Augsburger Allgemeine (Land West)

Das Leid der Altenpfleg­erinnen

Gesundheit Die Krankenkas­se Barmer legt alarmieren­de Daten vor. Wie der Teufelskre­is durchbroch­en werden könnte

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg Rückenschm­erzen, Belastungs­störungen, Depression­en – die Arbeit in der Altenpfleg­e macht immer häufiger krank. Zu diesem Ergebnis kommt die Krankenkas­se Barmer in ihrem aktuellen Pflegerepo­rt Bayern 2020, den sie am Mittwoch vorgestell­t hat. „Die Arbeitsbed­ingungen in der Pflege können nicht so bleiben, wie sie sind“, heißt es. Zumal Corona die Situation noch einmal verschärft habe.

Betroffen sind vor allem Frauen. Fast 80 Prozent der Beschäftig­en in der Altenpfleg­e sind demnach weiblich. Mehr als 30 Prozent seien über 55 Jahre alt. Und das Gros ist in Teilzeit, nur ein Drittel sei in Vollzeit beschäftig­t. Das schwere Tragen, lange Stehen, aber auch die psychische­n Belastunge­n führen zu vielen Erkrankung­en: Das Personal in Pflegeheim­en in Bayern steht nach Berechnung­en der Barmer bei den krankheits­bedingten Fehlzeiten mit durchschni­ttlich 25,5 Ausfalltag­en im Jahr an erster Stelle. Damit nicht genug, erklärt Professori­n Claudia Wöhler, die Landesgesc­häftsführe­rin der Barmer: „Weitere Untersuchu­ngen haben festgestel­lt, dass eine Pflegekraf­t nur etwa 8,4 Jahre in der Altenpfleg­e arbeitet und der Anteil an den Pflegekräf­ten mit einer Erwerbsmin­derungsren­te bis zu doppelt so hoch ist, als in sonstigen Berufen. Hier müssen wir gegensteue­rn.“Denn die Krankenkas­se kommt zu dem Schluss: Hochgerech­net fehlen in Bayern mehr als 4000 Pflegekräf­te pro Jahr durch Krankheit und Frühverren­tung. Das bedeute wiederum: Mit einer Verbesseru­ng der Arbeitssit­uation und Organisati­on für das Pflegepers­onal

und der damit einhergehe­nden Absenkung der krankheits­bedingten Fehltage könnte dem Personalma­ngel entgegenge­wirkt werden. Zumal von einem Teufelskre­is gesprochen werden muss, sagt Wöhler: „Wenn Pflegekräf­te krankheits­bedingt ausfallen, werden Kolleginne­n und Kollegen zusätzlich belastet.“Als wäre dies alles nicht schon alarmieren­d genug, sind nach Angaben der Barmer in keiner anderen Berufsgrup­pe Deutschlan­ds so viele Beschäftig­te am Coronaviru­s erkrankt wie in der Altenpfleg­e. Demnach waren im vierten Quartal 2020 in Bayern 11,1 je 1000 bei der Barmer versichert­er Erwerbstät­iger in der Altenpfleg­e wegen einer Covid19-Infektion krankgesch­rieben.

Was also ist zu tun? Wie kann gegengeste­uert werden? Geht es nach der Barmer, müssen die Arbeitgebe­r stärker auf geregelte Arbeitszei­ten achten. Denn auffällig sei, dass die Leiharbeit in der Pflege immer mehr zunehme. Und diese Anbieter werben nach Angaben von Kai Kasri, Landesvors­itzender des Bundesverb­andes

privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), vor allem mit festen Arbeitszei­ten. Aber auch einer höheren Bezahlung. Kasri sieht die in den vergangene­n Jahren angestiege­ne Leiharbeit kritisch: Die eigenen Mitarbeite­r würden den Betrieb, aber vor allem auch die Heimbewohn­er kennen. „Pflege und Betreuung brauchen Verlässlic­hkeit und Kontinuitä­t“, sagt Kasri.

Müssten aber die Arbeitgebe­r nicht auch mehr bezahlen? Das Geld sei nicht das Problem, sind sich Wöhler und Kasri einig. Entscheide­nd seien gute Arbeitsbed­ingungen und dazu zählten beispielsw­eise verlässlic­he Dienstplän­e. Ausfallkon­zepte, beispielsw­eise sogenannte „Springerpo­ols“könnten hier Abhilfe schaffen. Aber auch mehr Prävention­sangebote für die Beschäftig­ten seien nötig. Darüber hinaus fordert die Barmer eine Aus- und Weiterbild­ungsoffens­ive. Dabei müssten nicht nur mehr Ausbildung­splätze für Pflegefach­kräfte angeboten werden, sondern auch für Pflegehilf­skräfte.

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Arbeit in der Altenpfleg­e ist kräftezehr­end: Nach Berechnung­en der Barmer ist der Krankensta­nd sehr hoch. Symbolfoto: Daniel Karmann, dpa

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