Augsburger Allgemeine (Land West)

„Du trinkst zu viel und lässt dich gehen“

Interview Nino de Angelo kennt es, wenn die Erfolge ausbleiben. Doch er hat sich vom Diktat der Schlagerma­nager befreit, schreibt eigene Songs und lebt glücklich im Allgäu. Die gute Luft hilft ihm auch gegen eine schwere Krankheit

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Herr de Angelo, „Gesegnet und Verflucht“, der Titel Ihres neuen Albums, ist offensicht­lich Ihr persönlich­es Programm.

Nino de Angelo: Ja, es ist ein mystisches Album, sehr rockig. Und es ist tatsächlic­h sehr autobiogra­fisch. Das sind tatsächlic­h alles meine Lebenserfa­hrungen, die da verarbeite­t sind.

Sie singen unter anderem: „Wie oft stand ich allein im Regen, heute weiß ich, es ist das Leben.“Das klingt nicht nach einem glückliche­n Dasein. de Angelo: Ja, aber wer mein Leben kennt, weiß, dass es so war. Ich bin ja ein Mensch, der nie einen Plan hatte und auch keinen hat.

Was meinen Sie damit? de Angelo: Ich habe weder Plan A noch Plan B noch Plan C. Ich lebe einfach! Und viele Menschen, die rational handeln, können das nicht verstehen. Ich handle nämlich gerne auch mal irrational. Denn ich bin der Meinung, der göttliche Plan steht sowieso schon geschriebe­n.

Sie führten das, was man gemeinhin als ein bewegtes Leben bezeichnet. Bei Ihnen waren es ein Super-Hit mit „Jenseits von Eden“, mehrere schwere Krankheite­n und drei Scheidunge­n. Was habe ich vergessen? de Angelo: Sie haben die vierte Scheidung vergessen!

Und was von alldem bereuen Sie? de Angelo: Ich bereue gar nix! Es sollte alles so sein.

Was waren Ihre größten Fehler? de Angelo: So sehe ich das nicht. Das ist alles ein großer Lernprozes­s. Jeder Höhenflug und jeder Absturz hatte seinen Sinn. Bei mir war es der, viel zu lernen. Ich bin ja nicht umsonst Sänger geworden. Mir ist eine besondere Gabe, also eine Stimme mit einem speziellen Ausdruck, geschenkt worden, mit der ich wiederum anderen über meine Texte und meine Musik etwas geben kann. Texte zu schreiben ist für mich auch so eine Art Therapie.

Der Titelsong soll verdeutlic­hen, dass der härteste Kampf immer der gegen sich selbst ist. Wie ist das bei Ihnen? de Angelo: Das ist so. Man geht viele Irrwege im Leben und um da nicht aufzugeben, heißt es, den eigenen inneren Schweinehu­nd zu überwinden, das Leben trotz all der Scheiße, die es gibt, gut zu finden und sich immer wieder selbst zu motivieren.

Und was war Ihr größter Irrweg?

De Angelo: Wenn man viermal geschieden ist, ist man da jeweils durch einen Irrweg gegangen. Ich bin auch in der Musik Irrwege gegangen. Ich hätte viel früher anfangen müssen, eigene Stücke zu schreiben. Früher sagten meine Manager: „Sing’ nur brav und mach dir keinen Kopf.“

Sie haben sich früher als Marionette der Musikindus­trie gefühlt? de Angelo: Das kann man schon so sagen, ja. Ich hätte schon früher aus diesem Karussell aussteigen sollen. Man muss für eine Sache brennen, ein bisschen zu glühen reicht nicht. Ich habe zwei Drittel meiner Karriere nicht gebrannt. Da schaut man, dass auf dem Konto genügend Geld ist, und alles andere ist egal. Dass man daran zugrunde gehen kann, merkt man erst, wenn man schon mittendrin ist. Ich hatte damals echt ein Problem mit meinem Leben.

Gab es eine Schlüssels­ituation? de Angelo: Nein, das nicht. Aber man merkt es, weil die Erfolge ausbleiben. Und das schlägt schnell ins

Private über, wo du dann merkst, du trinkst zu viel und lässt dich gehen. Dazu kommen Drogen und andere ungesunde Sachen. Wenn man den Problemen nicht ins Auge sehen will, dann beamt man sich halt weg. Aber dadurch wird nichts besser. Und es hat echt lange gedauert, bis ich das kapiert habe. Das waren ziemlich heftige Phasen.

Von Ihrer Schlagerze­it ist nicht mehr viel übrig. Sie schreiben melodiöse, orchestral­e Rocksongs in düsterem Licht. de Angelo: Ja, aber es sind auch nicht so düstere Popsongs drauf. Eigentlich hatte ich gar keine Lust mehr, noch mal ein Album zu machen. 2019 habe ich durch Zufall meinen heutigen Produzente­n, der aus der Metalszene kommt, kennengele­rnt. Die haben im Chameleon-Studio in Hamburg, wo ich „Jenseits von Eden“aufgenomme­n habe, eine Goldene Schallplat­te von mir gefunden. Da haben sie das in den sozialen Netzwerken gepostet und ich habe darauf geantworte­t. Und so kam eins zum anderen. Aber ich machte klar, dass ich eine ganz andere Art von Musik als bisher machen wollte.

Wie wichtig ist für Sie Geld noch, überhaupt Materielle­s? de Angelo: Geld ist für mich nur wichtig, wenn ich keines habe. Ich bin gesegnet gewesen mit viel, viel Geld, habe mir alles geleistet, was ich haben wollte. Ob das Autos waren, Häuser, Uhren, Klamotten – nur vom Feinsten. Aber das ist alles vergänglic­h. Das Einzige, was zählt, ist die Liebe – zu sich, zu anderen Menschen, zu meinen Kindern, zu meinen Eltern. Ich gehöre nicht zu denen, die die Millionen stapeln.

Welche Rolle spielt Ruhm? de Angelo: Auch der ist überbewert­et. Wissen Sie, was für mich das Wichtigste ist? Respekt von den Leuten zu bekommen. Das ist mir wichtiger als Geld und Ruhm.

Sie leben in Wertach im Oberallgäu. Warum sind Sie dort hingezogen? de Angelo: Ich bin für die Liebe ins Allgäu gezogen. Simone hat hier ihren Reitstall, ihre drei erwachsene­n Kinder leben mit uns hier. Wie könnte ich da verlangen, dass sie ihre Zelte abbricht? Außerdem fühle ich mich in dem 3000-Seelen-Dorf sehr wohl, allein die frische Luft tut meiner Lunge sehr gut. Ich lernte Simone vor drei Jahren kennen und bin dann recht schnell zu ihr gezogen.

Sie leiden an der unheilbare­n Lungenerkr­ankung COPD. Wie geht es Ihnen heute damit? de Angelo: Ich habe das vor vier Jahren kurz nach meiner Herz-Notoperati­on diagnostiz­iert bekommen. Vier Jahre war ich danach nicht beim Arzt, erst vor drei Monaten wieder. Da habe ich mich in die Röhre gelegt, weil ich so schwer atmen konnte, dass ich dachte, ich hätte Corona. Dabei wurde aber festgestel­lt, dass ich kein Corona habe und COPD sich nicht gravierend verschlech­tert hat. Glückliche­rweise schreitet das nicht so schnell voran wie befürchtet. Trotzdem habe ich manchmal schon im Ruhezustan­d Probleme mit dem Atmen und wer weiß, wie es in drei oder vier Jahren ist.

Können Sie noch auftreten? de Angelo: Ich habe mir eine spezielle Atemtechni­k zugelegt, lasse manchmal ein paar Buchstaben weg. Und nach jedem Song muss ich was erzählen. Im Moment sieht es so aus, als könnte ich noch mal auf Tournee gehen. Am schlimmste­n ist es, wenn ich mich aufrege. Das löst sofort einen Anfall aus.

Es heißt, Sie würden eine ärztliche Behandlung ablehnen und Rotwein und Whisky Medikament­en vorziehen. Wirklich wahr? de Angelo: Dass ich eine ärztliche Behandlung ablehne, ist falsch. Ich habe nur gesagt, dass ich eine Lungentran­splantatio­n ablehnen würde. Denn ich möchte da am Brustbein nicht noch mal aufgemacht werden. Ich hatte das bei meinen Bypässen. Aber so etwas macht man auch erst im vierten COPD-Stadium – und davon bin ich noch entfernt. Tatsache ist, dass ich gerne ein Glas Whisky und Rotwein trinke. Ich muss auch etwas für meine Psyche tun und will mir nicht alles verbieten.

Was wünschen Sie sich noch im Leben? de Angelo: Ich habe ja alles gehabt. Ganz wichtig ist es, dass ich Seelenfrie­den habe. Auch meine Eltern, meine Kinder und alle, die ich liebe, sollen gesund bleiben und lange leben. Interview: Josef Karg

 ?? Foto: Ralf Lienert ?? Nino de Angelo, hier mit seiner Lebensgefä­hrtin Simone, hat fast 20 Alben veröffentl­icht. Der Durchbruch gelang dem heute 57‰Jährigen Anfang der 80er mit dem Song „Jenseits von Eden“. Sein neues Album erscheint am 26. Februar.
Foto: Ralf Lienert Nino de Angelo, hier mit seiner Lebensgefä­hrtin Simone, hat fast 20 Alben veröffentl­icht. Der Durchbruch gelang dem heute 57‰Jährigen Anfang der 80er mit dem Song „Jenseits von Eden“. Sein neues Album erscheint am 26. Februar.

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