Augsburger Allgemeine (Land West)
Stadt warnt vor CoronaLeichtsinn
Gesundheit Das schöne Wetter lockt die Augsburger ins Freie, viele nehmen es mit den Regeln nicht mehr so genau. Der städtische Ordnungsdienst bemerkt eine „Pandemiemüdigkeit“– und es gibt mehr Widerspruch
Mit dem „Februar-Frühling“ist ein Stück Leben in Augsburg zurückgekehrt. Menschen sitzen draußen und tanken Sonne. Vor Geschäften und Imbissen, die To-Go-Verkauf anbieten, bilden sich teils Schlangen, Eltern stehen an Spielplätzen zusammen und beobachten ihre Kinder. Die Corona-Pandemie mit ihren Regeln scheinen manche Augsburger dabei zu vergessen. Der städtische Ordnungsdienst ist deshalb unter anderem in Parks im Einsatz – für die Mitarbeiter ist die Kontrolle der Corona-Regeln zuletzt nicht leichter geworden. Es gibt mehr Widerspruch – das zeigt auch ein Streifengang des Ordnungsdienstes im Reese-Park in Kriegshaber.
An die 20 junge Frauen und Männer stählen am Montagnachmittag im Reese-Park an den Reckstangen der dortigen Fitness-Anlage ihre Körper. Aus einer Lautsprecherbox tönt laut Musik, die Sportler schwitzen, ein paar haben ihre Shirts ausgezogen. Drei Männer vom städtischen Ordnungsdienst schauen sich das nicht lange mit an – sie müssen eingreifen, die Corona-Regeln erlauben die Benutzung der Anlage nicht. „Wir dürfen jetzt in den sauren Apfel beißen und die Leute des Platzes verweisen“, kommentiert einer von ihnen, Stefan Salz. Der 40-Jährige und seine Kollegen Kerim Attalay und Vincenzo Marsei kontrollieren seit Monaten die Einhaltung der Hygienemaßnahmen. Aktuell beobachten sie eine Entwicklung, die auch Augsburgs Ordnungsreferent, Frank Pintsch (CSU), Anlass zur Sorge bereitet.
Stefan Salz sagt: „Wir stellen bei dem schönen Wetter einen zunehmenden Leichtsinn fest, er zieht sich durch alle Alters- und Bevölkerungsschichten.“Natürlich sei an diesen schönen Tagen auf Spielplätzen, in Parks und an den Seen viel los. Die Einhaltung des Mindestabstandes oder das Tragen von Masken – soweit vorgeschrieben – gerieten dabei aber immer öfter in Vergessenheit. „Während im ersten Lockdown die Menschen hinter den Maßnahmen standen, herrscht inzwischen Pandemiemüdigkeit“, konstatiert der OrdnungsdienstMitarbeiter. Er und seine Kollegen müssten mittlerweile mehr Überzeugungsarbeit leisten. „Die Bürger diskutieren mehr über die Sinnhaftigkeit mancher Regeln.“Wie auch am Montag im Reese-Park.
Als die Sportler gebeten werden, die Musik auszustellen und die Sportanlage zu verlassen, reagieren manche zunächst mit Unverständnis. Die Kontrolleure erklären, dass Sportplätze nach wie vor gesperrt sind. „Die Fitnessstudios sind geschlossen und wir wollen doch nur Sport machen. Es geht einfach darum, sich zu bewegen, Sonne und Vitamin B zu tanken und bei allem nicht depressiv zu werden“, meint ein junger Mann, der seine Sachen zusammenpackt, sichtlich frustriert.
Enttäuscht sind auch die Eltern Dimitri und Marina Isotov. Mit ihrem kleinen Sohn steuert das Ehepaar gerade den Skaterparcours an. Auch sie werden weggeschickt, weil es sich offiziell um eine Sportanlage handelt. Den Eltern war das so nicht bewusst, sagen sie. Schließlich würden auch keine Schilder darauf hinweisen. Ein Problem, das auch Stefan Salz einräumt. „Leider werden solche Schilder immer wieder abgerissen.“Die 36-jährige Mutter sagt, es reiche ihr langsam. „Bei uns ums Eck ist der Spielplatz mit 20 bis 30 Kindern voll und hier wäre mehr Platz. Das ist doch alles unlogisch.“Die Frau scheint den Tränen nahe.
Ordnungsdienst-Mitarbeiter Salz gibt zu, dass ihm manche Situationen auch nicht leicht fallen. Er sagt: „Aber wir müssen halt alle noch etwas durchhalten. Wir alle wollen doch, dass Lockerungen kommen und Normalität zurückkehrt.“Ordnungsreferent Frank Pintsch weiß, dass das schöne Wetter die Menschen ins Freie lockt. Daraus resultierten vermehrt Kontroversen zwischen dem Freizeit- und Bewegungsdrang auf der einen Seite und einem „verantwortungsvollen Umgang“mit den Hygieneregeln auf der anderen Seite.
„Bedauerlicherweise kommt es immer wieder zu konfliktträchtigen
Situationen“, sagt Pintsch, wobei ihm zufolge die meisten Augsburger für Hinweise zugänglich seien. „Man merkt aber, und das ist nachvollziehbar, dass für viele Menschen der längere Lockdown in der Winterzeit emotional herausfordernd war und ist.“Es sei aber ganz wichtig, betont der Referent, dass jetzt kein Leichtsinn um sich greife. Er befürchtet, dass sonst die bisherigen Erfolge zunichtegemacht werden könnten.
Der Sieben-Tage-Inzidenzwert lag in Augsburg am Mittwoch laut Robert Koch-Institut bei 53,9. Vor allem am vergangenen Wochenende habe man laut Pintsch einen nachlässigeren Umgang mit den Kontaktbeschränkungen und dem Abstandsgebot beobachtet. Die Polizei kontrollierte verstärkt an Treffpunkten wie dem Rathausplatz, in Parks, aber auch auf Supermarkt-Parkplätzen und an Tankstellen. Immer wieder riefen Bürger in der Einsatzzentrale an und meldeten Verstöße gegen die Regeln.
Um die 120 Anzeigen sind laut Polizeisprecher Talib Khachab am vergangenen Wochenende in Augsburg wegen Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz aufgenommen worden. Meist ging es um die Missachtung der Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum. Aber die Zahl der Anzeigen steche im Vergleich zu anderen Wochenenden noch nicht auffällig heraus, fügt er hinzu. Stefan Salz und die Kollegen vom Ordnungsdienst haben weiterhin viel zu tun. Seit Neuestem kontrollieren sie auch die Einhaltung der Quarantäne von Patienten, die sich mit einer Corona-Mutation infiziert haben.
Während der Pandemie wurde die Zahl der Stellen beim Ordnungsdienst bereits von 27 auf 31 erhöht. Weitere Stellen könnten folgen, wenn es dafür eine Mehrheit im Stadtrat gibt. Ordnungsreferent Pintsch sagt: „Der Bedarf ist auf jeden Fall da, auch was das Thema Platzmanagement und urbane Konfliktbearbeitung betrifft“. Dazu wolle er im nächsten Allgemeinen Ausschuss des Stadtrats berichten und einen Vorschlag für die Entwicklung vorlegen. Der Ordnungsdienst, so Pintsch, sei mit Sicherheit nicht überbesetzt.