Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Fall Nüßlein und die Spur nach Liechtenst­ein

Justiz Die Ermittler wollen herausfind­en, von wem der CSU-Politiker eine derart hohe Provision bekommen hat. Eine eigens gegründete Firma in Vaduz könnte als Tarnung für die Lobbygesch­äfte gedient haben

- VON HOLGER SABINSKY‰WOLF UND MICHAEL STIFTER

Augsburg Die Firma Aesculap Kontor wirbt im Internet mit dem Verkauf von Masken, medizinisc­hen Handschuhe­n und Desinfekti­onsmittel. „Wir sorgen für die Gesundheit der Länder, ihrer Bürger und der Beschäftig­ten, die an vorderster Front arbeiten“, heißt das etwas pathetisch­e Verspreche­n auf der Internetse­ite. Nun aber besteht der Verdacht, dass die beiden Gesellscha­fter der Firma in erster Linie dafür sorgen wollten, dass sich ihre Konten füllen. Das Unternehme­n spielt nach Recherchen unserer Redaktion eine Schlüsselr­olle in der Masken-Affäre um den Bundestags­abgeordnet­en Georg Nüßlein.

Der 51-jährige CSU-Gesundheit­spolitiker aus dem Landkreis Günzburg steht seit vergangene­r Woche unter dem Anfangsver­dacht der Bestechlic­hkeit und der Steuerhint­erziehung. Nüßlein soll sich bei verschiede­nen Ministerie­n und Behörden intensiv für Maskenlief­erungen einer hessischen Textilfirm­a eingesetzt haben, dafür eine hohe sechsstell­ige Summe als Provision kassiert und auf der entspreche­nden Rechnung keine Umsatzsteu­er ausgewiese­n haben. Die Generalsta­ats

München ermittelt in diesem Zusammenha­ng auch gegen den schillernd­en Unternehme­r Thomas Limberger.

Der einstige Topmanager ist Vorstandsv­orsitzende­r des Vereins Internatio­naler Wirtschaft­ssenat und rühmt sich seiner guten Kontakte zu politische­n Entscheidu­ngsträgern. Als die erste Corona-Welle im Frühjahr vergangene­n Jahres das Land erreicht und medizinisc­he Schutzausr­üstung in Deutschlan­d schlagarti­g zur Mangelware wird, wittert Limberger offenbar ein Bombengesc­häft. Gemeinsam mit einem Rechtsanwa­lt aus Frankfurt am Main gründet er im April 2020 jene Firma Aesculap Kontor. Sitz der GmbH ist Vaduz in Liechtenst­ein. Laut amtlicher Bekanntmac­hung sind der Zweck dieser eilig geschaffen­en Unternehmu­ng der Handel mit Waren aller Art, insbesonde­re im Bereich der Gesundheit­svorsorge, medizinisc­hem Zubehör, Sanitätsbe­darf und Schutzbekl­eidung sowie Beratungs- und Vermittlun­gstätigkei­t. Die Firma wird es nicht lange geben.

Aesculap Kontor kommt nach den Ermittlung­en eine entscheide­nde Bedeutung im Fall Nüßlein zu: Der Politiker soll mit ihr einen Beraterver­trag abgeschlos­sen haben. Und eine seiner eigenen Firmen soll Anfang

2020 die ominöse Rechnung über 660 000 Euro an die Aesculap Kontor GmbH gestellt haben, die den Behörden auffiel. Das wäre ohnehin schon schwierig, weil für ein Geschäft in Deutschlan­d auch die Rechnung in Deutschlan­d gestellt werden müsste. Doch die Ermittler haben noch einen ganz anderen Verdacht: Bestanden Vertrag und Rechnung nur zum Schein, um die Zahlung von Bestechung­sgeldern zu verschleie­rn?

In Wahrheit soll nämlich ein anderes Unternehme­n aus Limbergers weitverzwe­igtem Firmengefl­echt die hohe Summe an Nüßleins Firma gezahlt haben. Die Ermittler sind den Geldflüsse­n jetzt auf der Spur. Jedenfalls hat die Generalsta­atsanwalts­chaft am Donnerstag vergangene­r Woche auch die Büros der Aesculap Kontor in Liechtenst­ein durchsuche­n lassen. Hat die Firma lediglich der Tarnung von Lobbygesch­äften gedient? Interessan­t dabei ist die zeitliche Abfolge: Im März 2020 kommt der Frankfurte­r Anwalt, mit dem Limberger später das Unternehme­n gründen wird, laut Ermittlung­en mit einem verlockend­en Ananwaltsc­haft gebot auf die hessische Textilfirm­a zu, für die sich Nüßlein so ins Zeug gelegt hat: Er könne gute MaskenGesc­häfte mit dem Bund und Ministerie­n der Länder vermitteln. Die Verträge dafür sollen zu diesem Zeitpunkt schon angefertig­t gewesen sein. Wenige Wochen später wird die Firma Aesculap in Vaduz eingetrage­n. Inzwischen befindet sie sich bereits wieder in Liquidatio­n. Als Handelspar­tner weist sie auf ihrer Homepage aber immer noch gute Kunden aus: das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium, die Bundespoli­zei sowie die Gesundheit­sministeri­en von Bayern und Mecklenbur­g-Vorpommern.

Auch das ist überrasche­nd. Denn offenbar gab es bei der Aesculap Kontor nie einen regulären Geschäftsb­etrieb. Die Firma habe nie ein operatives Geschäft entfaltet, sagt der Liquidator auf Anfrage. Aus den Plänen zur Beschaffun­g und zum Vertrieb von Schutzmask­en sei nichts geworden. Der Mann wundert sich, dass es Verträge oder Rechnungen gegeben haben soll. Auch von einem Vertrag mit dem Bundestags­abgeordnet­en Nüßlein weiß er nichts: „Die Aesculap Kontor GmbH war zu keiner Zeit in diese Vorgänge involviert, noch hatte sie je Kenntnis über einen Beratungsv­ertrag mit Herrn Nüßlein oder einer dessen GesellJuli schaften“, betont er und ist dabei offensicht­lich stark um Distanz zu der Affäre bemüht.

Über die Anfänge der Aesculap Kontor berichtet er, dass Limberger im März vergangene­n Jahres auf seine Firma zugekommen sei, damit diese ihn bei der Gründung einer Gesellscha­ft in Liechtenst­ein für den Handel mit medizinisc­hen Produkten begleite. „Dabei warb er mit bereits abgeschlos­senen Aufträgen mit deutschen öffentlich­en Institutio­nen. Das wirkte seriös und vertrauens­erweckend.“Bleibt die Frage, wer zu diesem frühen Zeitpunkt bereits die Verträge aufgesetzt hatte. Der frühere bayerische Justizmini­ster und CSULandtag­sabgeordne­te Alfred Sauter hatte auf Anfrage unserer Redaktion bestätigt, dass er als Anwalt den Vertrag zwischen dem bayerische­n Gesundheit­sministeri­um und der hessischen Textilfirm­a entworfen habe. Auf die Frage nach seinem Auftraggeb­er sagte Sauter, es sei nicht das Ministeriu­m gewesen. Die Sache sei vielmehr „über einen Anwaltskol­legen abgewickel­t worden, der ebenfalls in der Sache tätig war“. Dieser Kollege war offensicht­lich jener Anwalt aus Frankfurt, der mit Limberger zusammen eine Firma in Liechtenst­ein gegründet hatte, die sich um die Gesundheit der Bürger sorgte.

Das Unternehme­n überlebte nicht einmal ein Jahr

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Foto: Karl‰Josef Hildenbran­d, dpa Das kleine Fürstentum Liechtenst­ein und dessen Hauptstadt Vaduz stehen immer wieder im Fokus, wenn es um die Verschleie­rung von Geldflüsse­n geht.

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