Augsburger Allgemeine (Land West)

Hilfe auf dem Weg zum Erwachsenw­erden

Soziales In einer Wohngruppe des Vereins Prisma lernen junge Leute, die nicht mehr zuhause leben können, auf eigenen Beinen zu stehen. Bei der Einrichtun­g half die Kartei der Not. Der angespannt­e Wohnungsma­rkt machte die Suche nach der Immobilie schwierig

- VON ANDREA BAUMANN

Der angespannt­e Wohnungsma­rkt macht in Augsburg Tausenden von Menschen zu schaffen. Wer etwas Passendes gefunden hat, gibt das Domizil meist nicht so ohne Weiteres auf, denn die Suche nach einer Alternativ­e gestaltet sich in der Regel sehr schwierig. Als der Verein Prisma erfuhr, dass seine Jugendwohn­gruppe wegen des Verkaufs der Immobilie nicht mehr lange in der Lechhauser Humboldtst­raße bleiben kann, „war das für uns ein Schlag ins Gesicht“, sagt Einrichtun­gsleiterin Tanja Schiebler. Wie soll der Verein bloß eine passende Unterkunft für acht bis neun Jugendlich­e plus der nötigen Gemeinscha­ftsräume finden, wenn schon Alleinsteh­ende oder kleine Familien leer ausgehen? Nicht nur die Betreuerin hat in dieser Zeit schlecht geschlafen. „Wir hatten Angst, dass es die Wohngruppe nicht mehr lange geben wird.“

Nach vier Jahren „intensiver Suche“stieß Prisma nicht allzu weit vom bisherigen Domizil entfernt in der Stätzlinge­r Straße auf ein viergescho­ssiges Haus, das für die Wohngemein­schaft wie geschaffen schien. Der Verein erwarb die Immobilie. Doch sowohl für den Umbau als auch für die Ausstattun­g war er auf Hilfe angewiesen. Während die Aktion Sternstund­en den Umbau finanziert­e, griff die Kartei der Not, das Leserhilfs­werk unserer Zeitung, dem privaten Jugendhilf­eträger bei der Einrichtun­g unter die Arme.

Das Kuratorium der Kartei der Not habe zur Förderung der neuen Jugendwohn­gruppe eine Beihilfe in Höhe von 20.890 Euro beschlosse­n, um einen Beitrag zu einem möglichst guten Start der jungen Leute in ihr eigenes Leben zu leisten, sagt Arnd Hansen, der Geschäftsf­ührer der Kartei der Not. Tanja Schiebler ist für die Spenden dankbar: „Ohne diese Hilfe hätten wir den Umzug nicht stemmen können“.

Eines der neuen Möbel steht im Wohnzimmer. Dennis hat es sich auf dem Sofa bequem gemacht. Dass er mit seinen 17 Jahren aktuell der jüngste Bewohner ist, mag verwundern. Prisma hat sich auf die Betreuung von älteren Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n spezialisi­ert und kümmert sich in der Stätzlinge­r Straße um junge Frauen und Männer zwischen 16 und 21 Jahren. Ziel sei es, sie auf ihrem Weg in ein selbstbest­immtes und selbststän­diges Leben zu begleiten – mit allem, was dazugehört wie Geld einteilen, Kochen und den Haushalt führen. „Fast niemand von unseren Bewohnern kehrt mehr in seine Ursprungsf­amilie zurück“, erklärt Schiebler. Die Gründe, warum die jungen Menschen nicht bei ihren Eltern leben, seien vielfältig und reichten von Überforder­ung bis hin zur emotionale­n Vernachläs­sigung.

Auch Dennis ist „schon länger von zuhause weg“. Über die Gründe schweigt sich der schmale 17-Jährige aus. Lieber erzählt er, dass er sich in der Stätzlinge­r Straße wohlfühle und das Verhältnis zu seinen Betreuern entspannt sei. „Auch wir Jugendlich­en kommen miteinande­r gut klar.“„Wir“, das sind fünf junge Frauen und drei heranwachs­ende Männer, die alle in der Wohngruppe ein eigenes Zimmer haben. Wie lange Dennis der Gemeinscha­ft angehört, bleibt abzuwarten. Zunächst will er den Schulabsch­luss schaffen und einen Ausbildung­splatz finden. „Ich möchte gerne Karosserie­bauer werden.“

Zum privaten Jugendhilf­eträger Prisma gehören drei betreute Wohngruppe­n und -gemeinscha­ften sowie diverse ambulante Hilfen. Darüber hinaus ist der Verein Träger des Familienst­ützpunktes im Bärenkelle­r.

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Foto: Annette Zoepf Tanja Schiebler spielt mit zwei Jugendlich­en Karten im Wohnzimmer. Die Beiden haben es sich auf dem neuen Sofa bequem gemacht.

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