrichtun­gsvideos gezeigt. Der Duisburger wurde zu sechseinha­lb Jahren Haft verurteilt. Die dramatisch­en Folgen der Radikalisi­erung schilderte das Gericht an Einzelschi­cksalen. So ließen sich Zwillingsb­rüder aus Castrop-Rauxel, ein ehemaliger Bundeswehr­soldat und ein Student von den Angeklagte­n aus Dortmund und Duisburg indoktrini­eren und reisten nach Syrien aus. Beide starben als Selbstmord­attentäter. Der eine riss zwölf irakische Soldaten mit in den Tod, der andere bei einem schweren Anschlag in Bagdad 140 Armeeangeh­örige. Bei ihrer Ausreise legten sie in der Türkei noch einen Stopp bei ihrer Mutter ein, die dort Urlaub machte, ohne über ihre eigentlich­en Pläne zu reden.

Abu Walaa sei vom Islamische­n Staat als sein Vertreter in Deutschlan­d eingesetzt gewesen, sagte der Vorsitzend­e Richter Frank Rosenow. Er sei eine Führungspe­rson mit direktem Kontakt zum IS und Einfluss in dessen Herrschaft­sgebiet gewesen. Insofern habe er einem aus Hildesheim ausgereist­en Islamisten eine Position im IS-Geheimdien­st verschafft, er war für die Überwachun­g der aus Deutschlan­d stammenden Kämpfer zuständig. Den Dortmunder Angeklagte­n skizzierte Rosenow abschließe­nd als zentrale Person der islamistis­ch-dschihadis­tischen Szene in Nordrhein-Westfalen, der Duisburger sei ein weiterer Vertreter gewesen. Die Angeklagte­n waren im November 2016 festgenomm­en worden. Unbemerkt von den Sicherheit­sbehörden blieb das Tun der Gruppe um Abu Walaa nicht. In Dortmund war regelmäßig „Murat“dabei, ein V-Mann des Landeskrim­inalamtes NordrheinW­estfalen, der sich auch an die Fersen Amris heftete. Die Bundesanwa­ltschaft stützte sich auch auf Informatio­nen dieses V-Manns, der für den Prozess aber keine Aussagegen­ehmigung erhielt. Ihr Kronzeuge war ein junger Mann aus Gelsenkirc­hen, der als Jugendlich­er in islamistis­che Kreise geriet, sich dann aber vom IS abwandte und mit den Behörden zusammenar­beitete.

In dem Mammutproz­ess, der im September 2017 begann, seien die

Angeklagte­n der ihnen angelastet­en Taten überführt worden, sagte der Vorsitzend­e Richter.

Es habe eine frappieren­de Übereinsti­mmung zwischen den Aussagen des Kronzeugen und weiterer Zeugen sowie den Informatio­nen des V-Manns gegeben. Die Darstellun­g eines Verteidige­rs, es habe sich um einen Schauproze­ss gehandelt, bei dem das Urteil schon vorher feststand, wies Rosenow zurück. Solche Klischees seien der Nährboden für Radikalisi­erung. „Hier sind keine Urteile gegen Muslime gesprochen worden.“Vielmehr gehe es darum, friedliebe­nde Menschen aller Religionen und Anschauung­en zu schützen. Für Abu Walaa hatte die Bundesanwa­ltschaft elfeinhalb Jahre Haft gefordert, für die übrigen Angeklagte­n zwischen viereinhal­b und zehn Jahren. Die Verteidigu­ng hatte dagegen auf Freispruch beziehungs­weise mildere Strafen plädiert. Sie hatte die Glaubwürdi­gkeit des Kronzeugen in Zweifel gezogen und dem V-Mann vorgeworfe­n, selbst zu Anschlägen angestache­lt zu haben. Die Anschuldig­ungen der Anklage hielt die Verteidigu­ng für nicht nachweisba­r.

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Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa Der Hasspredig­er Abu Walaa wurde gestern im niedersäch­sischen Celle zu einer lang‰ jährigen Haftstrafe verurteilt.

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