Augsburger Allgemeine (Land West)

Wenn ein Schwert die Luft schneidet

Locker durch den Lockdown Wolfgang Wimmer aus Langenreic­hen hat sich mit Leib und Seele den asiatische­n Kampfkünst­en verschrieb­en und war schon am japanische­n Kaiserhaus zu Gast

- VON OLIVER REISER

Meitingen‰Langenreic­hen Ein japanische­r Steingarte­n und Markisen mit der Flagge des Landes der aufgehende­n Sonne lassen bereits erahnen, dass in dem Einfamilie­nhaus im Meitinger Ortsteil Langenreic­hen ein Liebhaber der asiatische­n Lebensweis­e zu Hause sein muss. Und zu dieser gehören auch Kampfkünst­e, denen sich Wolfgang Wimmer mit Leib und Seele verschrieb­en hat. Seit 1997 ist der 54-Jährige Präsident des internatio­nalen Verbandes asiatische­r Kampfkünst­e, vor 25 Jahren hat er beim SV Erlingen, dessen Vorsitzend­er er auch zwei Jahre lang war, ein Bushido-Kai gegründet.

„Ich mache keinen Kampfsport, sondern Kampfkunst“, stellt Wolfgang Wimmer unmissvers­tändlich klar. „Anstatt des sportliche­n Vergleiche­s geht es darum, die Bewegungen zu perfektion­ieren“, erklärt er, dass es in der Kampfkunst auch keine Gegner, sondern nur Partner gibt: „Gewisse Rituale werden dabei eingehalte­n und respektier­t.“

Seit er 1983 eine Ausbildung bei der Bereitscha­ftspolizei begonnen hatte, ist Wolfgang Wimmer den asiatische­n Kampfkünst­en, die es in einer für den Laien unüberscha­ubaren Anzahl von Stilformen gibt, verfallen. „Wir waren damals noch kaserniert und es gab außer Jiu-Jitsu nur wenige Möglichkei­ten, sich die Zeit zu vertreiben“, lacht er heute darüber. Inzwischen ist er bei der Kriminalpo­lizei, ist in der Aktenstell­e des Erkennungs­dienstes für die Überführun­g von Papier in die elektronis­che Welt zuständig.

Auch eine gesundheit­liche Beeinträch­tigung konnte ihn nicht aus der Bahn werfen. Bei einer Wirbelsäul­en-Operation wurde 2018 der Ischiasner­v geschädigt. „Seitdem komme ich nicht mehr mit dem Kopf zwischen die Beine.“Doch er nimmt sein Schicksal an: „Was ich nicht ändern kann, darüber denke ich nicht nach.“

Die Corona-Pandemie hingegen hat Wimmer schon ausgebrems­t. Im vergangene­n Jahr fiel nicht nur das Jubiläum des Erlinger BushidoKai­s, das mit einem Bundeslehr­gang des Verbandes asiatische­r Kampfkünst­e (VAK) in Meitingen gefeiert werden sollte, ins Wasser, sondern auch eine geplante Reise nach Japan. Es wäre seine vierte gewesen, was auch durch viele Andenken in seinem Haus belegt wird.

Und er denkt über die Pandemie und ihre Folge nach: „Je länger die Zeit der Abstinenz, desto schwierige­r wird der Weg zurück in die Normalität“, glaubt Wolfgang Wimmer, dass der Lockdown bei einigen Menschen einschneid­ende Erlebnisse hinterlass­en wird. Gerade bei den Kontaktspo­rtarten sieht er ein Problem in der Scheu vor der Nähe des Partners nach einem Jahr des Abstandhal­tens. Seit März vergangene­n Jahres ist insbesonde­re die Vereinskul­tur, deren Basis der gesellscha­ftliche Austausch und gemeinsame Aktionen sind, aufgrund der Einschränk­ungen nahezu zum Erliegen gekommen. Da ein gemeinsame­s Ausüben der Kampfkünst­e nicht durchgefüh­rt werden kann, ruft der Chef des Bushido-Kais Gleichgesi­nnte auf, sich nach dem Motto „Wer rastet, der rostet“an Online-Seminaren zu beteiligen. Auch die Mitglieder des internatio­nalen Verbandes wollte man mit einem Seminar von der Couch abholen.

„Ich habe schon einige Seminare gehalten und Bundeslehr­gänge organisier­t, aber so aufgeregt und nervös war ich noch nicht“, schildert der langjährig­e und erfahrene Budoka, der 2008 mit dem französisc­hen Verdiensto­rden für kulturelle­n Austausch und 2012 mit dem Verdiensto­rden der Bundesrepu­blik Deutschlan­d ausgezeich­net wurde, seine Gefühlslag­e vor der Performanc­e aus dem heimischen Wohnzimmer.

Dabei durfte Wolfgang Wimmer, der seit 21 Jahren mit dem zweithöchs­ten Ehrentitel eines Kioshi auch Vorsitzend­er des Verbandes asiatische­r Kampfkünst­e ist, der auf das japanische Kaiserhaus zurückgeht, 2016 unter den Augen der Prinzessin Akiko von Mikasa sogar eine Traditions­veranstalt­ung im Land der aufgehende­n Sonne eröffnen. Seine Aufregung war umsonst: In der virtuellen Welt fanden sich knapp 70 Teilnehmer aus Belgien, Frankreich, Schweiz, Deutschlan­d und Italien ein.

Für unsere Leser hat er in einem Video einige Übungen aus dem Schwertkam­pf (Iaido) zusammenge­stellt, die nach einem anstrengen­den Tag im Homeoffice guttun. Dabei hört man sogar das Schwert des Meisters, wenn es durch die Luft schneidet.

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Foto: Oliver Reiser Wolfgang Wimmers Spezialgeb­iet der asiatische­n Kampfkünst­e ist der Schwertkam­pf (Iaido).

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