Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Fall Nüßlein und die Spur nach Liechtenstein
Justiz Die Ermittler wollen herausfinden, von wem der CSU-Politiker eine derart hohe Provision bekommen hat. Eine eigens gegründete Firma in Vaduz könnte als Tarnung für die Lobbygeschäfte gedient haben
Augsburg Die Firma Aesculap Kontor wirbt im Internet mit dem Verkauf von Masken, medizinischen Handschuhen und Desinfektionsmittel. „Wir sorgen für die Gesundheit der Länder, ihrer Bürger und der Beschäftigten, die an vorderster Front arbeiten“, heißt das etwas pathetische Versprechen auf der Internetseite. Nun aber besteht der Verdacht, dass die beiden Gesellschafter der Firma in erster Linie dafür sorgen wollten, dass sich ihre Konten füllen. Das Unternehmen spielt nach Recherchen unserer Redaktion eine Schlüsselrolle in der Masken-Affäre um den Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein.
Der 51-jährige CSU-Gesundheitspolitiker aus dem Landkreis Günzburg steht seit vergangener Woche unter dem Anfangsverdacht der Bestechlichkeit und der Steuerhinterziehung. Nüßlein soll sich bei verschiedenen Ministerien und Behörden intensiv für Maskenlieferungen einer hessischen Textilfirma eingesetzt haben, dafür eine hohe sechsstellige Summe als Provision kassiert und auf der entsprechenden Rechnung keine Umsatzsteuer ausgewiesen haben. Die Generalstaats
München ermittelt in diesem Zusammenhang auch gegen den schillernden Unternehmer Thomas Limberger.
Der einstige Topmanager ist Vorstandsvorsitzender des Vereins Internationaler Wirtschaftssenat und rühmt sich seiner guten Kontakte zu politischen Entscheidungsträgern. Als die erste Corona-Welle im Frühjahr vergangenen Jahres das Land erreicht und medizinische Schutzausrüstung in Deutschland schlagartig zur Mangelware wird, wittert Limberger offenbar ein Bombengeschäft. Gemeinsam mit einem Rechtsanwalt aus Frankfurt am Main gründet er im April 2020 jene Firma Aesculap Kontor. Sitz der GmbH ist Vaduz in Liechtenstein. Laut amtlicher Bekanntmachung sind der Zweck dieser eilig geschaffenen Unternehmung der Handel mit Waren aller Art, insbesondere im Bereich der Gesundheitsvorsorge, medizinischem Zubehör, Sanitätsbedarf und Schutzbekleidung sowie Beratungs- und Vermittlungstätigkeit. Die Firma wird es nicht lange geben.
Aesculap Kontor kommt nach den Ermittlungen eine entscheidende Bedeutung im Fall Nüßlein zu: Der Politiker soll mit ihr einen Beratervertrag abgeschlossen haben. Und eine seiner eigenen Firmen soll Anfang
2020 die ominöse Rechnung über 660 000 Euro an die Aesculap Kontor GmbH gestellt haben, die den Behörden auffiel. Das wäre ohnehin schon schwierig, weil für ein Geschäft in Deutschland auch die Rechnung in Deutschland gestellt werden müsste. Doch die Ermittler haben noch einen ganz anderen Verdacht: Bestanden Vertrag und Rechnung nur zum Schein, um die Zahlung von Bestechungsgeldern zu verschleiern?
In Wahrheit soll nämlich ein anderes Unternehmen aus Limbergers weitverzweigtem Firmengeflecht die hohe Summe an Nüßleins Firma gezahlt haben. Die Ermittler sind den Geldflüssen jetzt auf der Spur. Jedenfalls hat die Generalstaatsanwaltschaft am Donnerstag vergangener Woche auch die Büros der Aesculap Kontor in Liechtenstein durchsuchen lassen. Hat die Firma lediglich der Tarnung von Lobbygeschäften gedient? Interessant dabei ist die zeitliche Abfolge: Im März 2020 kommt der Frankfurter Anwalt, mit dem Limberger später das Unternehmen gründen wird, laut Ermittlungen mit einem verlockenden Ananwaltschaft gebot auf die hessische Textilfirma zu, für die sich Nüßlein so ins Zeug gelegt hat: Er könne gute MaskenGeschäfte mit dem Bund und Ministerien der Länder vermitteln. Die Verträge dafür sollen zu diesem Zeitpunkt schon angefertigt gewesen sein. Wenige Wochen später wird die Firma Aesculap in Vaduz eingetragen. Inzwischen befindet sie sich bereits wieder in Liquidation. Als Handelspartner weist sie auf ihrer Homepage aber immer noch gute Kunden aus: das Bundesgesundheitsministerium, die Bundespolizei sowie die Gesundheitsministerien von Bayern und Mecklenburg-Vorpommern.
Auch das ist überraschend. Denn offenbar gab es bei der Aesculap Kontor nie einen regulären Geschäftsbetrieb. Die Firma habe nie ein operatives Geschäft entfaltet, sagt der Liquidator auf Anfrage. Aus den Plänen zur Beschaffung und zum Vertrieb von Schutzmasken sei nichts geworden. Der Mann wundert sich, dass es Verträge oder Rechnungen gegeben haben soll. Auch von einem Vertrag mit dem Bundestagsabgeordneten Nüßlein weiß er nichts: „Die Aesculap Kontor GmbH war zu keiner Zeit in diese Vorgänge involviert, noch hatte sie je Kenntnis über einen Beratungsvertrag mit Herrn Nüßlein oder einer dessen GesellJuli schaften“, betont er und ist dabei offensichtlich stark um Distanz zu der Affäre bemüht.
Über die Anfänge der Aesculap Kontor berichtet er, dass Limberger im März vergangenen Jahres auf seine Firma zugekommen sei, damit diese ihn bei der Gründung einer Gesellschaft in Liechtenstein für den Handel mit medizinischen Produkten begleite. „Dabei warb er mit bereits abgeschlossenen Aufträgen mit deutschen öffentlichen Institutionen. Das wirkte seriös und vertrauenserweckend.“Bleibt die Frage, wer zu diesem frühen Zeitpunkt bereits die Verträge aufgesetzt hatte. Der frühere bayerische Justizminister und CSULandtagsabgeordnete Alfred Sauter hatte auf Anfrage unserer Redaktion bestätigt, dass er als Anwalt den Vertrag zwischen dem bayerischen Gesundheitsministerium und der hessischen Textilfirma entworfen habe. Auf die Frage nach seinem Auftraggeber sagte Sauter, es sei nicht das Ministerium gewesen. Die Sache sei vielmehr „über einen Anwaltskollegen abgewickelt worden, der ebenfalls in der Sache tätig war“. Dieser Kollege war offensichtlich jener Anwalt aus Frankfurt, der mit Limberger zusammen eine Firma in Liechtenstein gegründet hatte, die sich um die Gesundheit der Bürger sorgte.
Das Unternehmen überlebte nicht einmal ein Jahr