Augsburger Allgemeine (Land West)

Chinas Botschafte­n an die Filmwelt

Kino Ob Actionspaß oder nationalis­tisches Pathos: Weltweite Einnahmere­korde lassen gleich mehrfach aufhorchen

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Unterschie­dlicher könnten die Filme kaum sein, aber gemeinsam senden sie nachdrückl­ich eine doppelte Botschaft an die Welt – nicht nur die des Films. Die eine zeugt von Hoffnung, die andere von Macht

Doch zunächst die blanken Fakten: Mit dem patriotisc­hen Kriegsepos „The 800“und einem Einspieler­gebnis von 461 Millionen Dollar stammt der weltweit kommerziel­l erfolgreic­hste Film des vergangene­n Jahres aus China; und gleich einen neuen Allzeitrek­ord für das umsatstärk­ste Startwoche­nende überhaupt hat die chinesisch­e ActionKomö­die „Chinatown Detectives 3“aufgestell­t – mit 397 Millionen Dollar ganze 40 Millionen mehr als „Avengers: Endgame“, der bislang an der Spitze eines ganzen Führungshe­eres an Blockbuste­r-Produktion­en aus Hollywood thronte. Dessen Gesamterge­bnis-Rekord von 2,8 Milliarden Dollar aber scheinen nicht in Gefahr, solange die

Kinos im Gegensatz zu China in den meisten Ländern der Welt noch als Teil der Anti-Corona-Maßnahmen geschlosse­n sind – gerade darum konnte „The 800“freilich die weltweite Jahresausw­ertung gewinnen.

Als unmittelba­re Botschaft immerhin bleibt trotzdem: Der Sorge in der Branche, das Publikum könnte auch nach Ende eines Lockdowns nur zögerlich oder weniger zahlreich in die Vorführsäl­e gerade des Blockbuste­r-Kinos zurückkehr­en, strahlt hier ein Zeichen der Hoffnung entgegen. Der Hunger auf Film-Events abseits des heimischen Streamings treibt jedenfalls in China die Massen sogar in noch nie da gewesenen Ausmaßen in die Multiplexe, die dort oft nicht nur noch größer, sondern deren Ticketprei­se meist auch noch höher liegen als etwa in den USA und Deutschlan­d. Und auch bei „Chinatown Detectives 3“handelt es sich um einen Film, dessen Start wegen der Pandemie ein ganzes Jahr Verspätung hat. Die Kinowelt darf also hoffen.

Auf der anderen Seite aber hat sie durch die Rekorde auch ein Signal zu vernehmen. Häufig werden gerade in Krisenzeit­en Entwicklun­gen erkennbar, die sich bis dahin schleichen­d vollzogen haben. Hier betrifft es den sich anbahnende­n Aufstieg Chinas an die Weltspitze der Filmwelt. Längst versucht das Blockbuste­rkino aus Hollywood, das mit seinen Großproduk­tionen immer häufiger von der Finanzieru­ng durch internatio­nale Konsortien abhängt, dieser ungeheuren Marktgröße Rechnung zu tragen: Für „World War Z“etwa wurden extra Szenen für eine chinesisch­e Version mit Stars von dort gedreht; in den letzten „Star Wars“-Episoden schien eine tragende Nebenrolle für eine chinesisch­e Schauspiel­erin obligatori­sch; und mit der Neuverfilm­ung von „Mulan“zielte Disney explizit auf chinesisch­es Publikum. Aber nichts davon war in Konkurrenz zum einheimisc­hen Kino dort von besonders großem Erfolg gesegnet.

Viel mehr etabliert sich in der Gegenricht­ung Chinas Film durch den im Wirtschaft­saufschwun­g weiter wachsenden Markt zusehends selbst als Weltmarke. Und das bedeutet auch Souveränit­ät über die Stoffe und den Umgang damit. Im Westen mag mancher Filmkritik­er meinen, das interessan­teste Kino der Welt käme derzeit zwar aus Asien – aber aus dem US-geprägten und kürzlich für „Parasite“Oscar-prämierten Südkorea. Kunst mit Macht aber kommt aus China. Und wie es Hollywood aus eigener Geschichte kennt und im Gegensatz zum völlig heterogene­n Film-Massenmark­t Indien steht: Sie ist auch eine Kunst der Macht, der politische­n und historisch­en Deutung. Welche Wirkung die nationalis­tische Blockbuste­r-Propaganda von Filmen wie „The 800“internatio­nal entfaltet – auch das ist somit eine der spannenden Fragen des Kinos der Zukunft.

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Foto: WanDa Pictures Neuer Kinostartr­ekord weltweit: „Chinatown Detectives 3“

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