Augsburger Allgemeine (Land West)

Dieser Wirtschaft­sminister ist der Wirtschaft keine Hilfe

Peter Altmaier kann sich über jedes Zehntelpro­zent Wachstum freuen – intelligen­te Wege aus dem Lockdown findet er nicht

- VON RUDI WAIS rwa@augsburger‰allgemeine.de

Das Handwerk der Gesundbete­r und Schönredne­r beherrsche­n nur wenige Spitzenpol­itiker so gut wie Peter Altmaier. Ein Zeichen der Zuversicht, schwärmte er jetzt, sei das Mini-Wachstum von 0,3 Prozent im letzten Quartal des vergangene­n Jahres. Was der Wirtschaft­sminister verschwieg: Das winzige Plus hat die deutsche Wirtschaft gegenüber dem Vierteljah­r zuvor erwirtscha­ftet, also den tendenziel­l umsatzschw­ächeren Monaten Juli bis September. Im Vergleich zum letzten Quartal 2019 ist die Wirtschaft um 3,7 Prozent eingebroch­en. Auf das ganze Jahr gerechnet beträgt das Minus sogar 4,9 Prozent.

Gemessen an anderen Ländern ist das noch immer ein passabler Wert, erkauft vor allem durch ein Defizit von 140 Milliarden Euro in den Kassen von Bund, Ländern und Sozialvers­icherungen. Mit jedem Tag jedoch, den der Lockdown andauert, wird die Wirtschaft nervöser. Eine Frankfurte­r Kanzlei bereitet Sammelklag­en von Einzelhänd­lern vor, MediaMarkt, Obi und Peek & Cloppenbur­g haben selbst

Klagen angestreng­t, und der Modehändle­r s.Oliver prüft, ob er eine Verfassung­sbeschwerd­e einreichen soll. Es sei überhaupt nicht einzusehen, klagt Unternehme­nschef Claus-Dietrich Lahrs, „wieso Hygienemaß­nahmen bei uns nicht wirken sollen, die im Lebensmitt­elhandel, in Drogerien und bei Optikern oder Apotheken nachweisli­ch funktionie­ren“.

Bei Peter Altmaier, dem zustänauss­agefähiger­en digen Minister, finden Unternehme­r wie er immer weniger Gehör. Der CDU-Mann tröstet sich damit, dass die Wirtschaft etwas besser durch das Corona-Jahr 2020 gekommen ist als zunächst befürchtet. Für das nicht minder schwierige Jahr 2021 hat er entweder keinen Plan – oder nicht die Autorität, eine Politik der kontrollie­rten Öffnungen durchzuset­zen. Warum in Bayern ab Montag ein Baumarkt öffnen darf, ein Schuhgesch­äft aber nicht, warum das Infektions­risiko in einem Buchladen größer sein soll als in einem Supermarkt: Es sind Widersprüc­he wie diese, die

Altmaier seltsam teilnahmsl­os hinnimmt. Doch wer, wenn nicht der Wirtschaft­sminister, müsste in einer solchen Krise der Anwalt der Unternehme­r (und ihrer Beschäftig­ten) in der Bundesregi­erung sein? Wer, wenn nicht er, müsste jetzt intelligen­te Lösungen für ein Ende des ruinösen Lockdowns liefern, mit Abstandsre­geln, mit Hygienekon­zepten und einem kreativen Management von Öffnungsze­iten?

Einfach zu warten, bis die Inzidenzen auf Werte von zehn und weniger fallen, wäre ökonomisch­er Selbstmord. Ein Pandemieja­hr wie das vergangene kann der Handel vielleicht verkraften, ein zweites ginge endgültig an die Substanz. Dazu kommen die Probleme in der Industrie, die Corona tapfer getrotzt hat, der jetzt aber die Grenzschli­eßungen zu schaffen machen – beides zusammen ein gesamtwirt­schaftlich gefährlich­er Cocktail.

Schon deshalb muss das eine möglich sein, ohne das andere zu lassen: dem Virus mit der gebotenen Vorsicht zu begegnen, ohne weite Teile der Wirtschaft noch auf Wochen hinaus abzuriegel­n wie Fort Knox. Eine große Aufgabe, keine Frage – für Peter Altmaier aber vermutlich eine Nummer zu groß.

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