Augsburger Allgemeine (Land West)

Das schmutzige Geld aus Aserbaidsc­han

Justiz Die Union hat ihren nächsten Korruption­sfall. Wieder gibt es Durchsuchu­ngen. Und wieder steht der Anfangsver­dacht der Bestechlic­hkeit im Raum. Diesmal trifft es den Abgeordnet­en Fischer

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Es ist Donnerstag kurz vor 10.30 Uhr. Im Plenarsaal des Bundestags hat gerade die namentlich­e Abstimmung über die Pandemiela­ge begonnen. Das heißt: Die Abgeordnet­en müssen über die Beschlüsse entscheide­n, die Bund und Länder beim Corona-Gipfel in der langen Nacht davor getroffen haben. Axel E. Fischer, ein bulliger Mann mit raspelkurz­em grauen Haar, eilt die Treppe hinauf. Er hatte noch Stunden zuvor gegenüber unserer Redaktion angekündig­t, gegen die Verlängeru­ng des Lockdowns bis kurz vor Ostern und damit den Corona-Kurs der Kanzlerin aus seiner eigenen Partei zu stimmen. Doch der CDU-Politiker wird von Mitarbeite­rn der Oberstaats­anwaltscha­ft München abgefangen.

Fischer, so berichtet ein Abgeordnet­er, der zufällig dabeisteht, protestier­t lautstark, wirft aufgeregt die Arme hoch. Einen der Vertreter der Staatsanwa­ltschaft hat der Beobachter bereits fast auf die Minute genau eine Woche zuvor im Bundestag gesehen. Da stand der CSU-Bundestags­abgeordnet­e Georg Nüßlein im Zentrum des Interesses. Gegen ihn wird wegen Bestechlic­hkeit ermittelt, er soll im Zusammenha­ng mit einem Geschäft um CoronaMask­en 660 000 Euro Provision kassiert und nicht versteuert haben.

Das Prozedere bei Fischer ist das gleiche wie bei Nüßlein. Am Morgen um Punkt 9 Uhr tritt der Immunitäts­ausschuss des Bundestags zusammen. Das Gremium beschließt die Aufhebung der parlamenta­rischen Immunität Fischers und macht damit den Weg frei für den Vollzug gerichtlic­her Durchsuchu­ngsund Beschlagna­hmebeschlü­sse. Die Ermittlung­en führt die Generalsta­atsanwalts­chaft München, nach deren Angaben ein Anfangsver­dacht der „Bestechlic­hkeit von Mandatsträ­gern“vorliegt. Wie in solchen Fällen üblich, wird der Name Fischer dabei nicht genannt. Die Behörde verweist ausdrückli­ch auf die im strafrecht­lichen Ermittlung­sverfahren geltende Unschuldsv­ermutung.

Den Angaben zufolge waren umfangreic­he Ermittlung­smaßnahmen gegen ehemalige und aktive Mitglieder des Bundestage­s vorausgega­ngen, die der Parlamenta­rischen Versammlun­g des Europarate­s angehört hätten. „Ihnen wird vorgeworfe­n, in der Zeit zwischen 2008 bis 2016 unter anderem Gelder aus Aserbaidsc­han über britische Briefkaste­ngesellsch­aften mit baltischen Konten erhalten zu haben“, informiert die Generalsta­atsanwalts­chaft. Für das Geld, Summen werden nicht genannt, sollen sich die Abgeordnet­en politisch für die Interessen des aserbaidsc­hanischen Diktators Ilham

Aliyev eingesetzt haben. Oder, wie es die Staatsanwa­ltschaft formuliert: „Damit verbunden war die Aufforderu­ng, bei Anträgen und Abstimmung­en zu verschiede­nen Resolution­en sowie bei der Besetzung von Funktionen und Kommission­en des Europarate­s Einfluss im Sinne von Delegierte­n des Staates Aserbaidsc­han zu nehmen.“

Träfen die Vorwürfe zu, hätte sich Fischer also der klassische­n Bestechlic­hkeit schuldig gemacht. Bei der Aktion, an der rund 60 Beamte des Bundeskrim­inalamts beteiligt waren, wurden insgesamt sechs Objekte in Baden-Württember­g und Berlin durchsucht, darunter Wohnungen, Geschäftsr­äume und das Bundestags­büro Fischers.

Der 54-jährige Abgeordnet­e aus Karlsruhe muss die Ermittler in die Räume begleiten, die im ersten Stock eines Bundestags-Nebengebäu­des am Berliner Boulevard Unter den Linden 71 in Sichtweite des Brandenbur­ger Tors und der britischen Botschaft liegen. Gegen 11 Uhr ist die Razzia in vollem Gange, packen Mitarbeite­r der Staatsanwa­ltschaft Unterlagen in Kisten. Der als stramm konservati­v geltende CDU-Politiker steht dabei und sieht zu, wie Rechner beschlagna­hmt, Schubladen durchsucht, Papiere gewälzt werden. Als unsere Redaktion anruft, nimmt Fischer ab. Zunächst erkundigt er sich bei einer Vertreteri­n der Ermittlung­sbehörde, ob er Journalist­enfragen beantworte­n darf. Das sei seine Sache, so die Antwort. Das Gespräch dauert nur kurz. Fischer nennt die Vorwürfe, die gegen ihn erhoben werden „haltlos“. Und weiter: „Da haben sie was Altes ausgegrabe­n mit Aserbaidsc­han.“Fischer beteuert: „Das wird sich aufklären lassen, aber bis dahin ist mein Ruf natürlich ruiniert.“Nähere Angaben zu den Vorwürfen macht der Haushaltsp­olitiker nicht.

Das autoritäre Regime der ölreichen Kaukasusre­publik Aserbaidsc­han hatte im Versuch, sein Image aufzupolie­ren, immer wieder die Nähe zu deutschen Politikern gesucht, von Kaviar-Diplomatie war die Rede. Es geht um ein LobbyNetzw­erk, das offenbar der ehemalige CSU-Staatssekr­etär Eduard Lintner geknüpft hatte. Über Briefkaste­nfirmen sollen dazu 800000 Euro nach Deutschlan­d geflossen sein. Die CDU-Abgeordnet­e Karin Strenz habe sich auffällig für die Belange des Diktators Ilham Aliyev eingesetzt und dafür Geld erhalten. Immer wieder war in den vergangene­n Jahren im Europarat aufgefalle­n, dass etwa Appelle zur Menschenre­chtssituat­ion in Aserbaidsc­han keine Mehrheit fanden. Oder dass Wahlbeobac­hter verdächtig milde Urteile zu Urnengänge­n im Kaukasusst­aat fällten. Nicht nur Geld soll das Alijev-Regime eingesetzt haben, um sich das Schweigen von Europarat-Mitglieder­n zu erkaufen. In der seit 2013 schwelende­n Aserbaidsc­han-Affäre geht es auch um Teppiche, Uhren oder luxuriöse Gratis-Reisen.

Fischer war zwar als Mitglied des Europarats der „Baku-Connection“zugerechne­t worden, eine aktive Mitwirkung an der sogenannte­n Kaviar-Diplomatie aber war ihm bislang nicht vorgeworfe­n worden. Die politische Zukunft Fischers, seit 1998 im Bundestag, war zuletzt offen. Denn für die kommende Bundestags­wahl nominierte die CDU im Wahlkreis Karlsruhe-Land nicht ihn, sondern den 33-jährigen Nicolas Zippelius als Direktkand­idaten.

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Foto: Michael Kappeler, dpa Der CDU‰Bundestags­abgeordnet­e Axel Fischer.

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